09.02.2021 – Kategorie: Konstruktion & Engineering
Projektmanagement-Software: Wie CVCS ein mächtiges Tool behutsam implementierte
Bei der Einführung der Projektmanagement-Software Planisware entschied sich die ZF-Division Commercial Vehicle Control Systems (CVCS) für einen Softstart und brachte erst nach und nach weitere Features zur Anwendung. Welche Vorteile das dem Automobilzulieferer bescherte, lesen Sie hier.
Commercial Vehicle Control Systems (CVCS), vormals bekannt als WABCO, zählt 12.000 Mitarbeiter an 40 Standorten weltweit und agiert seit Mai 2020 im ZF-Konzern als neuer eigenständiger Unternehmensbereich für Nutzfahrzeug-Systemtechnik. Unter der Leitung von Dr. Jens Erasmus, Global Director Project Management, verfolgt CVCS bei der Einführung und Implementierung der Projektmanagement-Software Planisware einen besonderen prozessorientierten und kollaborativen Ansatz.
Projektmanagement-Software schrittweise implementieren
CVCS launchte das erste Release von Planisware Mitte 2019, nachdem die Einführung des Tools Ende 2018 gestartet war. „Wir haben eingangs wie viele andere Unternehmen festgestellt, dass Planisware ein unglaublich mächtiges Tool ist“, sagt Dr. Erasmus. „Da wir uns am Anfang weder verzetteln noch die Anwender überfordern und auch nicht zu viele Ressourcen in den Launch des Tools investieren wollten, beschränkten wir uns bewusst darauf, mit dem Release erst einen ‚Softstart‘ zu machen. Zunächst nutzten wir nur das Feature „Time Card“ – die Stundenbuchung, um Kosten- und Aufwandstransparenz über die Projekte zu erhalten. Nachdem wir mit dieser Basisfunktion begonnen hatten, haben wir nach und nach weitere Features zur Anwendung gebracht.“
Stabile Basis mit validen Datenstrukturen
Ein Teil dieses Softstarts war auch, dass Dr. Erasmus und sein Projektteam bereits in dieser Phase die Grundlage für die weitere Skalierung gebaut haben. Ziel war es, alle weiteren Features launchen zu können, ohne dass an der Basis der Datenstrukturen ‚geschraubt‘ werden muss. Deshalb war dieses erste Release ein ‚Soft Start‘ aus Anwendersicht, nicht aber für das Projektteam. Mit 1,5 Jahren Abstand kann nun festgestellt werden: Mission erfüllt! CVCS profitiert nun von dieser Basisarbeit im Hintergrund und nutzt ein stabiles System mit validen und konsistenten Datenstrukturen.
Anwender müssen die Methodik verstehen
Im Jahr 2020 wurde am mittlerweile dritten Release gearbeitet, das dann Features wie etwa Risikomanagement umfasst. Die Staffelung in mehrere Releases ist laut Dr. Erasmus darin begründet, dass man erst den Anwendern ermöglichen muss, sauber mit dem Tool zu arbeiten und ihr Verhalten anzupassen. Ansonsten würde man ein Tool auf die Beine stellen, dass die Anwender nicht so nutzen wie sie es sollten. Oder es müssten kontinuierlich Ressourcen investiert werden, um das Nutzerverhalten in die richtigen Bahnen zu lenken.
Stattdessen verfolgt das CVCS-Projektteam den Grundansatz, dass die Anwender erst einmal in der Methodik trainiert werden müssen. Dadurch wissen diese zunächst einmal, wie sie zum Beispiel Risikomanagement betreiben können. Und sobald sie die Methodik verstanden haben, werden sie im Tool automatisch nach dem richtigen Button suchen. So wird, Dr. Erasmus zufolge, der Zustand vermieden, dass die Anwender zwar wissen wo sie klicken müssen, aber nicht wieso.
Projektmanagement-Software fokussiert vier Anwendungsschwerpunkte
Zu den vier Stoßrichtungen, die im Fokus stehen, zählt zunächst einmal das Gantt-Chart für die Terminplanung. Außerdem ist hierüber auch die Projektplanung mit dem Prozessablaufmodell verbunden – das Reifegradmodell, in dem prozessual abgebildet ist, wie bei CVCS Projekte und Produkte vom RFQ (Anfrage zu Informationen über Preise und Konditionen) bis zur Produktivsetzung (SOP) entwickelt werden. „Diese Aktivitäten haben wir durch das Gantt-Chart über die Templates, welche wir Roadmaps nennen, widergespiegelt. Das heißt, wenn jemand ein neues Projekt startet, hat er bei uns diese Roadmap als Framework schon vorgeladen und muss schließlich nur noch die Meilensteine anpassen. Bei uns startet man nicht mit einem nackten Gantt-Chart. Es sind schon rund 250 Aktivitäten vorgeladen, die dann nur noch angepasst werden müssen“, sagt Dr. Erasmus.
Im Project KPI Dashboard lassen sich für jedes Projekt spezifisch Fragen nach den Attributen Qualität, Kosten, Zeit beantworten. Den Projektstatus zeigen die klassischen Ampelfarben an. Darüber hinaus lassen sich die darunterliegenden Metriken ansehen, zum Beispiel ‚Start of Production (SOP) on time?‘, das ein wesentlicher Meilenstein in der Automobilbranche ist. „Falls dieser Meilenstein gerissen ist, dann hat das Projekt ein substanzielles Problem“, so Dr. Erasmus. „Das ist deswegen relevant, weil wir nicht nur auf den Top-Level schauen möchten, um festzustellen, ob das Projekt grün, gelb oder rot ist. Sondern wir können noch Erklärungen liefern: Warum ist das eigentlich so, und was sind die jeweiligen Gründe, die dazu führen, dass ein Projekt diesen spezifischen Status hat?“
Zudem ist für das ganze High-Level-Management der Projekte weltweit entscheidend, einen Überblick über den Portfolio Status zu bekommen. Dr. Erasmus: „Über Planisware können wir sehr gut sehen, wo alle unsere einzelnen Entwicklungsprojekte momentan stehen. Das ist wichtig, weil wir als Unternehmensbereich Commercial Vehicle Control Systems der ZF Group weltweit und an sehr vielen Standorten tätig sind. Wir führen derzeit fast 700 aktive Projekte in Planisware. Als global verantwortliche Führungskraft im Projektmanagement ist es für mich auch entscheidend, zu wissen, wie beispielsweise die Trends sind. Wie entwickelt sich unser Portfolio? Steigt der Anspannungsgrad zum Beispiel auch gerade während der Covid-19-Pandemie?“
Das Feature Project Maturity and Gate Discipline wird derzeit als Pilot in den USA durchgeführt und geht danach in den weltweiten Rollout. Dadurch soll sichergestellt werden, dass dieses Reifegradmodell, welches in den einzelnen Gates verankert wurde, dann über Planisware abgebildet wird. Auch dieses Feature ist laut Dr. Erasmus ein sehr anschauliches Beispiel dafür, dass „wir das Tool erst in die Köpfe der Leute hineinbringen müssen. Dabei gilt es zu erklären: Warum braucht man eigentlich diese Reifegradmessung? Was muss eigentlich gepflegt werden, um zu wissen, wo so ein Projekt steht? Ohne dieses Basiswissen und die daraus folgende Akzeptanz, würde es unheimlich schwierig, so ein mächtiges Tool wie Planisware an den Start zu bringen.“
Es empfiehlt sich, erst die Methodik zu schulen, die Anwender für die Logik dahinter zu begeistern, den Mehrwert der Funktion zu kommunizieren, und sie dann als letzten Schritt ins Tool zu implementieren.
Zusammenarbeit zwischen Funktionsbereichen
Im Unternehmensbereich Commercial Vehicle Control Systems gibt es eine starke Verbindung zwischen den Funktionen, die einen Beitrag für das Projekt leisten. Neben dem Projektmanagement sind dies im Kern die Bereiche Engineering, Projektqualität, Projekteinkauf und Finance.
Da sich CVCS traditionell durch eine extreme Dynamik auszeichnet, kundenzentriert und schnell arbeitet, hat man sich für die Zusammenarbeit der einzelnen Funktionsbereiche im Planisware-Tool auf ein paar Prinzipien geeinigt. Es wurde ein gemeinsames, abteilungsübergreifendes Ziel formuliert, um sicherzustellen, dass die wesentlichen Funktionsbereiche bei den gesamten Aktivitäten, die über Planisware implementiert werden, synchron arbeiten. Dies führt auch dazu, dass das Projektteam einen sehr strukturierten Änderungsprozess aufgebaut hat, um etwaige Änderungswünsche bezüglich Features sauber einsteuern zu können.
„Ein Teil unserer Unternehmenskultur ist es, den Mehrwert in der Kollaboration zu sehen“, sagt Dr. Erasmus. „Im Sinne eines funktionsübergreifenden Austauschs können wir mithilfe der leistungsstarken Features in Planisware dafür sorgen, dass ein bereichsübergreifender Erfolg der Projekte im Unternehmen gewährleistet ist.“
5-stufiger Ansatz zum Umsetzen der Änderungsbedarfe
Um Änderungsbedarfe oder auch Ideen zu managen, die über Planisware gesteuert werden sollen, hat Commercial Vehicle Control Systems einen fünfstufigen Prozess etabliert. Dieser erstreckt sich von der Sammlung der Geschäftsanforderungen bei den Projektleitern, gefolgt vom wöchentlichen Decision-Making-Call sowie dem optionalen monatlichen Steuerkreis, über die Konzept- und Testphase schließlich bis hin zum globalen Deployment.
Für das erfolgreiche Bereitstellen neuer Features von Planisware haben Dr. Erasmus und sein Team eine Reihe von Maßnahmen, Prozessen und Strukturen eingeführt. „Erfahrungsgemäß reicht es nicht, einfach ein Feature zu aktivieren, sondern man muss ganz intensiv mit den Anwendern arbeiten. Wir müssen ihnen erklären, warum wir das machen, was die Methodik und der Prozess dahinter sind“, sagt Dr. Erasmus „Dann entsteht genau dieses Momentum, welches wir erzeugen wollen: dass die Leute dann wirklich Lust darauf haben. Indem sie in das Tool reingehen und dann suchen, wo sie eigentlich klicken müssen, weil sie verstehen, was wir erreichen wollen. Ein Tool ist für mich nicht nur ein Tool – vielmehr ist es ein Rahmenwerk, welches die Anwender zu einem bestimmten Verhalten führt.“
Jens Erasmus, Global Director Project Management: Den Zustand vermeiden, dass die Anwender zwar wissen wo sie klicken müssen, aber nicht wieso.
Einmal pro Quartal veranstaltet Dr. Erasmus mit mehreren hundert Teilnehmern weltweit in jeder Region sogenannte Projektmanagement Townhall Meetings. Diese dienen als Forum, um die neuen Entwicklungen in Planisware vorzustellen und um Feedback zu erhalten, da es für ihn immer wichtig ist, „zu verstehen, wie die Akzeptanz in der Community ist, und ob wir vielleicht schon zu viele Schritte nach vorne gegangen sind.“ Erfahrungsgemäß honorieren es die Anwender meistens nicht, wenn man extrem schnell nach vorne schreitet, sondern sie wollen abgeholt werden und außerdem die Chance haben, ihre Sichtweise mitzuteilen.
Kontinuierliche Kommunikation mit den Anwendern: Bi-Weekly Digest
Seit dem Go-Live im November 2019 versenden Dr. Erasmus und sein Team die ‚Bi-Weekly Digests‘. Zwei Mal pro Woche erhalten mehrere hundert Planisware-Anwender aktuelle Tipps zu Planisware. Sie enthalten komprimiert und übersichtlich auf jeweils einer Seite klar verständliche Hinweise zum Tool. So erläutert zum Beispiel ein Tipp zu den „phase reviews on time“, ob die einzelnen Gates, die es gibt, eigentlich pünktlich sind, und woran dies erkennbar ist. Insgesamt zeigt sich, dass die Akzeptanz extrem hoch ist. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Rückfragen beim Planisware-Projektteam dadurch gesunken sind. Außerdem fördert die kontinuierliche Kommunikation, dass sich das Projektteam bei der User Community regelmäßig in Erinnerung rufen und diese gleichzeitig für das Tool weiter begeistern kann.
Global Topic Owners
Ein ergänzender Schlüssel zum Erfolg der Einführung ist laut Dr. Erasmus, dass für jede der wichtigsten Projektmanagementmethoden, die über Planisware implementiert werden, eine eigene Verantwortlichkeit definiert wurde.
Das Projektteam verfolgt hierzu einen strukturierten Ansatz, um die Anwender auf drei Support-Level unterstützen zu können. Auf dem untersten, ersten Level können die Global Service Center Experten, die in Indien sitzen und relativ gut wissen, wie man mit Planisware umgeht, rund 60 Prozent aller eingehenden Anfragen abfiltern.
Weitere zirka 30 Prozent davon kann der zweite Level of Support bearbeiten: PMO-Mitarbeiter in den Regionen oder Geschäftsbereichen, die in ihrem Zuständigkeitsbereich tieferes Know-how besitzen. Als Mitglieder des globalen Netzwerks von Methodenexperten sind sie Anlaufstelle für Änderungswünsche oder Verbesserungsvorschläge sowie verantwortlich für die Koordination von Planisware-Schulungen und für die konforme Anwendung der Methode in ihrem jeweiligen Bereich.
An der Spitze stehen mit den Global Topic Owners jeweils sehr erfahrene Experten für ein spezielles Themengebiet, das dann letztendlich in Planisware abgebildet wird. Diese Kollegen stellen eine global vereinheitlichte Methoden- und Toolanwendung sicher. Auch sind sie verantwortlich, die Themen in ihrem Zuständigkeitsbereich fortwährend weiterzuentwickeln und über die Abteilungsgrenzen hinweg abzustimmen.
„Der Ansatz wird uns in Zukunft weiterhelfen, wenn wir das Tool weiterentwickeln, und wenn wir neue Features hineinbringen“, sagt Dr. Erasmus. „Denn wir gehen die Feature-Entwicklung nicht von der IT-Seite an, sondern wir gehen von der Inhaltsseite, den sogenannten Global Topic Owners aus. Diese Kollegen sind dann auch verantwortlich dafür, dass die richtige Methodik in der richtigen Art und Weise in Planisware abgebildet wird.“
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