25.07.2016 – Kategorie: Branchen, Hardware & IT
Maschinenbau und die Folgen der Digitalisierung
Das Rottweiler Kraftwerk mutierte am Freitag zur regionalen Denkfabrik. Mehr als 70 Führungskräfte aus der Wirtschaft diskutierten mit Wissenschaftlern über die Folgen der Digitalisierung. Experten zeigten, wie neueste Software die Geschäfte von Maschinenbauern und Zulieferern auf den Kopf stellt und Arbeitsplätze verändert.
Unternehmer, Wissenschaftler, IHK und TechnologyMountains berieten über Folgen der Digitalisierung für Betriebe, Führungskräfte und Mitarbeiter: Das Rottweiler Kraftwerk mutierte am Freitag zur regionalen Denkfabrik. Mehr als 70 Führungskräfte aus der Wirtschaft diskutierten mit Wissenschaftlern über die Folgen der Digitalisierung. Experten zeigten, wie neueste Software die Geschäfte von Maschinenbauern und Zulieferern auf den Kopf stellt und Arbeitsplätze verändert. Die Teilnehmer erkannten, dass sich auch Management und Personalführung ändern müssen, um den Wandel in den Betrieben bewältigen zu können.
Bedenken begrenzen die Chancen
„Die Digitalisierung und die Veränderungen in der Arbeitswelt betreffen jeden. Sie lösen nachvollziehbare Sorgen aus“, berichtete Ralf Kailer zur Eröffnung aus seiner täglichen Beratungspraxis. Kailer ist Geschäftsführer des Villinger Softwarehauses Kailer & Sommer und Initiator der Denkfabrik mit dem Titel „Entscheider treffen sich – The Future of Making Things“. Gemeinsam mit der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg und dem regionalen Technologieverbund Technology Mountains e.V. veranstaltete Kailer & Sommer , unterstützt von dem Softwarehersteller Autodesk, zum zweiten Mal das Treffen namhafter Unternehmer und Führungskräfte aus der Region. Es solle dazu beitragen, die berechtigten Bedenken in den Firmen ernst zu nehmen. „Aber: Bedenken blockieren das Ganze und begrenzen die Chancen des Einzelnen“, sagte Ralf Kailer. Man dürfe sich nicht den faszinierenden Chancen einer digitalisierten Wirtschaft verschließen. Das Anliegen der Veranstaltungsreihe sei es, die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Sie sollten darin unterstützt werden, den Wandel zu bewältigen und das Kapital zu nutzen, das in den digitalen Daten steckt.
Erfahrungsaustausch am Thementisch
Im zweiten Teil der Veranstaltung tauschten die Teilnehmer an sechs Thementischen ihre Erfahrungen aus. Im Dialog mit Experten und Wissenschaftlern suchten sie nach Wegen in die Zukunft. „Es gibt keine fertigen Lösungen“, resümierte Prof. Dr. Heiner Lasi, Leiter des Berliner Ferdinand-Steinbeis-Instituts. Jedes Unternehmen müsse seinen Weg in die digitale Ära finden. Die Einstellung der Menschen zur Technik spiele eine wesentliche Rolle, um neue Geschäftsmodelle einführen zu können. „Digitalisierung muss zum Nutzen der Menschen sein“, forderte Thorsten Rettich, Geschäftsführer des St. Georgener Werkzeugmaschinenbauers J.G. Weisser Söhne. Sein Unternehmen binde jeden Mitarbeiter in den Prozess ein und nutze das Wissen aller, um auf dem Weg zur digitalen Fabrik rasch voranzukommen. Dazu seien viele Einzelgespräche nötig.
Prof. Dr. Jutta Rump von der Hochschule Ludwigshafen wies auf die Doppelbelastung der Führungskräfte und Teamleiter in Industriebetrieben hin. Sie sollen bahnbrechende digitalisierte Betriebsprozesse einführen und müssen gleichzeitig Rücksicht nehmen auf traditionelle Arbeitsweisen. „Sie sollen die eierlegende Wollmilchsau sein“, so das Fazit ihrer Forschung. Der Ausweg: Chefs müssen über eine neue Personalführung nachdenken. Jutta Rump empfahl die „soziale Innovation“. Dann könnten Unternehmen auch die technologische Innovation gewinnbringend nutzen. Die Führungsarbeit müsse auf mehr Schultern verteilt und demokratisiert werden. „Das erfordert mehr Vertrauen in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, ergänzte Personaltrainerin Claudia Serr, Lehrbeauftragte der Universität Wien. „Um die Zukunft mitgestalten zu können, heißt es, Vorreiter und Mitgestalter zu sein“, appellierte der Geschäftsführer von TechnologyMountains, Thomas Wolf. „Es ist aber gar nicht so leicht, alte Zöpfe in der Unternehmenskultur abzuschneiden. Ein Maschinenbaubetrieb ist nicht mit Google vergleichbar“, bedauerte ein Teilnehmer.
„Digitale Lösungen wie das dreidimensionale Drucken komplexer Bauteile können die Geschäftsmodelle von Maschinenbauern und Zulieferern von heute auf morgen auf den Kopf stellen“, warnte Swen Niebann vom Softwarehersteller Autodesk. Ferne Rechenzentren könnten den Ingenieuren in der hiesigen Industrie über Nacht Konstruktionslösungen liefern, an die sie nie zuvor gedacht haben. Produktentwicklung, Konstruktion und Produktionsplanung liessen sich heute digital abwickeln – ohne je einen Plan auf Papier gezeichnet, Material eingekauft oder Prototypen gebaut zu haben.
Digitale und reale Arbeitswelt wachsen zusammen
Markus Loosen von Microsoft verdeutlichte den Trend anhand der neuen HoloLens-Datenbrille, die einen vollständigen Computer enthält. Die Brille und ein paar Gesten mit den Händen reichen aus, um ganze Maschinen dreidimensional vor die Augen zu projizieren. An den digitalen Objekten können Entwicklungsarbeiten, Studien oder Umrüstungen vorgenommen werden, die sich sofort in die Fabrik übertragen lassen. Autokäufer könnten mit Hilfe der Brille ihr persönliches Fahrzeug konfigurieren und beim Hersteller in Auftrag geben. „Digitale und reale Arbeitswelt verschmelzen miteinander“, prognostizierte Markus Loosen.
Fahrstühle als Datensammler
Ein weiteres Beispiel für die Digitalisierung lieferte Sascha Frömming von ThyssenKrupp Elevator anhand des in Rottweil gebauten Fahrstuhl-Testturms: Ein Lift sei künftig ein Datensammler. Betriebsinformationen ließen sich übers Internet analysieren. Servicetechniker könnten mit den Daten ihre Wartungen gezielter ausführen und Pannen verhindern. Aber ihre Arbeit könne dann auch genauer überwacht werden. Mit den Daten ließen sich völlig neue Geschäftsideen rund um die Gebäudetechnik verwirklichen. Die Frage sei jedoch, wem die Daten gehörten und wie weit man die Digitalisierung vorantreiben dürfe. In diesem Zusammenhang wies Prof. Dr. Reiner Kriesten vom Institut für Energieeffiziente Mobilität der Hochschule Karlsruhe auf dramatische Sicherheitsmängel hin. Für den Schutz der Daten und der digitalen Technik in Autos, Maschinen, Fabriken oder Gebäuden werde bisher fast gar nichts getan. „Das macht Angst“, gestand ein Teilnehmer. Trotzdem riet Comedian Robert Weippert zum Abschluss, mutig die Digitalisierung anzupacken. Auf kabarettistische Weise zählte er zahlreiche Vorteile auf. Seine heiter-ironische Bilanz: „Lasst euch raten, sammelt Daten.“
Bild: Das Rottweiler Kraftwerk mutierte am Freitag zur Denkfabrik. Mehr als 70 Führungskräfte aus der regionalen Wirtschaft untersuchten an Thementischen und bei einer Podiumsdiskussion neue Mittel und Wege, um die Digitalisierung in ihren Unternehmen zu bewältigen.
Foto: Markus Rieder
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