09.05.2022 – Kategorie: Hardware & IT
Maschinenakte richtig implementieren: Das bringt es
Die Daten aus Konstruktion, Fertigung, Einkauf, Service und Vertrieb finden sich meist in unterschiedlichen Systemen. Dies erschwert die Zusammenarbeit, führt zu Fehlern und redundanten Daten. Hier ein Lösungsvorschlag.
Maschinenakte: Der Produktlebenszyklus einer Anlage reicht vom Auftrag, über die Konstruktion und die Auslieferung, Wartung und Reparaturen bis zur eventuellen Abwrackung. Mit einem reinen CAD-Datenmanagement lässt sich aber nur die Konstruktionsseite abdecken. Denn damit dokumentieren Maschinenbauer Anlagen und ihre Komponenten. Eine 3D-Konstruktion trägt in der Regel eine Teilestruktur in sich, die die Grundlage einer Stückliste sein kann. Das CAD-System kennt jedoch keine Stücklistenkonten.
PDM-Systeme (Produktdatenmanagement) hingegen können aus den Teilestrukturen, Artikel und Stücklisten ableiten. Ein solches ist das PDM-System Vault von Autodesk.
Status quo Maschinenakte: Daten-Chaos
Das Artikelwesen der Konstruktion umfasst Bauteile und Baugruppen. Für alle diese „Teile“ liegen Zeichnungen, Modelle und Animationen vor. Viele Unternehmen zögern jedoch ein Artikelwesen einzusetzen. Bedenken haben die Verantwortlichen etwa gegenüber dem Pflegeaufwand und einer entsprechenden Bindung von Mitarbeitern in nicht produktiven Aufgaben. Sie behelfen sich anderweitig zum Beispiel mit Excel-Listen, die mitunter zu kompletten Ersatzteillisten erweitert werden. Jedoch ist auch dies mit entsprechendem Aufwand und zudem mit hoher Fehlerquote verbunden.
Ein solches Artikelwesen erfasst jedoch noch nicht einmal weitere relevante Produktdaten einer Maschine. Im ERP, im Lieferanten-System oder schlicht in Ordnern auf dem Rechner liegen eine Vielzahl an Informationen zu Artikeln, die auch die Konstruktion betreffen – beispielsweise der aktuelle Lagerbestand, Verfügbarkeiten, Preise im Ein- und Verkauf oder Lieferanten und Bestellnummern.
Hinzu kommen Dokumente aus der Kundenkommunikation, Bedienungsanleitungen für mechanische oder elektronische Komponenten oder Wartungsunterlagen.
All diese Dokumente, die zu einer Anlage gehören, befinden sich nicht nur verstreut in verschiedenen Systemen, sondern auch lokal verteilt auf unterschiedlichen Rechnern. Jede Abteilung nutzt eigene Lösungen, hat einen abweichenden Wissensstand, die Datenpflege ist erschwert und Informationen gehen verloren. Die Datenhaltung ist also redundant und fehlerbehaftet, wenn zum Beispiel Aktualisierungen nicht vollständig durchgeführt werden.
Auch die gesetzliche Dokumentationspflicht kann damit nicht ohne Weiteres abgedeckt werden und die Maschinenhistorie ist unvollständig oder unbekannt. Gleichzeitig sieht sich die Fertigung mit steigendem Datenvolumen und der Forderung nach einer transparenten Verwaltung und Bereitstellung von Informationen konfrontiert.
Was eine Lösung können muss
Um alle Daten optimal nutzen zu können, sollten Maschinenbauer ihre Software deswegen um ein Tool erweitern, das einen Brückenschlag zu anderen Systemen ermöglicht. Ein professionelles Dokumenten-Management-Systemen (DMS) ist zwar hilfreich, da es zum Beispiel eine schnelle Suche ermöglicht, reicht aber in dieser Betrachtung nicht aus. Denn die Produktdaten wie Stücklisten aus CAD können nicht abgebildet werden und damit der Brückenschlag in die Konstruktion nicht erfolgen.
Eine gute Lösung muss deswegen beides können: Die Daten zu den Strukturen und Teilen einer Anlage zusammenführen und gleichzeitig die des Prozessmanagements konsolidieren. Alle Dokumente aus der Fertigung, Verwaltung und dem kaufmännischen Bereich wären dann digital zusammengeführt. Denn die Daten aus der Entwicklung und der Fertigung sind auch für den Vertrieb und für den Service relevant.
Die digitale Maschinenakte
Dies gelingt mit einer digitalen Maschinenakte (Digital Machine File – DMF). Sie enthält alle Informationen zu einem Produkt, einer Anlage und dient als digitales Archiv. Die Aufnahme und Speicherung von Daten beginnt mit dem Projektstart mit Dokumenten aus dem CRM-System – also schon mit Daten zur Anbahnung, Auftrag und Bestellungen.
Dazu kommen Vorlagen für den Maschinentyp, Dokumente der Projektierung – Pflichtenheft, Konstruktionsunterlagen, Stücklisten, Ausstattung, Ersatzteile und die Betriebsanleitung.
Zudem legen die Mitarbeiter Informationen zu Software, E-Mail-Verkehr und Abnahmeprotokolle der Qualitätssicherung ab, aber auch Informationen zu Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern oder Abteilungen fließen ein.
Mit der Auslieferung der Maschine beim Kunden kann die Maschinenakte zur Lebenslaufakte werden. Diese erfasst und dokumentiert den kompletten Betrieb einer Anlage bis zur Stilllegung – über Jahre hinweg fließen hier Informationen zu Wartungen, Inspektionen, Reparaturen und Umbauten ein. Jeweils dokumentiert mit Verträgen, Zertifizierungen und weiteren Unterlagen.
Damit ist der gesamte Lebenszyklus erfasst und alle Änderungen werden systematisch dokumentiert.
Die Vorteile der Maschinenakte
Das PLM (Product Life Cycle Management) hält zentral Daten aus verschiedensten Systemen wie CRM, CAD, PDM und ERP vor, was den schnellen Zugriff auf vollständige und aktuelle Informationen zu einer Maschine und Anlage von allen Beteiligten ermöglicht. Daten werden nicht mehr über verschiedene Systeme hinweg auf diversen Datenträgern gespeichert. So entsteht Transparenz und der Rechercheaufwand sinkt auf ein Minimum.
Ist dazu eine Cloud basierende PLM-Lösung wie Autodesk Fusion 360 Manage im Einsatz, können Berechtigte mit den entsprechenden Zugangsdaten über den Webbrowser auf die Informationen zugreifen – dies gilt auch für externe Mitarbeiter.
Auch die Kollaboration ist erleichtert: Große Dateien müssen nun nicht mehr per Email verschickt werden, was beispielsweise durch Spamfilter und Postfachbegrenzungen zum Geduldsspiel werden kann. Bei Bedarf können auch Kunden oder Lieferanten Zugriff erhalten. Dies erleichtert auch die IT-Sicherheit. Unternehmen sparen Kosten für Server und Backups.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Auskunftsfähigkeit – damit lassen sich Entscheidungen einfacher, besser und schneller treffen. Gerade der Service profitiert hier.
Verbessertes Artikelwesen
Mit (einem PLM-System) kann ein Artikel, angereichert mit Informationen aus der mechanischen und Elektro-Konstruktion, aus Software, Steuerungstechnik, Verpackungen und Dokumentation, eine interdisziplinäre Stückliste abbilden. Das wiederum erleichtert die Arbeit des Vertriebs: Angebote beziehen sich auf Artikel, aus denen eine Anlage besteht und deren Eigenschaften wie der Einkaufspreis sich im Angebot widerspiegelt. Sind alle Daten beisammen, kann der Vertriebler genauer arbeiten.
Das Artikelwesen ist auch Grundlage für Bestellwesen und Lagerwesen. Also profitiert die gesamte Beschaffung. Aus der Maschinenakte kann zum Beispiel mit einem Klick die gesamte Stückliste für eine Bestellung aufgerufen werden. Daraus lassen sich beispielsweise aktuell relevante Ersatzteile auswählen und bestellen.
Auch die Instandhaltung profitiert, da Zustände der Maschine auf Knopfdruck angezeigt werden können. Damit werden eine vorausschauende Wartung und schnellere Reparaturen möglich. Servicetechniker haben alle notwendigen Informationen und die Historie der Anlage sofort zur Verfügung, was Nachfragen reduziert. Die Daten in einer Cloudlösung zu sammeln, verhindert hier viele Verzögerungen durch Zeitverschiebung bei verteilten Standorten und wenn der Techniker vor Ort beim Kunden Informationen benötigt. Er muss nicht mehr warten, bis der Ansprechpartner oder gar die Ansprechpartner verfügbar sind in Papierarchiven oder Excellisten die Daten recherchiert haben.
Natürlich fügt auch er im Idealfall seine Serviceberichte in der Akte hinzu, was wiederum die Effizienz der Inhouse Service-Techniker erhöht. Zudem laufen diese Informationen an die Entwicklung zurück, an das Controlling und den Vertrieb, so dass auch diese Abteilungen ihre Arbeit und Abläufe optimieren können.
Beim PLM-Tool Autodesk Fusion 360 Manage kann eine Maschine zum Beispiel über einen QR-Code im System aufgerufen werden. Es hält einen digitalen Zwilling vor – die Eigenschaften der Maschine und Informationen zu ihren Teilen wie Verfügbarkeit im Lager sind ebenso mit wenigen Klicks ersichtlich, wie Daten zu Reparaturen.
Fazit
Insellösungen erschweren die Zusammenarbeit, führen zu Fehlern und redundanten Daten. Mit einer Maschinen- oder Lebenslaufakte gelingt ein durchgehendes PLM. Es bildet Konstruktion und Nutzung einer Anlage im vollen Umfang ab und fasst alle Daten als Archiv zusammen. Aus diesem Archiv können sich zahlreiche Verbesserungen in den Geschäftsprozessen ergeben.
Der Autor Dipl.-Ing. Mathias Voigt ist Bereichsleiter Produktdesign & Fertigung beim Autodesk-Partner Contelos.
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