17.11.2015 – Kategorie: Hardware & IT

PLM: Mit passenden Produktvarianten Kosten optimieren

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Kundenwünsche führen vor allem bei Investitionsgütern zu einer wachsenden Variantenvielfalt. Die Modularisierung der Produkte und intelligente Baukästen helfen, die Kosten im Griff zu behalten. PLM-Systeme vereinfachen den Umgang mit den Produktbaukästen und machen so ihr Rationalisierungspotenzial zugänglich. von Michael Wendenburg

Maschinen- und Anlagenbauer entwickeln immer mehr Produktvarianten, um kundenspezifische Aufträge zu erfüllen. Dabei stehen sie vor der Herausforderung, die Durchlaufzeiten zu verkürzen und die mit der Variantenvielfalt verbundenen Kosten unter Kontrolle zu behalten. Der konventionelle Engineer-to-Order-Prozess, meist durch bloßes Kopieren und Anpassen gekennzeichnet, erreicht dies in aller Regel nicht mehr.
„Die Ingenieure haben im Auftragsfall oft keine Zeit, sich um eine wirklich kostenoptimierte Lösung zu kümmern, die mit Vertrieb, Einkauf und Fertigung abgestimmt ist. Das treibt die Teile- und Variantenvielfalt in die Höhe und erhöht die Kosten und die Fehlerquote“, sagt Achim Kerker, Geschäftsführer der IGS-Consulting Prof. Stannek GmbH.
Das Unternehmen berät Kunden in der Investitionsgüterindustrie seit rund 20 Jahren beim Aufbau intelligenter Produktbaukästen und der Reorganisation ihrer Entwicklungsprozesse.
Modulare Produktarchitekturen
Ohne modulare Produktbaukästen treiben viele Unternehmen einen unnötig hohen Engineering-Aufwand. Sie erfinden, überspitzt gesagt, zwar nicht das Rad, aber Nabe und Felge ständig neu. Das ist zeitaufwendig und auch teuer, denn jedes neue oder modifizierte Teil muss wieder abgesichert, gefertigt oder bestellt und verwaltet werden. Und Sachmerkmalleisten allein für Norm- und Katalogteile reichen nicht, um die Variantenvielfalt einzudämmen, kommentiert Kerker. Das Rationalisierungspotenzial liegt in der Wiederverwendung von kompletten Baugruppen.
Voraussetzung ist eine variantengerechte Strukturierung der Produkte, abgesichert durch die Entwicklung, mit klar definierten Schnittstellen, die auch das Zusammenspiel von Mechanik und Elektronik berücksichtigt. Sie darf nicht nur die Vertriebssicht und auch nicht nur die der Konstruktion widerspiegeln.
„Im Idealfall wird die Baukastensystematik über das gesamte Unternehmen einheitlich angewandt. Die von den Ingenieuren definierte variable Produktstruktur muss auch vertrieblich nutzbar sein“, erklärt Kerker. „Unsere Leistung besteht darin, die unterschiedlichen Sichten perfekt zu verbinden.“

Genau soviel Varianz wie nötig

Die Überarbeitung der Produktstrukturen startet mit der Analyse der vorhandenen und den tatsächlich benötigten Varianten. Nach den Erfahrungen von IGS gibt es oft eine Vielfalt, die historisch gewachsen ist, die aber der Markt gar nicht (mehr) nachfragt. „Ein erheblicher Teil der Varianz ist hausgemacht“, sagt Kerker. „Einer der größten Treiber sind fehlende klare Vorgaben, wie die Produkte zu strukturieren sind. Das bei der Beratung aufzudecken, ist wichtig, denn die Einführung eines Produktbaukastens setzt auch die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter und der Organisation voraus.“
Viele Unternehmen sehen allerdings die Modularisierung ihrer Produkte kritisch. Ihr Argument: Die Anforderungen ihrer Kunden seien zu individuell, um sie in einem Baukasten abzubilden. Kerker lässt den Einwand nicht gelten und empfiehlt, erst einmal herauszufinden, welcher Anteil der Produkte denn wirklich kundenspezifisch ist.

Produktvarianz zu beherrschen, bedeutet, die Produktdefinition marktgerecht und wirtschaftlich zu gestalten und durchgängig umzusetzen.

IGS orientiert sich bei der Analyse der Varianz an einem Dreischalenmodell: Den Produktkern bilden die Teile, die immer benötigt und die gegebenenfalls sogar auftragsunabhängig vorgefertigt werden können. Dann kommen die konfigurierbaren Komponenten, also Standard-, Tausch- und Zusatzteile, für die klare Schnittstellen und Konfigurationsregeln benötigt werden. Zuletzt wird festgelegt, welche kundenspezifischen Optionen man zulassen will. Die Gewichtung der einzelnen Schichten wirkt sich auf die Prozesse in der Auftragsabwicklung aus. Unter Umständen erfordert der Übergang zu einer Mischform aus Konfiguration und Engineering eine andere Aufstellung der Entwicklung und andere IT-Werkzeuge.

So rechnet sich der Baukasten

Beim Aufbau eines Baukastens empfiehlt sich eine pragmatische Herangehensweise: In ihm sollten nur Module Eingang finden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in künftigen Stücklisten verwendet werden, meint Kerker: „Nicht die Historie mit allen Altlasten aufarbeiten, sondern das Zukunftsfähige herausarbeiten“, lautet die Devise. Konfiguration sei auch als Automatisierungsmechanismus zu verstehen, der eine bestimmte Auftragshäufigkeit voraussetze, betont der Berater.
Werden bestimmte Optionen selten nachgefragt oder sind Kundenwünsche schwer vorhersehbar, lohnt sich der Aufwand für die vollständige Vordefinition des Produkts nicht. Das spricht aber nicht gegen die Anwendung der Baukastensystematik. Hier empfiehlt Kerker, Vorlagen mit Referenzkonstruktionen anzulegen, die die Struktur und Funktionsweise des Moduls vorgeben, aber noch nicht bis ins letzte Detail auskonstruiert sind. „Die Frage ist, wie tief man die Vordefinition treiben möchte“, sagt Kerker. „Wer versucht, alles idealtypisch abzubilden, läuft Gefahr, sich zu übernehmen. Hier das richtige Vorgehen mit Entwicklung, Vertrieb und Projektierung abzustimmen, ist unsere Kernkompetenz.“

Verlässliche Stammdaten – ein Muss

Wesentliche Voraussetzung für eine effiziente Nutzung des Produktbaukastens ist die verlässliche Organisation von Stammdaten und Stücklisten. Deshalb müssen eventuell Nummernsysteme und Benennungskataloge überarbeitet, Ordnungssystematiken für die Klassifizierung der Funktionsmodule erweitert und die Stücklisten unternehmensweit vereinheitlich werden. „Ohne verlässliche Stammdaten lassen sich die konfigurierten Strukturen nicht durchgängig vom Vertrieb bis in die Fertigung nutzen“, so Kerker. „Letztlich geht es allen Kunden darum, in möglichst kurzer Zeit nach dem Auftragseingang die Fertigungsstückliste freigeben zu können.“
Ebenso wichtig ist, dass der Produktbaukasten durchgängig in die Prozesskette der Auftragsabwicklung eingebunden ist. Hier bietet sich die Implementierung im PDM/PLM-System an: Die Komponenten und Module können dort einfach klassifiziert und danach jederzeit schnell wiedergefunden werden. Außerdem sorgt das System dafür, dass die Inhalte des Baukastens immer auf dem neusten Stand sind und bei Änderungen sofort wieder aktualisiert werden. „Das Freigabe- und Änderungswesen sowie die Versionsverwaltung sind typische Aufgaben dieser Systeme“, erklärt Kerker. „Deshalb gehört auch der Baukasten ins PDM/PLM-System.“

PDM/PLM unterstützt

Moderne PDM/PLM-Systeme, beispielsweise CIM Database von Contact Software, verfügen zudem über ein leistungsfähiges Variantenmanagement, das die Definition von einfachen bis hin zu komplexen Variabilitätsmodellen unterstützt. Dies ist laut Kerker vor allem für Unternehmen relevant, die wegen der vielen Sonderwünsche ihrer Kunden ihre Produkte nicht komplett aus vordefinierten Komponenten und Modulen zusammenstellen können und den Baukasten deshalb mit Engineer-to-Order-Prozessen kombinieren möchten.
„Engineering-lastige Unternehmen brau­chen ein Variantenmanagement im PDM-System, um die entwicklungsgetriebene Varianz beherrschen zu können“, erklärt Kerker.

ERP-Integration essenziell

Eine durchgängige Auftragsabwicklung setzt voraus, dass PDM/PLM- sowie ERP-System soweit integriert sind, dass die konfigurierten Strukturen aus dem Baukasten als Grundlage für die auftragsspezifische Fertigungsstückliste genutzt werden können. Am Ende muss eine freigegebene Fertigungsstückliste zusammen mit allen fertigungsrelevanten Unterlagen im ERP-System zur Verfügung stehen.
Lassen sich Produkte vollständig oder weitgehend vordefinieren, bildet der Baukasten zudem die Basis, um den Prozess der Auftragsabwicklung durch einen Konfigurator teilweise zu automatisieren. „In diesen Fällen sind Zeiteinsparungen in Vertrieb, Projektierung und Engineering von bis zu 50 Prozent keine Seltenheit“, versichert Kerker. „Die Kosteneinsparungen variieren je nach Auftragshäufigkeit. Entscheidender ist, dass der Produktbaukasten überhaupt erst die Voraussetzung für die Entwicklung kostenoptimierter Lösungen schafft.“ (jbi)

Michael Wendenburg ist freier Autor aus Sevilla (Spanien).


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