04.04.2022 – Kategorie: Konstruktion & Engineering
PLM-Saas: Produktentwicklung neu gedacht
Wer Flugautos baut, der traut sich auf neues Feld. PAL-V verlässt auch bei der PLM-Strategie und Cloud-Einsatz eingefahrene Wege. Dennoch bleibt das Unternehmen einer Traditionslinie treu.
Pendeluhren, Metronome sowie Yachten und nun: Flugautos. Was Innovationen betrifft, brauchen sich die Niederlande nicht verstecken. PAL-V (Personal Air and Land Vehicle) setzt die lange Tradition großer Ingenieursleistungen fort und verbindet dabei Luftfahrt und die Automobilindustrie miteinander. 2008 gegründet, entwickelt das Unternehmen aktuell ein Fahrzeug, von dem viele Flugzeug- und Automobilliebhaber gleichermaßen träumen dürften. Dabei setzen die Ingenieure auf PLM-SaaS.
Herausforderungen beim Engineering
Die Idee formte sich bei Robert Dingemanse, CEO und Mitgründer, bereits 1999: Er fuhr mit dem Auto zum Flugplatz, wo er als Pilot ins Flugzeug stieg, um am Zielort wieder in ein Auto zu steigen. Dabei erschweren unvorhersehbare Wetterbedingungen diese Routine zusätzlich, denn bei bestimmten Verhältnissen ist ein sicherer Rückflug nicht möglich. Nun bietet PAL-V seinen Kunden eine unmittelbare ‚FlyDrive‘-Lösung zum Zielort und macht den Flugverkehr damit alltagstauglich.
Dingemanse erklärt: „Unser Flugauto beruht auf existierenden, bewährten Technologien. Die Zertifizierung ist im Rahmen der vorhandenen Vorschriften möglich.“ Und gerade letztere erzeugten immer mehr Arbeit bei dem sich etablierenden Unternehmen.
Das Flugauto-Konzept vereint den Ansatz eines dreirädrigen Straßenfahrzeugs mit dem eines Tragschrauber. Tragschrauber sind Drehflügler, der fürs Fliegen nötige Auftrieb ergibt sich durch einen nicht angetriebenen Rotor, während der Vortrieb von einem angetriebenen Propeller erzeugt wird.
Unternehmen und Vorschriften wuchsen
Zunächst bestand das Team aus nur 10 Personen, die alle vor Ort arbeiteten. 2014 waren es bereits 15 Team-Mitglieder, die immer noch dieselben Systeme und Methoden nutzten. Versionskontrolle und Konfigurationsverwaltung für Produkte und Entwürfe erfolgten manuell über ein Benennungs- und Nummerierungssystem. Heute ist das Team mehr als viermal so groß wie zu Anfang und wächst immer noch schnell. Auch hat die Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (EASA – European Union Aviation Safety Agency) strikte Vorschriften für die Konstruktion und den Betrieb von Drehflüglern herausgegeben. Um einen experimentellen Prototyp in die Produktion zu überführen, muss PAL-V sicherstellen, dass die strengen Vorschriften eingehalten werden.
Das Unternehmen erkannte, dass dafür ein solideres Fundament für die Verwaltung der Entwurfsspezifikationen nötig ist. Jeroen Klein Lankhorst, IT-Manager und PLM-Spezialist bei PAL-V, erläutert: „Wir sind schnell gewachsen und rechnen damit, in Zukunft mit zahlreichen Partnern zu arbeiten, seien es Wartungspartner oder Flugschulen. Wir brauchen ein zuverlässiges System, auf dem wir aufbauen können.“ Das Unternehmen entschied sich dabei für PTC als Software-Partner.
PLM-SaaS
Windchill SaaS ist eine umfassende PLM-Software, die Daten-Governance und -Verfolgbarkeit sicherstellt. Die offene Architektur ermöglicht einfache Integrationen mit anderen Unternehmenssystemen und stellt eine solide Grundlage für einen produktorientierten digitalen Thread bereit.
Durch das SaaS-basierte Managed-Service-Angebot ist die PLM-Lösung einfacher zu konfigurieren, zu skalieren und zu sichern, als vor Ort installierte Systeme. Zudem werden die Zusammenarbeit und Agilität im erweiterten Unternehmen, einschließlich Home-Office-Umgebungen, sehr gut unterstützt.
Ein wesentlicher Faktor bei der Entscheidung für Windchill SaaS war zudem, dass es als einzige Out-of-the-Box-Implementierung eng an die CM2-Methodik angelehnt war, einen globalen Standard für die Änderungs- und Konfigurationsverwaltung.
Wenn Produktänderungen erforderlich sind, bietet die Lösung die Möglichkeit, Probleme oder Verbesserungen zu erfassen, entsprechende Aktualisierungen zu dokumentieren und zu implementieren sowie Informationen dazu über eine priorisierte Änderungsnachricht an alle Beteiligten zu versenden. Da die Lösung durch seine Integrationsfähigkeit Systeme miteinander verbindet, lassen sich alle betroffenen Elemente im Unternehmen automatisch aktualisieren.
Cloud-Lösung unterstützt
PAL-V benötigte jedoch noch mehr Möglichkeiten für die effiziente Datenspeicherung und -freigabe, daher investierte das Unternehmen auch in die PTC Cloud, um seine Daten zu verwalten und zu speichern. Gemeinsam mit Experten des Anbieters und einem Integrationspartner wurde die PLM-SaaS-Plattform so angepasst und konfiguriert, dass sie nun alle benötigten Funktionen bietet.
Die PTC Cloud liefert dabei ein hohes Maß an Sicherheit, was PAL-V zum Schutz seiner Entwurfsspezifikationen und damit seines geistigen Eigentums benötigt.
Wenn das System um neue Funktionen ergänzt wird, unterstützen Service-Manager des Anbieters bei der Lösung von Problemen und der erfolgreichen Implementierung. Dabei ist die Betreuung auch im laufenden Betrieb proaktiv – das PTC-Cloud-Team wartet nicht bis sich der Anwender meldet, sondern informiert sich regelmäßig über aktuelle sowie potenzielle Probleme und unterstützt bei deren Lösung.
Manuelle Prozesse einsparen durch PLM-SaaS
Vor der Implementierung von Windchill SaaS und der PTC Cloud waren für die Erfüllung von Compliance-Auflagen und die Durchführung von Konstruktionsänderungen manuelle Prozesse und Dokumentationsarbeiten bei PAL-V erforderlich. Durch die Kombination von PLM und Qualitäts-Management auf einer einzigen Plattform ermöglichen die Lösungen heute die schnelle Bereitstellung hochwertiger Produkte auf Basis lokaler Normen und Vorschriften.
Klein Lankhorst erklärt: „Die Einhaltung der Normen und Vorschriften erfordert eine umfangreiche Dokumentation. Diese ist nun digitalisiert. In der Luftfahrt haben Sicherheit und Verfolgbarkeit zum Lieferanten und Konstrukteur einen hohen Stellenwert. Diese Möglichkeiten haben wir mit Windchill SaaS und der PTC Cloud geschaffen. Das System erfüllt von sich aus 80 bis 90 Prozent aller unserer Anforderungen an die Produktdefinition. Damit legt diese Lösung den Grundstein für Compliance im gesamten Unternehmen.“
Zukünftiges Wachstum
In diesem Jahr plant der Flugautobauer mit einem Wachstum von 20 Prozent beim Umsatz. Angesichts der bevorstehenden ersten Produkteinführung geht er davon aus, dass es noch länger auf diesem hohen Niveau bleiben wird. 2022 will das Team etwa 90 Flugautos bauen. Es liegen Vorbestellungen aus 11 Ländern vor, davon 30 aus den Niederlanden.
Um das Wachstum zu unterstützen, setzt das Unternehmen auf kontinuierliche Verbesserungen, auch bei der Nutzung von Daten. Windchill SaaS und die PTC Cloud werden bislang in der Konstruktion und Entwicklung eingesetzt. Auch kann der Hersteller über die Plattform des PLM-SaaS bereits Zulieferer einbinden. Dies geschieht über die nun integrierte IoT-Plattform ThingWorx Navigate (ebenfalls eine PTC-Lösung), die es dem Team erlaubt, ohne Mühe und Sicherheitsrisiken, externen Partnern und Konstrukteuren sicheren Zugriff auf die Daten zu gewähren. Bald sollen die Lösungen auch auf die Produktionslinien ausgedehnt werden.
Die IIoT-Funktionen von ThingWorx sollen künftig zusätzliche AR-Funktionalitäten bereitstellen, Flugdaten für die Produktverbesserung erfassen und Predictive Maintenance der Geräte ermöglichen. Die Cloud-Komponenten sind dabei eine Spielwiese für zahlreiche mögliche Optionen. Mit Einsatz der PTC-Technologien möchte das PAL-V eine kontinuierliche Verbesserung seiner Produkte und Dienstleistungen erreichen.
Die Autorin Libby Fink ist Director Corporate Communications Europa bei PTC.
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