20.10.2015 – Kategorie: Fertigung & Prototyping

Zentraler MES-Turbo für Mahle

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Die Qualität eines Turboladers darf nicht schwanken, egal aus welchem Mahle-Werk die Komponente kommt – wichtiger Bestandteil der Qualitätssicherung ist eine zentrale in einer Private Cloud laufende MES-Installation. von Ulrike Peter

Bosch Mahle Turbo Systems (BMTS) entwickelt und produziert Abgasturbolader für die Automobilindustrie. Qualität hat in der gesamten Wertschöpfungskette oberste Priorität. Als Manufacturing-Execution-System hat das Unternehmen die „Itac.MES.Suite“ gewählt. Diese begleitet den gesamten Produktionsprozess bis hin zur durchgängigen Verzahnung in die Materiallogistik und die so genannte Business-Ebene des Unternehmens. Die Besonderheit bei der Mahle-Installation ist, dass die zentrale, in Stuttgart gehostete Lösung im Sinne der Industrie 4.0 nach dem Multi-Te­nancy-Prinzip arbeitet. Die zentrale MES-Instanz läuft auf einer Private-Cloud-Infrastruktur von Bosch Mahle Turbo Systems und ermöglicht einen effizienten werksübergreifenden Einsatz.
Um künftige Abgasnormen einzuhalten, müssen Automobilhersteller alle technischen^ Ansätze ausschöpfen. Eine Schlüsselfunktion nimmt das Konzept des Downsizings der Motoren ein, bei dem oft durch Turboaufladung eine Leistungssteigerung bei reduzierten Verbrauchswerten erzielt wird. Turbolader steigern die Leistung, indem sie dem Abgasstrom Energie entziehen. Mit dieser Energie befördern sie Frischluft mit Hochdruck in die Brennräume des Motors. Durch die „Zwangsbeatmung“ erzielen die kleineren Downsize-Motoren Leistungswerte von hubraumstärkeren Motoren.
So ein Abgasturbolader ist dabei enormen Belastungen ausgesetzt und muss Temperaturen von bis zu 1.050 Grad Celsius bewältigen, während er Drehzahlen von bis zu 300.000 Umdrehungen pro Minute erreicht. Laufruhe und Dichtigkeit sind dabei für die Auftraggeber ebenso wichtige Kriterien wie eine hohe Lebensdauer und geringste Ausfallraten, die am besten gegen null gehen. Denn hier führt ein Ausfall schnell zu teuren und imageschädigenden Rückrufaktion.
Gesetztes Ziel bei Bosch Mahle Turbo Systems ist daher werksübergreifend die Sicherstellung der größtmöglichen Qualität, die insbesondere mithilfe einer dedizierten Prozesskontrolle gewährleistet wird. Ein wichtiger Baustein zur Umsetzung dieser Anforderungen ist eine zentrale MES-Installation.

Ausfallquote in Zero PPM

Bosch Mahle Turbo Systems strebt eine Zero-Parts-Per-Million-Fertigung an und muss in der Lage sein, sich auf die zunehmend individuellen Anforderungen der Kunden einstellen zu können. Hierzu zählt unter anderem auch, eine hohe Variantenvielfalt in den Produktionsabläufen zu bewältigen.
Diese Maßgabe lässt sich nur mit einer umfassenden Qualitätssicherung und Technologien zum Prozessmanagement sowie zur Prozessoptimierung realisieren. Es gilt, alle Prozesse hinsichtlich der Vorgaben zu planen und konform umzusetzen – selbst kleine Abweichungen müssen sofort erkannt und interpretiert werden.
Daher muss die Traceability (Rückverfolgbarkeit) für Materialchargen und Baugruppen bis hin zum Endprodukt durch die Erfassung von Messwerten, Prozess- und Fehlerdaten über mehrere Produktionsstandorte hinweg gewährleistet sein. Die bidirektionale SAP- und SPS-Kopplung mit integrierter Prozessverriegelung ist dabei Voraussetzung.
„Die lückenlose Rückverfolgung aller Bauteile ist eine komplexe Aufgabenstellung, da ein Turbolader aus bis zu 50 Einzelteilen besteht. Wir benötigen daher eine Lösung, die es uns bereits während des Fertigungsprozesses ermöglicht, Schwachstellen frühzeitig zu erkennen, um Fehler von vornherein zu vermeiden“, erklärt Peter Weratschnig, Head of Fi­nancials ERP and IT bei Bosch Mahle Turbo Systems in St. Michael (Österreich).

Weltweite Vernetzung

Insgesamt greifen 400 Anwender an den drei europäischen und dem chinesischen Standort auf das MES aus den Bereichen Produktion, Fertigungsplanung, Logistik und Entwicklung auf das MES zu. Die europäischen Werke arbeiten über eine BMTS-interne Private-Cloud-Infrastruktur in einer zentralen Installation, während der chinesische Standort eine eigene Ins­tallation besitzt und über den „SCT-Service“ (Supply Chain Traceability) von Itac im Zusammenspiel mit Soffico Orchestra (siehe Kasten) mit der zentralen MES-Instanz in Stuttgart kommuniziert. Diese „Multi-Tenancy-Architektur“ gewährleistet den Zugriff auf die einheitliche Softwareplattform, die die verschiedenen Clients bedient.
„Aufgrund unserer Entscheidung für eine zentrale MES-Instanz im skalierbaren Clusterbetrieb, die für mehrere Werke fungiert, waren robuste Datenverbindungen unabdingbar. Die Lösung war von Beginn an hochverfügbar, denn im Zuge der Implementierung und des Hochlaufes wurde die gesamte Netzwerkstrecke hochperformant und redundant ausgelegt“, erklärt Ata Güleryüz, Leiter IT bei Bosch Mahle Turbo Systems in Stuttgart. „Ein weiterer Vorteil, der ebenfalls einen maßgeblichen Erfolgsfaktor darstellt, ist der hohe Grad an funktionaler Standardisierung des MES.“

Die technologische Basis

SAP ist das führende System für die Stamm- und Bestandsdaten im Hause BMTS. Es bildet sämtliche  kaufmännischen und logistischen Geschäftsprozesse ab. Die Kopplung von SAP und der Itac.MES.Suite erfolgt über die zentral vorgehaltene Middleware-Architektur Soffico Orchestra.
Für die Steuerung und Dokumentation der Fertigung ist das standardisierte plattformunabhängige MES von Itac zuständig. Es stellt zudem die Rückverfolgbarkeit inklusive Prozessverrieglung bei Fehlermeldungen sicher. Die Hauptargumente für dieses MES im Vergleich zu den Systemen der Mitbewerber waren neben der aktiven Traceability auch die bidirektionale Anlagenintegration, die SAP-Integration sowie der zentralisierte Ansatz und die zukunftsorientierte technologische Ausprägung zur Erfüllung künftiger Anforderungen.
Ein für BMTS essentielles Ziel ist die Möglichkeit der lückenlosen Rückverfolgung (Traceability) sowie die durchgängige Prozessverriegelung zur Fehlervermeidung. Traceability erleichtert wesentlich Recherchetätigkeiten bei Auffälligkeiten oder Lieferantenfehlern, und die Verriegelung verhindert Verbaufehler. Mit dem eingesetztem MES lassen sich Abweichungen im Produktionsprozess in Echtzeit erkennen, Ursachen analysieren und bewerten. Das unterstützt auch den kontinuierlichen Verbesserungsprozess.

Ausblick: Industrie 4.0 global

Mit dem Einsatz des zentralen MES ist das Ziel, durchgängig hochqualitativ und effizient im Sinne der Industrie 4.0 zu produzieren, für BMTS sichergestellt. Das MES ermöglicht die lückenlose Dokumentation und Rückverfolgbarkeit sowie Transparenz über den Produktionsprozess bis in die interne und externe Supply Chain. Reduktion von Dokumentationsaufwand, Fehlervermeidung, Erfüllung von Compliance-Anforderungen der OEMs, Beherrschung der Variantenvielfalt und ein einheitliches Kennzahlensystem der Produktion sind die wesentlichen Resultate.
Der globale Rollout hat bereits begonnen, und die Installation in China ist abgeschlossen. Da das System zukunftsfähig und skalierbar ausgelegt ist, soll der bestehende Funktionsumfang komplett ausgerollt werden. Zudem sind Erweiterungen im Bereich MDE/BDE und dem Alerting bei Störungen geplant. jbi

Ulrike Peter ist freie Autorin für Technik aus Düsseldorf.

 

Itac Software

Itac stellt seit Gründung 1998 Internettechnologien für die produzierende Industrie bereit. Hautprodukt ist die Cloud-basierte Itac.MES.Suite.  Basierend auf der Java-EE-Technologieplattform sollen die Lösugen die IT-gestützten Geschäftsprozesse der Anwender durchgehend sichern.

Orchestra von Soffico

Neben dem MES von Itac kommt in dieser Anwendung die Middleware Orchestra von Soffico zum Einsatz. Dieser „Manufacturing Service Bus“, wie der Hersteller die Software betitelt, ist ein zentrales Element der Lösung bei Mahle. Orchestra vereinfacht die Kommunkation zwischen den IT-Systemen. Die Komplexität der Schnittstellenlandschaft wird beherrschbar gemacht. Ungeplant, nötige Anpassungen etwa für neue Business Modelle wie Industrie 4.0 oder Augmented Reality sind schnell und reibungslos möglich.


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