28.09.2015 – Kategorie: Fertigung & Prototyping

MES – Software schafft Arbeitsplätze

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Bei der Firma Herbert Maschinenbau deckt eine MES-Lösung versteckte Potenziale auf und sorgt neben einem Plus an Produktivität auch für mehr Arbeitsplätze. von Michael Naumann

Reifenaufbautrommeln, Heizbalgformen, Container zur Aufnahme von Reifenformen sowie Formenreparaturen und Lohnfertigung gehören zum Produkt- und Dienstleistungsspektrum von Herbert Maschinenbau.
„Wir sind anders als die Automobilzulieferer, wir haben ganz andere Rahmenbedingungen. Bei uns geht es zwar auch um Liefertreue und um Kosten wie bei der Automobilindustrie, zusätzlich kommen bei uns aber viele weitere Parameter dazu, die querschießen“, erklärt Wolfgang Stumpf, Produktionsleiter bei der Herbert Maschinenbau GmbH & Co.
Herbert Maschinenbau ist ein weltweit tätiger Hersteller von Maschinen und Anlagen zur Herstellung von Reifen. Der Betrieb unterhält Standorte und Kooperationen in Deutschland, den USA, Russland und in der Tschechischen Republik sowie in Südamerika. Mit rund 290 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 250 Millionen Euro zählt Herbert Maschinenbau zu den klassischen mittelständischen Produktionsunternehmen, kombiniert mit erstaunlich hoher Fertigungstiefe.
Dabei zählt das Unternehmen aus Hünfeld im Landkreis Fulda im weiteren Sinn zu den Automobilzulieferern und doch unterscheidet es sich zum einen wegen seiner hohen Produktvielfalt von Unternehmen der Automobilindustrie, zum anderen wegen seiner geringen Stückzahlen und langen Fertigungszeiten auch von Betrieben des klassischen Maschinenbaus.

Individuelle Auftragsfertigung

Gerade die sehr individuelle Auftragsfertigung hochkomplexer Formenbauteile mit langen Laufzeiten macht es für die Produktionsleitung zur Herausforderung, eine transparente Wertschöpfungskette und den reibungslosen Produktionsablauf zu gewährleisten. Zu den Kunden zählen nahezu alle Reifenhersteller weltweit.

Kunden aus den USA

Kunden aus den USA schicken oft Zeichnungen, die in Zoll bemaßt sind. Kons­trukteure haben dann die Aufgabe, die entsprechenden metrischen Maße zu ermitteln und zu korrigieren. Und es passiert oft, dass Herbert Maschinenbau die Freigabe eines 3D-Modells durch Zeitverschiebungen erst verspätet erhält.
All das kostet Zeit und vor allem Geld. Für Wolfgang Stumpf war es der Grund, die Wertschöpfungskette genauer in Augenschein zu nehmen. Zwar hatten die Produktionsanlagen bereits eine rudimentäre Maschinendatenerfassung, die in die Maschinensteuerung durch eine AS/400 eingebettet war, die aber bei weitem nicht alle erforderlichen Daten lieferte, um die Prozesse im Einzelnen zu analysieren.

30 Formen mehr

Um in einem ersten Schritt genauere Aufschlüsse über ungenutzte Potenziale in der Produktion zu erhalten, wies Stumpf zunächst alle Meister an, die Zeiten für Arbeitsvorbereitung und Nebentätigkeiten manuell zu notieren, und verglich das mit den Stunden, die für die Produktion zur Verfügung standen. Die Anzahl produzierter Formen rechnete er dagegen.
Das Soll-Ist-Ergebnis Schwarz auf Weiß überraschte den Produktionsleiter: Sein Unternehmen hätte in dem betrachteten Zeitraum theoretisch rund 30 Formen mehr produzieren können. „Alle Maschinen sind gelaufen, es sah super aus. Jeder war zufrieden. Auch unsere Vorgabezeiten haben immer gestimmt“, erklärt Stumpf, „wir spürten zwar, dass irgendwas nicht stimmt, wir wussten aber nicht genau, wo es hängt. Man konnte es ja auch nicht richtig kontrollieren.“
Spätestens jetzt war für den Produktionsleiter der Zeitpunkt gekommen, sich intensiver mit dem Thema Manufacturing Execution System (MES) zu beschäftigen. Zunächst sollte eine neue, leistungsfähige MDE/BDE-Lösung die Signale direkt von den Maschinen abgreifen, sie auswerten und die Ergebnisse übersichtlich darstellen. Besonders aber sollte die Lösung aufdecken, wo und warum es zu Störungen oder Verzögerungen kommt und wo versteckte Potenziale schlummern.
Im Jahr 2009 führte Herbert Maschinenbau deshalb die MES-Module BDE/MDE, Leitstand/Feinplanung, sowie ein DNC-System mit Soft- und Hardware von Proxia ein.
Aktuell sind rund 50 Anlagen in der Produktion an das System angebunden, unter anderem Maschinen von Hermle, Alzmetall, SHW, Axa, Boehringer, Dörries Scharmann und Pittler. Die Maschinendatenerfassung (MDE) informiert nun in Echtzeit über den aktuellen Status der einzelnen Maschinen. Außerdem lassen sich die Leistungen von unterschiedlichen Anlagen gegenüberstellen. Das Ergebnis können die Verantwortlichen dann auch bei künftigen Investitionsentscheidungen berücksichtigen.
Ergänzt wird die MDE durch ein Modul zur Betriebsdatenerfassung (BDE), mit der die Werker zusätzliche Eingaben und Statusmeldungen auf Industrie-PC-Terminals tätigen.
Zusammen spiegeln alle Daten den aktuellen Ist-Zustand der Fertigung wider. Mithilfe des Moduls Feinplanung/Leitstand kann der Produktionsleiter die Maschinen optimal belegen und behält den Überblick über die Liefertermine aller Fertigungsaufträge.
Sollte ein Termin gefährdet sein, warnt das System rechtzeitig, so dass die Mitarbeiter entsprechende Maßnahmen ergreifen können. Aktuell plant das Unternehmen etwa 200 Fertigungsaufträge mit rund 1.000 Arbeitsfolgen pro Woche ein. Darüber hinaus ergänzt und erweitert der Proxia-Leitstand mit seinem großen Funktionsumfang die neu eingeführte ERP-Lösung (Foss von Ordat).
„Unser MES bietet die Erfassung und Visualisierung der Transportlogistik sowie auch Betriebsmittel- und Lagerverwaltungsfunktionalitäten. Das ermöglicht auch in der Materialbeschaffung mehr Flexibilität“, erklärt Proxia-Vertriebsleiter West, Jürgen Döring.

Mehrere Maschinen im Blick

Ein weiterer Aspekt wiegt für Produktionsleiter Stumpf ebenfalls schwer: Vor der Einführung der MES-Software konnte ein Mitarbeiter nur die Arbeitsgänge an einer Maschine mithilfe eines Stempelsystems festhalten. Produktionsanfang und -ende erfasste eine AS 400, die gleichzeitig auch die Maschine steuerte. Damit war es nicht möglich, mehrere Maschinen gleichzeitig zu beobachten. Im Gegensatz dazu bietet die Software heute die Option der Mehrmaschinenerfassung – ein klarer Vorteil zum alten System.
Doch Herbert Maschinenbau fängt mit dem neuen MES nicht erst in den Fertigungshallen an, die Prozesse genau unter die Lupe zu nehmen, sondern bereits in den Abteilungen Konstruktion und NC-Programmierung. „Unser Ziel war es, neben den „Querschlägern“ in der Produktion besonders auch die versteckten Kosten drum herum aufzudecken. Erst wenn ich die Zeiten für Konstruktion und Programmierung mit ins Boot nehme, sehe ich, ob mit dem Auftrag überhaupt etwas verdient ist“, begründet Stumpf dieses Vorgehen.
Mit dem detaillierten Blick, den die neue Software bot, stellte der Produktionsleiter fest, dass mehr Formen hätten hergestellt werden können, wenn mehr Personal zur Verfügung gestanden hätte. „Moderne High-End-Maschinen haben sehr hohe Stundensätze. Auch wenn eine Anlage stillsteht, generiert sie Kosten. Mit mehr Mitarbeitern lässt sie sich besser auslasten, also einfach wirtschaftlicher betreiben, denn wir können mehr Formen produzieren. Unterm Strich muss ich sagen, dass uns das MES mehr Arbeitsplätze gebracht hat.“
Mit der Belegschaft wuchs auch die Produktivität. Die durchgängige Transparenz in der Fertigung führte dazu, dass Herbert Maschinenbau Effizienzreserven aufdeckte und Schritt für Schritt seine Vorgabezeiten anpasste. Insgesamt ergab sich eine Steigerung um 15 Prozent. Auch die Mitarbeiter arbeiten effizienter, weil ihnen das MES in Echtzeit eine Rückmeldung über ihre Leistung gibt. Wenn es zu unvorhergesehenen Störungen kommt, können sie meist rechtzeitig reagieren, um den Auftrag dennoch in der vorgegebenen Zeit durchzuführen.

Betriebliche Prozesse verbessert

Diese Faktoren trugen insgesamt zu einer deutlichen Verbesserung der gesamten innerbetrieblichen Prozesse in der Produktion bei. „Wir sind messbar effektiver geworden, schon allein aufgrund der Formen, die wir nun zusätzlich herstellen können. Ein weiterer Effekt: durch die genauen KPI-Kennzahlen aus der Produktion konnten wir zudem unsere Lieferzeiten optimieren“, kommentiert Stumpf. Die Investition in das neue MES war für Herbert Maschinenbau ein großer Schritt mit weitreichenden Veränderungen und Auswirkungen in der gesamten Fertigung. Deshalb verglichen und bewerteten Stumpf und sein Team in der Evaluationsphase mehrere Anbieter intensiv: „Schließlich sollte uns der künftige Partner nicht nur in der Einführung, sondern auch anschließend nachhaltig in der Erweiterung des Systems begleiten“ erklärt Stumpf.
„Neben der Leistungsfähigkeit der Software war das Hauptkriterium, das eindeutig für Proxia sprach, der klare Aufbau und die Bedienerfreundlichkeit, vor allem bei der Datenerfassung. Das System lässt sich sehr leicht erlernen: Es ist übersichtlich, einfach strukturiert, und ich hatte das Gefühl, ich kann mich dransetzen und sofort loslegen. Und auch die BDE-Schulung aller Mitarbeiter in der Produktion durch Proxia hat nicht einmal zwei Tage gedauert“, gibt Stumpf seine Erfahrungen wieder. Während der Einführung stand ein Projektleiter von Proxia dem Mittelständler zur Seite. Und auch jetzt im Ausbau des Systems unterstützt Proxia. Im nächsten Schritt steht der Ausbau der Kommunikation zwischen dem neuen ERP und dem MES an. Und auch die Performance des Leitstandes soll noch besser genutzt werden.jbi  

Michael Naumann ist freier Fachjournalist aus München.


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