22.08.2022 – Kategorie: Fertigung & Prototyping

Simulationssoftware: Das bringt sie für die Nachhaltigkeit

SimulationssoftwareQuelle: eireenz/AdobeStock

Brian Thompson, tätig für PTC in den USA, hat über den Zusammenhang von Simulation und Nachhaltigkeit eine interessante Meinung. Hier sein Statement zum Thema.

Simulationssoftware in der Praxis: Environmental, Social and Governance (ESG) gerät immer mehr in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Unter ESG versteht man die Berücksichtigung von Kriterien aus den Bereichen Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und der verantwortungsvollen Unternehmensführung (Governance).

Klimawandel ist Thema Nummer 1

Im September 2021 berichtete die Forschungsgruppe Wahlen, dass die deutschen Wähler den Klimawandel auf der Liste der Themen, die ihnen wichtig sind, an die erste Stelle setzen. Selbst Covid-19 stand lediglich an zweiter Stelle. Die britische Zeitschrift „The Economist“ veröffentlichte kürzlich einen Artikel mit Titel „Annual meetings are the new frontline in the battle over corporate purpose“ und thematisiert darin, wie sehr ESG heute Unternehmensentscheidungen beeinflusst. Die Financial Times hat eine ganze Rubrik (finanziert von der Boston Consulting Group) mit dem Titel „Climate Capital“ etabliert. Sogar „Sweetgreen“, ein Salatrestaurant hier in Massachusetts, gibt an, dass es „umweltfreundliche Speisen“ auf den Tisch bringen möchte und regt mich an, die kohlenstoffarmen Gerichte zu testen.

Dies alles zeigt, dass ESG nicht mehr nur ein Anliegen einiger Gruppen aus den 1970er Jahren ist, sondern es ändert Prioritäten in den Vorstandsetagen und in Lebensstilentscheidungen vieler Menschen. ESG ist damit auch zu einem wichtigen politischen Thema geworden.

Hohe Anforderungen an Unternehmen

Die hohen und vielfältigen Anforderungen können jedoch schwer auf den Schultern von produzierenden Unternehmen lasten. Das ist eine Situation, die ich als Leiter des CAD-Geschäfts von PTC häufig erlebe. Daher werde ich in dieser Kolumne das Thema Nachhaltigkeit im Kontext der diskreten Fertigung erörtern und untersuchen, wie die Simulation – sowohl als einzelnes Softwaretool als auch ein Ansatz in der Produktentwicklung – helfen kann, Nachhaltigkeitszielen näher zu kommen und dies auf gewinnbringende Weise.

Ich definiere Nachhaltigkeit hier als eine Geschäftsstrategie, die darauf abzielt, positive wirtschaftliche, soziale und ökologische Auswirkungen zu erzielen, die rentabel sind und den Interessengruppen des Unternehmens und der Gesellschaft zugutekommen.

Simulationssoftware für Produktdesign

Ein CAD-System ist eines der Rückgrate der Fertigung. Produktdesigner und Ingenieure verwenden CAD-Tools, um die Objekte und Produkte zu entwerfen, die ein Unternehmen verkauft – vom tonnenschweren Gussteil, das einen Monat braucht, um abzukühlen, bis hin zum Heftgerät für den Schreibtisch.

Abgesehen von den Lizenzkosten und dem Zeitaufwand des Ingenieurs ist das Experimentieren und Optimieren in der digitalen, virtuellen Welt kostenlos. Je mehr physische Prototypen durch digitale Prototypen ersetzt werden können, desto besser für alle Beteiligten am Produktdesign-Workflow und desto mehr Zeit, Geld und Material spart das Unternehmen.

Es darf wirklich nicht sein, dass ein unter Druck stehender Hersteller mehrere Prototypen herstellt und nur schrittweise vorankommt, während Zeit und Geld verloren gehen, weil sich Fehlversuche im teuren Testlabor anhäufen. Wenn Unternehmen mit Stahl, Aluminium, Kunststoff und Glas arbeiten, also mit Materialien, die die Umwelt stark belasten, sind solche Probleme im Sinne von ESG besonders gravierend.

Simulationssoftware kann Produktdesign- und Fertigungsexperten helfen, einige dieser Probleme zu lösen. Mit ihr können Ingenieure Entwürfe virtuell ausprobieren, bevor sie in die reale Welt umgesetzt werden. Sie können Spannungen und Belastungen analysieren, denen das Produkt in seiner Anwendung ausgesetzt sein wird. Das führt auch zu einer exzellenten Kosteneffizienz für die dann noch nötigen Experimente.

Gerade in den frühen Phasen des Entwurfsprozesses, braucht es zudem schnelle Simulationen in Echtzeit, damit die Untersuchung des Entwurfs mit der Denkgeschwindigkeit des Ingenieurs Schritt halten kann. Mit zunehmender Reife des Entwurfs müssen raffiniertere Modellierungstools präzisere Ergebnisse für die eigentlichen Produktvalidierung liefern.

Nachhaltigkeit in der Glasindustrie

Man stelle sich ein Unternehmen vor, das Glas formt und verarbeitet. Dabei verbraucht es viel Energie und Wasser. Es fertigt ein Dutzend Prototypen, um herauszufinden, welche Variante am besten funktioniert. In den klassischen Workflows ist dies notwendig, denn wenn das Glas real in den Formen ist, weiß niemand genau, was im Inneren geschieht.

Jedoch kann das Unternehmen mit Hilfe einer Simulationssoftware untersuchen, was in der Form vor sich geht. Ein konkretes Unternehmen, das in dieser Situation war, hat genau dies gemacht und hat auf Grundlage der Simulationsergebnisse nur noch zwei physische Prototypen gebraucht, um den Prozess zu validieren. So spart man neben Zeit, Geld und Material auch Qualitätsprobleme und Frustrationen.

Simulationssoftware
Viele Unternehmen nutzen in der Produktentwicklung noch nicht das volle Potenzial von Simulation. Dabei könnte sie helfen, wirtschaftliche Ziele und Nachhaltigkeit zusammenzubringen. Bild: PTC

Simulationssoftware: Nachhaltigkeit beim international tätigen Hersteller

Der börsennotierte, weltweit tätige Hersteller von Stromerzeugungssystemen, Cummins, stellt jährlich mehr als eine Million Motoren her. Im Rahmen von „Planet 2050“ hat es sich scharfe Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Im Rahmen dieser Initiative für ökologische Nachhaltigkeit, gelten diese Ziele für das gesamte Unternehmen, die zunächst bis 2030 und folgend bis 2050 erreicht werden sollen.

Nach Angaben von Cummins werden etwa 70 Prozent des CO2-Fußabdrucks des Produkts über seine Lebensspanne bereits in der Entwicklungs- und Konstruktionsphase festgelegt. David Genter, Director of Design Engineering bei Cummins, skizziert einige der Einschränkungen, die sich das Unternehmen selbst auferlegt hat: „Als Mitarbeiter von Cummins wird von uns erwartet, dass wir uns als Verwalter des Planeten verhalten, und das bedeutet, dass wir die Menge an Material, die wir in unserer neuen Konstruktionen einbringen, und die Menge an Wasser, die für ihre Herstellung benötigt wird, sehr ernst nehmen.“

Cummins nutzte mehrere PTC-Simulationssysteme (entwickelt in Zusammenarbeit mit dem Partner Ansys) und kombinierte sie mit Software für das generativen Design von uns. Im virtuellem Raum experimentierte Cummins dann mit Materialien, Konstruktionsanforderungen und Fertigungsprozessen, um zu Konstruktionen zu gelangen, die sowohl Planet 2050 und den Produktanforderungen gerecht werden.

Fazit

Abschließend bleibt ein strategischer Aspekt zu empfehlen: Jede Simulationssoftware, die Unternehmen verwenden, sollte Teil eines zentralen Konstruktionssystems sein. Je enger die CAD-Werkzeuge und die Simulationssoftware integriert sind, um so einfacher wird die Simulation zum Teil der täglichen Arbeit der Ingenieure. Insellösungen hingegen schaffen es meist nicht in die breite Anwendung: Der Ingenieur muss die Konstruktionsarbeit unterbrechen und das Experimentieren im virtuellen Raum wird durch den zusätzlichen Konvertierungsaufwands viel weniger attraktiv. Zudem steigt die Fehlergefahr.

Im Sinn der Nachhaltigkeit sollten Unternehmen den Einsatz von Simulation vorantreiben: Wir alle sind Verwalter unseres Planeten.

Der Autor Brian Thompson ist Division Vice President und General Manager CAD bei PTC.

Lesen Sie auch: Smarte Wallbox: Wie sich E-Autos schnell und einfach aufladen lassen


Teilen Sie die Meldung „Simulationssoftware: Das bringt sie für die Nachhaltigkeit“ mit Ihren Kontakten:


Scroll to Top