17.09.2015 – Kategorie: Hardware & IT

Validierung eines ins PLM-System integrierten Ansatzes für das Systems Engineering

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Komplexe Kombinationen aus Mechanik, Elektronik und Software sind in der Automobilindustrie heute die Regel.Traditionelle Entwicklungsstrategien helfen da häufig nicht mehr weiter. Siemens PLM Software hat deshalb einen eigenen Ansatz für das Systems Engineering entwickelt und in Teamcenter integriert. Die Hochschule für angewandteWissenschaften in München hat nun das Vorgehen validiert. von Prof. Dr. Vahid Salehi und Harald Gmeiner

Die Automobilindustrie hat 100 Jahre gebraucht, um Fahrzeuge nicht nur aus mechanischen Komponenten, sondern auch aus Bauteilen zu entwickeln, die mit Elektronik kombiniert und von Software gesteuert werden. Inzwischen sind Mechanik, Elektronik und Software in so vielen Produkten enthalten, dass sie in einem „Internet der Dinge“ vernetzt werden. Die Komplexität wächst um Dimensionen und lässt sich nur mit neuen Entwicklungsmethoden sowie entsprechenden Werkzeugen beherrschen.

Systems Driven Product Development

Einer dieser Ansätze ist die von Siemens PLM Software entwickelte Methode des Systems Driven Product Development. SDPD verbindet Systems Engineering mit Produktdefinition und integriert die Produktentwicklung zugleich mit Fertigungs- und Montageprozessen. Das vorgeschlagene V-Modell entspricht der VDI-Richtlinie 2206 „Entwicklungsmethodik mechatronischer Systeme“ und teilt sich in vier Phasen, die jeweils auf den Achsen der Definition und Erfüllung durchlaufen werden. Der hohe Abstraktionsgrad öffnet grundsätzlich neue Lösungswege, die das Kosten-Nutzenverhältnis bekannter Produkte erheblich verbessern, aber auch vollkommen neue Produkte initiieren können.

Validierung per Quadrocopter

Im Rahmen eines Forschungsprojekts entwickelte ein Team an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München ein Quadrocopter-Modell von den ersten Anforderungen über die funktionalen und technischen Ebenen bis zu den konkreten Bauteilen. Im Anschluss an die Produktentwicklung, die mit Teamcenter for Systems Engineering und integrierten Entwicklungswerkzeugen durchgeführt wurde, sollten die mechanischen Bauteile ebenso wie die Platinen im EDMS der Hochschule entwickelt werden.
Eines der Hauptziele war die Betrachtung des mechatronischen Gesamtsystems und seiner Prozesse unter Berücksichtigung der verschiedenen Disziplinen. So wurden den beteiligten Studierenden die Rollen von Entwicklern, Einkäufern, Konstrukteuren, Controllern oder Produktionsmitarbeitern zugewiesen.

Anforderungen klären

Das Projekt begann mit dem Requirements Engineering, der Erfassung von abstrakten Anforderungen nach den Interessen der beteiligten Kunden oder Anwender. In dieser Phase spielen die Kundenbedürfnisse eine zentrale Rolle. So besitzt der Quadrocopter vier vertikal wirkende Rotoren, die ihre Kraft gleichmäßig nach unten abgeben, um ihn stabil in der Luft zu halten. Dies bewirkt das Zusammenspiel von Mechanik, Elektronik und Software in Mechatronik-Komponenten.
In Teamcenter for Systems Engineering wurden nun systematisch die Kundenwünsche wie Outdoor- oder Indoor-Flugfähigkeit, lange Flugzeit, hohe Traglast oder die Montagevorrichtung für eine 3D-Kamera definiert und berücksichtigt. Das Modul für Requirements Management erlaubt es, Anforderungs- und Absatzobjekte in übergeordneten, untergeordneten und gleichgeordneten Beziehungen zu strukturieren. Das Anforderungsmanagement übernimmt auch die Identifikation, Dokumentation und Kontrolle von Änderungen. Mit dem Modul Rückverfolgbarkeit können definierende und vergleichbare Beziehungen angezeigt und die Anforderungsstrukturen mit Prozess- und Produktstrukturen abgeglichen werden. So lässt sich der gesamte Lebenszyklus verfolgen – vom Ursprung einer Anforderung über ihre Spezifikation und Entwicklung bis zu ihrer Einführung und Nutzung – und wieder zurück.

Die funktionale Ebene

Auf der funktionalen Ebene werden Struktur und Verhalten eines Systems definiert, um das Verständnis für das Gesamtprodukt zu ermöglichen. Nachdem die Systemarchitektur erstellt ist, lassen sich die verschiedenen Funktionen im Gesamtsystem identifizieren. Bezogen auf den Quadrocopter wurden für den Kundenwunsch „Outdoor-Flug-Funktionen“ wie Sinken, Steigen, Landen, Gieren, Nicken oder Rollen definiert. Ebenso sollte die Konstruktion sehr robust und mit Schutzgittern versehen sein, damit beim Landen heftige Stöße abgefangen und Personen vor den Rotoren geschützt werden. Für den Wunsch nach einer langen Flugzeit wurden relevante Parameter wie Gewicht, Art der Batterie, Kombination von Motor und Propeller festgelegt und auftretende Verluste durch Wind oder Flugstil berücksichtigt.
Alle Funktionen wurden in einem Teamcenter-integrierten Visio-Diagramm über Ports verbunden, zwischen denen Informationen oder Objekte transportiert werden können.

Technische Validierung

Nach der Funktionsstruktur wurde dazu eine technische Systemarchitektur erstellt, in der das logische Verhalten des Systems beschrieben wird. Um logische Modelle zu simulieren, wurden die integrierten Simulationswerkzeuge Matlab und Simulink in Version 2013 eingesetzt. Durch die Offenheit des Systems bilden solche Integrationen keine Probleme.
Damit analysieren Konstrukteure das dynamische Verhalten der geometrisch dargestellten Komponenten. Durch eine Systemsimulation wird zum Schluss überprüft, ob alle definierten Anforderungen erfüllt werden. Durch eine frühzeitige Validierung lassen sich zudem unerwartete Interaktionen zwischen den einzelnen Bauteilen oder Subsystemen erkennen.
Bei der Simulation des Quadrocopters spielte die Regelungstechnik eine sehr große Rolle, weil sie die Stabilität während des Fluges gewährleisten und die Sensordaten mit den Motorausgängen abstimmen muss. Durch die vollständige Integration von Matlab und Simulink in Teamcenter konnten die notwendigen Interaktionen komfortabel und problemlos durchgeführt werden.

Konstruktion auf der Bauteilebene

Im letzten Schritt des SDPD-Ansatzes wird die Bauteilebene ausgearbeitet. Dazu werden einerseits die physikalischen Eigenschaften des Systems in der hierarchischen Struktur des Systems Engineering beschrieben und andererseits die geometrischen 3D-Modelle in einem Gesamtentwurf konstruiert. Die zuvor durchgeführten, umfangreichen Verhaltensbeschreibungen der einzelnen Komponenten gehen nun in die Definition der technischen Systemarchitektur ein.
Abschließend wird die physikalische System­architektur abgebildet, die das Gesamtsystem möglichst real darstellt. Da der Quadrocopter mechanische,  elektrische und mechatronische Komponenten enthält, brauchen die Konstrukteure ein 3D-CAD-System, das die verschiedenen Ansichten des Gesamtsystems ermöglicht. Dazu soll in Zukunft NX mit entsprechenden Schnittstellen zu ECAD verwendet werden.

Ergebnisse

SDPD beschreibt mechatronische Systeme über Anforderungen, Funktionen, technische Komponenten bis hin zu den physikalischen Bauteilen. Die schrittweise Umsetzung von abstrakt bis konkret entspricht dem V-Modell der VDI-Richtlinie 2206 zur Entwicklungsmethodik mechatronischer Systeme. Mit Hilfe von Teamcenter for Systems Engineering wurde das Projekt Quadrocopter sehr erfolgreich abgeschlossen. In nur sechs Monaten haben die Studierenden nicht nur das Konzept des SDPD kennengelernt und in die Praxis umgesetzt, sondern auch die Bauteile des Quadrocopters einschließlich Platine im Labor EDMS der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München gefertigt. Siemens PLM Software leistet mit SDPD und den entsprechenden Teamcenter-Modulen einen wichtigen Beitrag für die künftige Entwicklung von mechatronischen Systemen – eine Grundvoraussetzung für das Internet der Dinge. jbi |

Prof. Dr. Vahid Salehi leitet das Laboratory for Engineering Design of Mechatronic Systems (EDMS) an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München.
Harald Gmeiner verantwortet das Business Development im Bereich Automotive bei Siemens PLM Software.


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