26.10.2015 – Kategorie: Fertigung & Prototyping, Technik
Roboter-Programmierung: Zum smarten Assistenten
Industrie-Roboter beeindrucken, wenn sie Bauteile präzise und in hoher Geschwindigkeit platzieren – besonders schlau sind sie aber nicht, denn neue Tätigkeiten lernen sie nur mühsam. Wie es smarter geht. Von Simon Fischer und Ellen-Christine Reiff
Roboter sind heute allgegenwärtig, aus der modernen Automatisierungswelt nicht mehr wegzudenken. In Zukunft wird sich ihre Präsenz noch verstärken. Laut einer aktuellen Studie der Boston Consulting Group werden Roboter wahrscheinlich den nächsten Produktivitätssprung in der Industrie herbeiführen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Roboter „souverän“ mit immer komplexeren Aufgabenstellungen in der Fertigung zurechtkommen. Außerdem sollten sie sich möglichst einfach und schnell programmieren lassen. Dann sind auch sich rasch verändernde Produktionsbedingungen und -abläufe kein Problem für die „intelligenten Automaten“.
Doch heute sind die Maschinen nicht sehr schlau. Mit Produktivitätssteigerung lässt sich dies kaum in Einklang bringen, denn dazu müssen die Roboter lernen, mit Teiletoleranzen und variierenden Arbeitsprozessen umzugehen. Die Tendenz zu kürzeren Produktlebenszyklen und der Trend immer kleinerer Stückzahlen verlangt ebenfalls immer mehr Flexibilität. Erschwerend kommt hinzu, dass prozesssichere Roboterlösungen meist die Auswertung von Sensordaten erfordern, wie etwa jene von Kraft-Momenten-Sensoren. Das treibt normalerweise den Programmieraufwand beachtlich in die Höhe.
Flaschenhals Programmieraufwand
Auch für sehr komplexe Aufgabenstellungen ist die entsprechende Roboterhardware und Sensorik heute bereits verfügbar. Programmierkosten und -dauer sowie ein Mangel an entsprechenden Experten limitieren jedoch den Robotereinsatz auf eher einfache Anwendungen mit festen Trajektorien wie beim Serienschweißen oder der Pick&Place-Anwendung. Aber auch Aufgabenstellungen, die etwas mehr Flexibilität erfordern, lassen sich noch mit überschaubarem Aufwand realisieren. Beispielsweise das Palettieren. Wird es komplexer wie bei Fügeoperationen oder Montagen kann der Programmieraufwand für die robotergestützte Fertigung von nur einer Produktvariante ohne Weiteres ein halbes Jahr dauern (Bild 1). Das ist unter ökonomischen Gesichtspunkten oft nicht mehr vertretbar.
Adieu Zeilencode
Dieses Problems hat sich die Karlsruher Firma ArtiMinds Robotics (siehe Kasten) angenommen. Die Experten haben mit RPS eine Software entwickelt, die eine intuitive Programmierung auch von kraftgeregelten Prozessen ermöglicht und so den Robotereinsatz vereinfacht und beschleunigt. Ihr Prinzip basiert auf der Kombination vordefinierter Bausteine, die der Anwender per Drag & Drop zusammenstellt (Bild 2). Die Software leitet den Anwender an und liefert Animationen, die auch weniger versierten Nutzern das Vorgehen anschaulich machen. Die rund 50 Bausteine decken gängige Aufgabenstellungen ab.
Die ausgewählten Bausteine werden durch Führen des Roboters an Schlüsselpunkte parametrisiert. Neue Aufgaben können die Bediener den Robotern also „beibringen“, indem sie den Roboterarm manuell an die richtigen Stellen bewegen (Bild 3). Die aktuell übliche Programmierung mittels Zeilencode ist damit nicht mehr notwendig.
Dabei ist die Software an den Wissensstand des Nutzers anpassbar und sowohl für erfahrene Systemintegratoren als auch wenig versierte Anwender beim Anlagenbetreiber geeignet. Jeder kann dadurch Roboter in verschiedenen Produktionsbereichen einsetzen; die Automatisierung wird wirtschaftlicher.
Hundertmal schneller
Wie schnell sich Roboter mit der neuen Software programmieren lassen, verdeutlicht am besten das Beispiel einer Stift-Loch-Applikation (Bild 4): Wie unabhängige Tests gezeigt haben, lässt sich ein prozesssicheres Stecken in etwa fünf Minuten durch Einteachen von sieben Schlüsselpunkten programmieren. Die notwendige Spiralsuche zum prozesssicheren Auffinden des Lochs sowie die Kraftregelung zur Vermeidung von Verklemmungen beim Steckvorgang werden vollständig automatisch erzeugt. Mit Standardsoftware und Zeilencodes dagegen würde eine Längssuche zum Auffinden des Lochs bereits mehrere Stunden dauern; eine Spiralsuche und die Kraftregelung zur Vermeidung von Verklemmungen wäre mit vertretbarem Aufwand gar nicht erst möglich.
Die Einfachheit der Programmierung erschließt der Robotik neue Anwendungsfelder. Selbst sehr anspruchsvolle Aufgabenstellungen wie das prozesssichere Kabelstecken bei der Schaltschrankverdrahtung werden realisierbar und amortisieren sich meist bereits im ersten Jahr, weil Standardhardware genügt.
Potenzial der Kraftregelung
Neben solchen anspruchsvollen Aufgaben in der Handhabung und Fertigung mit robusten prozesssicheren Fügeoperationen im Mikrometerbereich ergeben sich noch viele weitere Chancen für den kraftgeregelten Robotereinsatz, etwa in der Qualitätssicherung mit Online-Kraftmessung, im Bereich der Laborautomatisierung oder beim Test von Prototypen. Dabei versteht sich ArtisMinds nicht nur als Softwarelieferant, vielmehr berät das Unternehmen auch als Dienstleister Firmen zu Automatisierungschancen und unterstützt Systemintegratoren bei der Roboterprogrammierung anspruchsvoller Projekte. jbi
Dipl.-Ing. Simon Fischer, MBA, Leitung Vertrieb bei ArtiMinds Robotics.
Ellen-Christine Reiff, M.A. arbeitet beim Redaktionsbüro Stutensee.
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