15.10.2015 – Kategorie: Hardware & IT
Visualisierung ersetzt Produktfotos
Fotorealistisches Echtzeit-Rendering und Virtualisierung sind die aktuellen Schlagworte der Anbieter von Grafik- und Visualisierungslösungen. Neue Technologien und Software greifen dabei so ineinander, dass sich die Prozesse wandeln.
Die Zeiten, in denen Software-Designer und -Konstrukteure ausschließlich ein paar Geschwindigkeitsvorteile durch schneller getaktete Prozessoren bei ihrer Arbeit erzielen konnten, sind vorbei. Vielmehr geht es heute darum, maßgeschneiderte Software einzusetzen, die die modernen Prozessorarchitekturen optimal auslasten und die Programmiersprachen ausreizen.
Ergebnis sind Renderings, die in Echtzeit erstellt, kaum noch von einem Foto unterscheidbar sind – und das ganz ohne High-Perfomance-Computer-Umgebung.
Nun könnte man ketzerisch fragen: „Wozu ist es nötig, fotorealistisch zu rendern? Ist der Aufwand gerechtfertigt?“ Darauf lässt sich entgegnen: Es ist nötig und der Aufwand (der heute gar nicht mehr so hoch ist) auch gerechtfertigt. Denn schon während des Designprozesses kommt es heute auf jedes Detail an.
Dies gilt insbesondere bei der Entwicklung von Produkten und Infrastrukturen, die wir jeden Tag nutzen, zum Beispiel Autos, Gebäude oder Werkzeuge. Es geht bei den Visualisierungen also um mehr als nur schöne Abbildungen für die Prospekte (das sicher auch). Aber um kosteneffizient arbeiten zu können und konkurrenzfähig zu sein, müssen Designer heute bereits vorab und präzise im Digitalen sehen, wie ihr Produkt in der Wirklichkeit aussieht. Wie es mit Licht interagiert, wie Materialien bei bestimmten Verhältnissen wirken oder reagieren. Spiegelt sich beispielsweise das Armaturenbrett in der Windschutzscheibe eines Autos bei der Verwendung eines bestimmten Armaturenbrettmaterials und tritt die Spiegelung nicht auf, wenn das Material leicht verändert wird? Wie wird Sonnenlicht von Fenstern reflektiert? Entspricht die Beleuchtung des neuen Parkhauses wirklich den Sicherheitsvorgaben?
Um solche Szenarien korrekt und realitätsgetreu zu rendern, lassen sich Technologien wie das Physically-Based Rendering (PBR) nutzen – natürlich im Zusammenhang mit schnellen Grafikprozessoren (GPUs), um auch eine Echtzeit-Interaktion zu ermöglichen.
Design works
Und hier tut sich gerade einiges: Auf der Siggraph in Los Angeles hat beispielsweise Nvidia im August ein neues Softwarepaket vorgestellt. „DesignWorks“ ähnelt der bereits aus der Computerspielentwicklung bekannten „GameWorks“-Bibliothek, die es Entwicklern erleichtert, aufwendige Grafikeffekte in Spielen schnell und einfach unterzubringen.
Mit DesignWorks sollen Produktentwickler und Designer ebenso leicht interaktive, fotorealistische Renderings realisieren können. Rund zwei Dutzend Tools zu Rendering, Materialien und Darstellung stellt das Softwarepaket den Entwicklern zur Verfügung.
So generiert etwa die interaktive, physikbasierte Render-Technologie „Iray“ fotorealistische Bilder durch Simulation des physikalischen Verhaltens von Licht und Materialien. Iray soll dabei Ergebnisse liefern, die echte Verhaltensweisen widerspiegeln. Nvidia betont, dass kein Expertenwissen über Techniken in Computergrafiken nötig sei, um mit Iray schnell fotorealistische Ergebnisse zu erzielen.
Iray ist als Render-Engine bereits in gängigen Anwendungen zur Erstellung von fotorealistischen 3D-Inhalten wie beispielsweise Catia von Dessault Systèmes erhältlich. DesignWorks enthält das sogenannte Iray-SDK (SDK – Software Development Kit) mit neuen Algorithmen, die die Render-Zeit bei Designänderungen massiv verkürzen soll. Daher geht Nvidia davon aus, dass Iray bald in weiteren beliebten CAD- und Design-Applikationen erhältlich sein wird.
Material definieren
Grundlage von Iray und ein weiterer Baustein von DesignWorks ist die so genannte „Material Definition Language“ (MDL) von Nvidia. Es handelt sich dabei um eine Technologie, mit der Anwender digitale „Modelle“ von realen Materialien (Real World Materials) kreieren und mit anderen Anwendern und Anwendungen austauschen (teilen) können. Auf diese Weise lassen sich ein einmal erstelltes physikbasiertes Material oder auch Lichtquellen innerhalb aller unterstützten Anwendungen nutzen.
Erstellt beispielsweise ein Anwender ein MDL-Material in einer Anwendung wie Iray für Rhino, lässt es sich in der eigenen Bibliothek abspeichern und zum Beispiel in Iray für Maya, oder einer anderen unterstützten Anwendung weiterverwenden.
MDL soll auch bald als Software Development Kit (SDK) verfügbar sein und einen einfachen Zugang für Entwickler zum wachsenden MDL-Ökosystem bieten.
Neue Grafikkarten
Neben den Softwarepaketen hat Nvidia auf der Siggraph auch zwei neue Grafikkarten vorgestellt, die sich an professionelle Anwender wie Designer und Ingenieure wenden. Die Quadro M4000 und M5000 setzen wie ihre bereits erhältliche große Schwester M6000 auf die Maxwell-Grafikprozessor-Architektur. Mit 8-GByte-Videospeicher bieten sie Platz für große Texturen und sonstige Daten, die bei fotorealistischen Visualisierungen benötigt werden. Die beiden Karten unterstützen 8K-Displays bei 60 Hz und 30 Bit Farbtiefe.
Die virtuelle Workstation
Neben der Visualisierung auf der Desktop-Workstation ist ein wichtiger Baustein für die nahe Zukunft das Thema Virtualisierung. Faktoren wie flexible, dezentrale Arbeitsumgebungen und Kostenreduktion sind auch im Designer-Umfeld enorm wichtig.
Nvidia bietet an dieser Stelle die Virtualisierungstechnologie Grid, die virtuelle Workstations mit hoher Grafikleistung bereitstellen kann. Auf dem Grid-Servern lassen sich auch grafikintensive Anwendungen wie 3D CAD (beispielsweise Autodesk Inventor & Revit, PTC Creo, Dassault Systèmes SolidWorks) auf einem virtualisierten System nutzen, sogar per Remote-Zugriff, wenn die Internetverbindung schnell genug ist.
Zwar werden schon länger GPUs in Virtual-Desktop-Infrastrukturen (VDI) für spezielle Anwendungen benutzt (GPU-Sharing, GPU-Pass-Through), die Technologien waren aber nicht besonders effizient. Beim GPU-Sharing „gaukelt“ beispielsweise der Hypervisor einer Applikation auf dem virtuellen Client vor, sie könne auf eine eigene, dedizierte GPU zurückgreifen. Tatsächlich gibt es im Server aber nur eine physikalische GPU. Das Fehlen eines nativen Grafiktreibers lässt einige Anwendungen nicht optimal laufen und wenn viele Anwender gleichzeitig auf Applikationen zugreifen, wird die Verwaltung beim GPU-Sharing kompliziert.
Ähnlich verhält es sich bei der Pass-Through-Lösung, die jedem virtuellen Client eine dedizierte, physikalische GPU zuordnet. Dies macht es schwierig, viele Clients gleichzeitig mit hoher Grafikleistung zu versorgen. Ein einzelner, virtueller Client wird zwar leistungsfähig, aber das Gesamtsystem skaliert nicht automatisch und wird damit ineffizient.
Grid hingegen schafft es auch, mit vielen, gleichzeitig auftretenden Nutzern zu skalieren. Alle Prozesse werden in ihren eigenen, virtuellen Adressbereichen ausgeführt. Außerdem teilen 256 unabhängige Input Buffer jede Befehlskette der virtuellen Maschinen in unabhängige Rendering-Umgebungen. Dadurch sollen echte virtuelle GPUs (vGPU) entstehen, die viele Anwender gleichzeitig und ohne Leistungseinbußen bedienen können. Grid soll auch niedrige Latenzzeiten in der VDI durch eine eigene Low-Latency-Remote-Display-Technologie erreichen. Standardmäßig wird zum Beispiel eine optimierte H.264-Codierung unterstützt.
Grid-Technologie ist kompatibel zu den verbreiteten Virtual-Desktop-Infrastructure-(VDI-)Lösungen von Citrix, Microsoft oder VMware. Das soll die Migration vereinfachen. Die speziellen Grid-Grafik-Karten können in bestehende Server vieler OEM-Hersteller eingesetzt werden. Je nach bestehender IT-Umgebung ist es also nicht notwendig, gänzlich neue Server anzuschaffen. Nach der Installation der Grid-Software, eventuellen Updates für die VDI-Lösungen und der nötigen Treiber ist das System einsatzbereit.
Ausblick
Die Möglichkeiten für Designer und Visualisierungsingenieure haben sich dramatisch verändert. Nicht nur die Geschwindigkeit der Hardware ist höher, auch die gesamte Infrastruktur bietet dank moderner Virtualisierungstechnik neue Arbeitsszenarien. Berufe, die es bisher nur an Schreibtischen mit dedizierter Workstation gab, sind jetzt von unterwegs oder von der Couch aus möglich. Gleichzeitig bekommen wir schon, bevor Produkte überhaupt existieren, einen realistischen optischen Eindruck. Das verhilft zu ausgefeilten Produkten, die im Ideal schneller und fehlerfreier auf den Markt kommen. Wir sind gespannt. jbi
Teilen Sie die Meldung „Visualisierung ersetzt Produktfotos“ mit Ihren Kontakten: