24.05.2013 – Kategorie: Branchen, Fertigung & Prototyping

Prof. Dr. Norbert Palz, UDK, über großformatigen 3D-Druck in der Architektur

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Bauen aktuell: In welchen Bereichen des Planungs- und Bauprozesses wird der 3D-Druck heute schon eingesetzt und wie ergänzt er die konventionellen Planungsmethoden?

Prof. Dr. Norbert Palz: Additive Fabrikationsverfahren in kleinerem Maßstab werden von Architekten im Moment hauptsächlich in der Entwurfsphase verwendet. Die Eigenschaften der Technologie komplexe Geometrien, wie sie durch die zeitgenössischen CAD Werkzeuge erstellt werden können, haptisch erfahrbar zu machen, favorisiert die Technologie als effektives Modellbauwerkzeug für Arbeits-und Präsentationsmodelle.

Polymerbasierte Verfahren mit einer Materialauswahl von bis zu 14 mechanisch oder optisch differenzierten Materialen, wie sie etwa von Objet Inc. realisiert werden, erlauben die Erstellung von realitätsnahen Modellen. Hauptsächliche Anwendungen davon finden sich neben der Architektur auch im Produktdesign. In Einzelfällen werden additiv hergestellte Objekt auch für Windkanal- und mechanische Funktionstest verwendet. Farbige 3D-Drucke können mit auf der Oberfläche aufgedruckten Analysegraphiken als dreidimensionale Diagramme verwendet werden und erlauben so eine direktere Verbindung zwischen Bauteil und Untersuchungswerten.  Bedingt durch die sinkenden Preise in der Anschaffung von additiven Technologien, gepaart mit einer zunehmenden Anzahl von Online-Printing-Möglichkeiten, ist von einer zunehmenden Verbreitung der Technologie als entwurfsbegleitendem Werkzeug auszugehen.

Bauen aktuell: Wie groß ist Ihrer Erfahrung nach das Interesse der Architekten?

Prof. Dr. Norbert Palz:  Architekten, die in ihrem Entwurfsprozess mit Freiformgeometrien und differenzierten Oberflächenstrukturen arbeiten, haben naturgemäß ein hohes Interesse an den Materialiserungsmöglichkeiten additiver Fabrikation. In der universitären Lehre nimmt die Arbeit mit digital gesteuerten Prozessen, zu denen neben der additiven Fabrikation auch noch das Laserschneiden und Fräsen gehört, eine bedeutende Rolle ein. Interesse innerhalb der Architektur besteht auch im Bereich der Restauration und Bauaufnahme, da mithilfe von 3D-Scannern Artefakte und Gebäude aufgenommen und in unterschiedlichen Maßstäben modellhaft materialisiert werden können.

Bauen aktuell: Unter dem Stichwort Rapid Manufacturing geht es ja z. B. im Maschinenbau oder der Autoindustrie schon darum, funktionsfähige Bauteile per 3D-Druck zu fertigen. Inwiefern sind die 3D-Modelle in der Architektur schon „funktional“?

Prof. Dr. Norbert Palz:  Die Anwendungen von Rapid-Manufacturing-Prozessen im Maschinenbau, der Luft- und Raumfahrt oder Rüstungsindustrie konzentrieren sich vornehmlich auf hochkomplexe Einzelteile mit metallischer Materialität. Studien und Prototypen für größere, additiv hergestellte Objekte wie zum Beispiel Drohnen, existieren, werden jedoch unter klandestinen Bedingungen untersucht und erlauben nur Vermutungen zu ihren angewandten Prozessen. Ein Beispiel dazu ist die unbemannte Drohne „Polecat“ von Lockheed, die zu großen Teilen aus additiv hergestellten Bauelementen entstanden ist. Die angewandte Technologie setzt als Bindemittel eine Mischung aus Karbon-Nanoröhren ein, die neue zusätzliche Festigkeiten innerhalb des Bauteils erlauben. Bedingt durch den hohen finanziellen Aufwand in der Erstellung solcher Einzelobjekte ist im Moment von keinem nennenswerten Anteil von funktionalen additiv hergestellten Elementen im Baugewerbe auszugehen. Solcherart erzeugte Elemente dürften darüber hinaus noch eine Zulassung im Einzelfall benötigen, die zusätzliche Mehrkosten erzeugen.

Forschung zum Thema Rapid Manufacturing innerhalb der Architektur fokussiert im Moment additiv hergestellte Einzelbauteile, wie etwa Fassadenpaneele, die aus Beton oder mithilfe von Natursteingranualt hergestellt werden können. Es liegen jedoch noch keine Erkenntnisse zur Lebensdauer und mechanischen Stabilität solcher Produkte vor.

Prof. Dr. Norbert Palz: „Mögliche Anwendungen des 3D-Drucks könnten etwa in der Erstellung von quasi-seriellen Betonmatrizen liegen, die als Abgussform- oder Fertigteil in die Schalung eingesetzt werden und lokal differenzierte dreidimensionale Oberflächenverläufe besitzen könnten.“

Bauen aktuell: Wie sieht, wenn es einen solchen gibt, der „typische“ Prozess vom Entwurf bis zum fertig gedruckten Bauteil in der Architektur aus?

Prof. Dr. Norbert Palz: Der Architekt muss eine dreidimensionale, digitale, wasserdichte Geometrie erzeugen, dabei sollte er die prozessinhärenten Rahmenbedingungen des späteren Herstellungsverfahrens kennen. Diese betreffen zum Beispiel die Schichthöhe, die minimal mögliche Materialstärke und die Prozesse zur Entnahme von eventuellen Stützstrukturen. Die digitale Geometrie sollte von ihrem Maßstab an den Bauraum des additiven Prozesses angepasst werden. Da es sich um einen schichtbasierten Prozess handelt, gilt es die Orientierung des Körpers im Bauraum so zu wählen, dass der Bauprozesses orthogonal zu den Bereichen mit der größten Krümmung läuft, um einen Treppeneffekt im fertig  gedruckten Objekt zu vermeiden. Die 3D-Netzgeometrie wird dann an die Software des Druckers geschickt, der diese in horizontale Schnittebenen zerlegt und daraus die Information für den Maschinenpfad des Druckkopfes oder Lasers ableitet. Nachdem der sequentielle Prozess abgeschlossen ist, lässt sich das fertige Bauteil entnehmen. Eventuelle Stützstrukturen für überhängende Bauteile müssen gegebenenfalls entfernt werden. Bei Gipsdrucken können noch Imprägnierungen zur Anwendung kommen, die die Stabilität des Objektes deutlich erhöhen.

Bauen aktuell: Inwiefern ist es sinnvoll, wie Enrico Dini, nicht nur kleine 3D-Modelle zu schaffen, sondern im großen Maßstab zu arbeiten?

Prof. Dr. Norbert Palz: Der von Enrico Dini entwickelte „dshape-prozess“ mit einer theoretischen Bauraum Größe von 6 x 6 x 6 Metern stellt eine Innovation dar, da er die Vorteile des kleinmaßstäblichen 3D-Drucks auf großformatige Bauteile übertragen kann. Durch das sequentielle Schichten ist es möglich hochkomplexe Bauteile zu fertigen, die nur schwer mit konventionellen Verfahren erzeugt werden können. Die dabei entstehenden Objekte haben eine Festigkeit, die dem von unbewehrtem Leichtbeton gleicht. Dabei ist zu anzumerken, dass die mechanische Festigkeit in Bezug auf die Baurichtung stark variiert, das heißt, das Tragverhalten quer zur Baurichtung liegt deutlich unter dem Festigkeitswert, der parallel zur horizontalen Schichtungsebene gemessen werden kann. Dieser Aspekt ist bei der Modellierung der Bauteile und ihrer späteren Baurichtung unbedingt zu beachten. Die momentane Schichthöhe von 5 bis 10 Millimetern hat bei Krümmungsverläufen innerhalb der Geometrie sichtbare Treppeneffekte zur Folge. Auch führt die Kombination aus Natursteingranulat, welches mit punktuellem Binderausstoß gehärtet wird, zu Verschmutzungen in den Düsen, die eine manuelle Nachbearbeitung der jeweiligen Schichtebene nach sich ziehen. Dies führt zu Toleranzen in der Abbildungsgenauigkeit von digitalem Modell und Natursteinwerkstück.

Bauen aktuell: Welche Erkenntnisse, was etwa die Möglichkeit komplexer Geometrien und Stabilität betrifft, konnten hier gewonnen werden?

Prof. Dr. Norbert Palz: Additive Verfahren erlauben es immer komplexere digitale Geometrien ungeachtet von lokalen Toleranzen zu materialisieren. Die Möglichkeiten der Realisierung von form- und topologie-optimierten Tragstrukturen, die in ihrer Herstellung bisher an der Komplexität solcher iterativ erzeugten Geometrien gescheitert sind, können durch einen schichtweisen Aufbau gefertigt werden. Dies erlaubt ein besseres Verhältnis zwischen aufgewandtem Baumaterial und Stabilität, und es kann zu einer anderen Formensprache von tragenden Bauteilen führen. Für eine sinnvolle Anwendung der Technologie ist es wichtig, sich über die Hauptvorteile gegenüber den bekannten Fertigungsverfahren im Klaren zu sein, da nur dann eine sinnvolle und ökonomische Implementierung in der Zukunft möglich sein wird.

Bauen aktuell: Die typischen Kunststoffmaterialien für den 3D-Druck sind ja eigentlich nicht für das Bauen gedacht. Welche Anpassungen müssen hier vorgenommen werden?

Prof. Dr. Norbert Palz: Die bei der additiven Fabrikation verwendeten Polymere haben normalerweise geringere Festigkeiten und eine kürzere Lebensdauer als vergleichbare Spritzgussteile. Manche Kunststoffdrucke sondern starke Gerüche ab und verlieren nach ein paar Monaten ihre Festigkeiten oder verändern ihre Farbe. Besonders anfällig für solche Stabilitätsprobleme sind elastische Polymere. Diese mechanischen Probleme, zusammen mit die Kosten und Baugrößen so hergestellter Bauteile müssten gelöst werden, um einen längerfristigen Einbau innerhalb einer Baukonstruktion zu ermöglichen.

Bauen aktuell: Wo sehen Sie in den nächsten Jahren den Schwerpunkt des 3D-Drucks: Wird der Schwerpunkt eher in der seriellen Fertigung liegen oder im Entwurfsprozess selbst liegen?

Prof. Dr. Norbert Palz: Der Gebrauch von additiv hergestellten Maßstabsmodellen, welche entwurfsbegleitend erstellt werden, wird in Zukunft zunehmen, da von einer Kostensenkung der Maschinen und der Materialpreise auszugehen ist.

Mögliche Anwendungen könnten beispielsweise in der Erstellung von quasi-seriellen Betonmatrizen liegen, die als Abgussform- oder Fertigteil in die Schalung eingesetzt werden und lokal differenzierte dreidimensionale Oberflächenverläufe besitzen könnten. Diese Anwendung muss aber entscheidende Vorteile gegenüber klassischen Fräsverfahren aufweisen, um einen zwingenden Einsatz zu legitimieren. Vorteile könnten in einer kleinteiligen ornamentierten Oberflächenartikulation liegen, die über subtraktive Verfahren nur kostenintensiv herzustellen ist.

Eine weitere serielle Anwendung von metallischen Rapid-Manufacturing Komponenten könnte in der Kombination mit industriellen Produkten liegen, so zum Beispiel lokal differenzierte additiv hergestellte  Knoten, die mit Standardprofilen kombiniert werden. Eine echte serielle Fertigung von additiv hergestellten Bauteilen unter den gegebenen Haftungsansprüchen ist jedoch — konservativ geschätzt — noch 15-20 Jahre entfernt.

Bauen aktuell: Welche Vorteile werden die mittels 3D-Druck gefertigten Bauteile bieten?

Prof. Dr. Norbert Palz: Die Vorteile additiv hergestellter  Bauteile müssen in den Charakteristika der Technologie begründet sein. Diese bestehen aus lokaler Geometrieadaption (Mass customisation) ohne nennenswerte Kostenzunahme, geringe Maschinentoleranzen und geometrische Freiheit und die Möglichkeit als Frontend Technologie für die Entwicklungen innerhalb digitaler Modellierungsmöglichkeiten zu fungieren. Diese Aspekte könnten eine lokale Adaption von Bauteilen in Abstimmung mit Kraftflüssen und logistischen Anforderungen erlauben. Sollte es zu einer Professionalisierung der 3D-Großformat Drucktechnologie kommen, können so ehemals getrennte Bauteilfunktionen in heterogene Wandaufbauten integriert werden. Diese Schichtung von strukturellen, performativen und logistischen Funktionen würde sich dabei auch in einer neuartigen Ästhetik der Bauteile abzeichnen, da klassische sequentielle Fügungen von  Bauteilfunktionen obsolet wären.

Die lokale Konfiguration von Materialstrukturen erlaubt ein Einbetten von graduellem mechanischem und dynamischem Verhalten ohne aufwändige Steuertechnologie. Additive Multimaterialprozesse in Kombination mit finiter Elemente-Analyse erlauben es schon heute, dreidimensional graduelle Materialien mit wechselnden mechanischen Eigenschaften zu erzeugen, die für dynamische Bauteile vorteilhaft wären.

Bauen aktuell: Herr Prof. Dr. Palz, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Andreas Müller

 

Info: Lehrgebiet Digitales und Experimentelles Entwerfen

Das Lehrgebiet untersucht in Lehre und Forschung den Einfluss digitaler Technologien auf  die Rahmenbedingungen der Architekturentwicklung und Produktion. Diese umfassen kulturelle, historische, technologische und theoretische Themen, die in experimentellen Übungen und Entwürfen untersucht werden. Der Lehrstuhl verfolgt dabei eine vermittelnde Idee von historischer architektonischer Wissensbildung und zeitgenössischer Forschung, um eine gestalterische Einkapselung in Form und Inhalt von digital entworfenen Projekten entgegenzuwirken. Der Lehrstuhl untersucht in seiner Forschung die Entwurfs-und digitalen Modellierungsmöglichkeiten additiv hergestellten Bauteilen mit heterogenem Aufbau und multiplen Funktionen. Weitere Themen umfassen zeitgenössische CAD Didatik und die Einflüsse digitaler Technologien auf Raumwahrnehmung und Konzeption. 

Weiteres unter: http://www.arch.udk-berlin.de/palz/


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