03.05.2016 – Kategorie: Branchen, Hardware & IT
Werkzeugmaschinenbau: CAD/CAM-Consulting und -Implementierung
M.Reuss ist mit einem breiten Leistungsspektrum im Modell-, Formen- und Werkzeugbau tätig. Das Unternehmen betreut Kunden von der Idee bis zum serienreifen Produkt und bewegt sich im Spannungsfeld von immer höheren Anforderungen einerseits und steigendem Termindruck andererseits. Diesem Druck begegnet die Firma erfolgreich auf der Basis von mehr als 65 Jahren Erfahrung und durch stetige Anpassung der internen Prozesse. Von Reinhild Freitag
Bei M.Reuss mit Sitz in Schwarzach am Main treffen sich Tradition und Moderne, das wird bei einem Rundgang durch die beiden Hallen mit 2.800 Quadratmetern schnell deutlich. Die vor Jahrzehnten vom Firmengründer Max Reuss zu einer Drehmaschine umgebaute Hobelbank kann man neben weiteren Erfindungen des Gründers noch immer besichtigen. Heute fertigen sieben 5-Achs-Bearbeitungszentren, unter anderem zwei Portalfräszentren DMC 105 V linear oder das Fahrständerbearbeitungszentrum DMF 260-11 linear, hochmoderne Bauteile mit höchster Präzision. Modelle, Formen und Werkzeuge werden an vier Catia- und fünfzehn Tebis-Arbeitsplätzen konstruiert. Das Unternehmen setzt Tebis schon viele Jahre ein, die Firma arbeitet mit dem CAD/CAM-System seit 1990 und ist damit einer der frühen Tebis-Anwender – zu Beginn lief Tebis noch auf einem 286er PC. Heute fertigt M.Reuss fast zu 90 Prozent für den Automobilbau − überwiegend Interieur-Werkzeuge aus Aluminium mit Pneumatik oder Hydraulik vom Prototyp bis hin zur Serie, Cubing-Teile oder Lehren.
Prozess- und Investitionsberatung führten zu zahlreichen Verbesserungen
Das erste 5-Achs-Portalfräszentrum Huron KX 100 schaffte man sich 2006 an. Schnell stellte sich nach der Investition in weitere 5-Achszentren heraus, dass die Maschinen mit sehr hoher Geschwindigkeit fertigen und die internen Betriebsabläufe diesen Maschinen nicht mehr gerecht wurden − sie waren zu langsam. Man wollte aber die Leistungsfähigkeit einer DMC 105 voll ausschöpfen, deshalb holte sich die Geschäftsführung Hilfe: 2008 startete das erste Prozess- und Investitionsberatungsprojekt mit den Beratern von Tebis Consulting. Ziel war es damals, die Prozesse so zu verändern, dass sich die Investitionen in die Maschine rechnen.
Die Ist-Analyse zeigte die Schwachpunkte auf, insbesondere beim Informationsfluss, in den Arbeitsabläufen, in der Projekt- und Maschinenfeinplanung sowie in der Werkzeugverwaltung. Markus Reuss nennt heute folgende Aspekte als wichtigste Ergebnisse der Beratung: die papierlose Fertigung mit vorgefertigten Arbeitsschablonen und vor allem die Automatisierung und Standardisierung in Konstruktion und in der Berechnung der Prozesse sowie die daraus resultierende effektivere Fertigung. Hierzu muss man wissen, dass die Maschinenbediener direkt an der Maschine die NC-Programmierung vornehmen.
Damit dieses Modell funktioniert und nicht zu Maschinenstillstandszeiten und vermehrten Rückfragen führt, müssen Strukturen und Vorgehensweisen klar sein. Großes Augenmerk legte man daher auf das optimale Zusammenspiel zwischen Konstruktion und NC-Programmierung. Um die Zusammenarbeit dieser Bereiche zu optimieren, haben die Tebis-Berater empfohlen, die Tebis-Technologie umfassender zu nutzen und gezielt zur Prozessbeschleunigung einzusetzen.
Steigerung der Produktivität
In der Konstruktion führte man die Arbeit mit einheitlicher Farbgebung und mit Features ein, in denen Regelgeometrien automatisch beschrieben werden. Tebis-Implementierer richteten für M.Reuss sogenannte NCSets ein, auf deren Grundlage sich für eine bestimmte Bearbeitungsart die genaue technologische Bearbeitungsfolge aus den zugehörigen Einzelfunktionen mit allen Herstellparametern und dazu erforderlichen Werkzeugen fest zuweisen oder variabel beschreiben lässt.
Zudem wurden Schablonen (NCJobs) implementiert, in denen man für Klassen von Bauteilen mit ähnlichen Strukturen und Werkzeugen die Bearbeitung definierte. Damit konnten NC-Vorbereitung und NC-Programmierung automatisiert und standardisiert werden.
Die Tebis-Mitarbeiter haben sämtliche Werkzeuge in die Tebis-Werkzeugbibliothek übernommen. Alle Schritte zusammen führten zur Reduzierung von Maschinenstillstands- sowie zu kürzeren Durchlaufzeiten. Die Investitionen in Beratung und Dienstleistung amortisierten sich noch im gleichen Jahr und übertrafen damit alle Erwartungen.
Dienstleistungen als Muster
Besonders lohnend: Das von den Tebis-Mitarbeitern aufgestellte Schema für die Prozessoptimierung diente M.Reuss quasi als Muster, das man anschließend fünf Mal auf die weiteren 5-Achs-Fräszentren anwenden konnte, die in den folgenden fünf Jahren angeschafft wurden. Die Mitarbeiter arbeiteten ohne externe Hilfe mit der Feature-Erkennung, richteten NCSets und Schablonen ein und füllten mit weiteren Werkzeugen die Werkzeugbibliothek, in der heute einige tausend Werkzeugkombinationen hinterlegt sind. „Dank der Prozess- und Investitionsberatung durch Tebis Consulting konnten wir selbst in der Krise 2009/2010 in neue Maschinen und Technik investieren und uns trotz des damals rückläufigen Markts finanziell stetig verbessern“, blickt Markus Reuss zurück.
Ein Bonbon für die Mitarbeiter
Die zu Projektbeginn gesteckten Ziele wurden erreicht und die definierten Maßnahmen umgesetzt, mehr noch, „sie dienen als Grundstock für die Arbeit, der noch heute Bestand hat“, sagt Markus Reuss. Dennoch musste man zunächst Hürden überwinden. Beispielsweise befürchtete die Geschäftsleitung, dass das Projekt zu viel Leistung aus dem Tagesgeschäft abziehen würde. Auch waren die betroffenen Mitarbeiter zunächst negativ gegenüber den Veränderungen eingestellt – eine völlig normale Reaktion, wie Jens Lüdtke, Leiter Tebis Consulting, weiß: „In fast allen unseren Projekten sind wir mit den Bedenken der Mitarbeiter gegenüber anstehenden Veränderungen konfrontiert. Wir sehen es daher als eine unserer wichtigsten Aufgaben an, alle Betroffenen einzubeziehen.“ Bei M.Reuss überzeugte die Mitarbeiter die hohe – bis dahin unbekannte – Geschwindigkeit, mit der sie in Tebis konstruieren und programmieren konnten. Und für die Mitarbeiter gab es im Anschluss an das Projekt noch ein „Bonbon“, wie Markus Reuss es nennt: Für jede Stunde, die ein NC-Programmierer und Maschinenbediener seine Maschine außerhalb der Arbeitszeit mannlos laufen lässt, bekommt er ein Entgelt. Die Prozesse haben die Maschinen somit mehr als eingeholt.
Beratungsprojekt für neue Anforderungen
Seit Oktober 2015 findet ein zweites Beratungsprojekt bei M.Reuss statt. „Es geht wieder um die Prozessbeschleunigung“, erläutert Markus Reuss. Um die Rüstzeiten zu reduzieren, möchte das Unternehmen in Zukunft mit Palettenwechslern und Mehrfachaufspannung arbeiten. Dafür soll erstmals ein 5-Achs-Bearbeitungszentrum mit fünf Tischen und 260 Werkzeugen in der Einzelteilfertigung der Firma mit dem bis dahin vorbereiteten Nullpunktspann-System zum Einsatz kommen. „Die Investitionen müssen sich rechnen“, erklärt Markus Reuss. Wie damals setzt er auch heute auf Tebis Consulting. Hierin spiegelt sich der Grundsatz der Firma wieder: Kontinuität und Fortschritt verbinden. (rt)
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