14.11.2022 – Kategorie: Technik

Leichtbau in der Automobilindustrie: 3D-Druck im Fokus

Quelle: stock.adobe.com/belekekin

Herstellung und Integration von Verbundwerkstoffen für Leichtbaulösungen können sehr zeitaufwändig sein. Mit 3D-Druck geht das schneller und unkomplizierter. Deshalb setzt das Unternehmen Igestek in wichtigen Projekten einen 3D-Drucker ein – und zwar im gesamten Entwicklungsprozess.

Leichtbau in der Automobilindustrie ist aus der Automobil­branche nicht mehr wegzudenken: Fahrzeuge werden immer leichter und effizienter designt, wodurch sich auch ihr Energiebedarf stark reduziert – und das ganz ohne Abstriche in der Funktionalität oder im Komfort.

Deshalb sind Verbundwerkstoff-Komponenten ein wichtiger Bestandteil von Leichtbaulösungen und ermöglichen Automobilzulieferern und Erstausrüstern (Original Equipment ­Manufacturer, OEMs) die Herstellung von einzelnen Teilen für hochwertige Fahrzeuge. Doch die Entwicklung solcher Komponenten erfordert teilweise sehr komplexe Geometrien; außerdem benötigt man oft spezielle Werkzeuge zur Herstellung und Inte­gration einzelner Teile. Das ist mit den traditionellen, zerspanenden Verfahren nicht nur sehr aufwändig, sondern kostet auch viel Zeit und Geld. Insbesondere, wenn es sich um Einzelstücke oder Prototypen in kleinen Stückzahlen handelt. Das Unternehmen ­Igestek mit Sitz in Bilbao (Spanien) entwickelt und integriert verschiedene hybride Verarbeitungstechniken zur Herstellung von Verbundwerkstoffkomponenten und kennt diese Herausforderungen sehr gut. Daher setzt das Team auf den 3D-Druck.

Leichtbau in der Automobilindustrie – Lösungen entwickeln leicht gemacht

Von der konzeptionellen Entwurfsphase über das Prototyping bis hin zum fertigen Verbundwerkstoffteil – Igestek setzt den ­3D-Drucker im gesamten Produktentwicklungsprozess vielfältig ein. So nutzt das Team den 3D-Drucker nicht nur zur Entwicklung von Prototypen, sondern mittels Rapid Tooling auch zur Herstellung einzelner Formeinsätze für Spritzgussteile aus Kunststoff und für spezielle Werkzeuge. Dazu zählen etwa Einsätze für Kunststoffspritzgussformen oder Thermoformwerkzeuge, die für die Integration und Herstellung von Verbundwerkstoffteilen benötigt werden.

Mithilfe des 3D-Drucks konnte das Team bereits viele Projekte mit komplexen Geometrien schnell und einfach realisieren und die Montage- und Kinematik-Prozesse mit funktionalen Prototypen validieren – ohne in teure Werkzeuge zu investieren.

Leichtbau in der Automobilindustrie
Bei diesen Teilen setzte Igestek auf eine Kombination aus Metall-3D-Druck und Verbundwerkstoffen. Bild: Formlabs

Eine Aufhängung für die Stoßdämpferhaltung aus dem 3D-Drucker

Zu einem der jüngsten innovativen Projekte von Igestek gehört die Befestigung eines Stoßdämpfers als Teil der Radaufhängung. Diese Komponenten sollen die durch das Rollen eines ­Autos erzeugten Vibrationen reduzieren, um den Insassenkomfort zu verbessern.

Die Aufhängung wurde zunächst in einer CAD-Software entwickelt, die basierend auf vielzähligen Anforderungen verschiedene Lösungen zur Verfügung stellte. Die STL- oder OBJ-Datei wurde danach in eine Software zur Druckvorbereitung importiert, damit der 3D-Drucker die Informationen verarbeiten kann.

Im nächsten Schritt druckte das Team von Igestek die vielversprechendsten Entwürfe direkt vor Ort auf seinem großformatigen Stereo­lithographie-3D-Drucker, um die Geometrie zu validieren. Dank des großen Konstruktionsvolumens druckten die Entwickler bis zu drei verschiedene Iterationen gleichzeitig. ­

Als Druckmaterial kommen verschiedene Kunstharze zum Einsatz. Diese befinden sich in Kartuschen, die sich flexibel austauschen lassen. Beim Druck fließt das flüssige Kunstharz in einen Tank und wird dort anschließend mit UV-Strahlen gehärtet. Zu Beginn des Drucks fährt eine Druckplattform herunter, bis sie mit dem Kunstharz abschließt. Anschließend härtet der Laser Schicht für Schicht das Produkt. In diesem Prozess taucht die unterste Schicht immer wieder in das flüssige Kunstharz ein, sodass ein nahtloser Druck möglich ist.

Das Endergebnis: eine Aufhängung für die Stoßdämpferhaltung, bestehend aus metallischen 3D-Drucken in Kombination mit leichteren Verbundwerkstoffen. Die Aufhängung war damit 40 Prozent leichter als die aktuellen Lösungen auf dem Markt. Hinzu kommt, dass diese Komponente am Ende auch mehr Komfort für die Insassen bieten soll.

Mit Rapid Tooling zum Tiefziehwerkzeug

Bei Igestek kommt der 3D-Drucker auch bei der Herstellung von Werkzeugen für die Produktion von Verbundwerkstoffteilen zum Einsatz. Damit lassen sich beispielsweise Prepregs-Teile aus Kohlenstofffasern tiefziehen. Die Werkzeuge müssen fest und hitzebeständig sein, insbesondere wenn man mit Thermoformtechnologien arbeitet. Denn dabei wird ein hoher Druck bei gleichzeitig hohen Temperaturen, normalerweise 180 oder 200 Grad Celsius, zum Formen der Verbundstoffteile verwendet.

Ein aktuelles Beispiel des spanischen Leichtbauspezialisten im Leichtbau in der Automobilindustrie ist ein Werkzeug, dass für die Herstellung von Verbundrohren entwickelt wurde. Das Entwickler-Team verwendete dafür ein besonders stabiles, mit Glas gefülltes Kunstharz, um die Stützpfeiler der Vorrichtung zu fertigen. Mit einem wärmebeständigen Resin stellten sie die Klemmen her, die hohen Temperaturen und Luftdruck standhalten müssen. Ein Draft Resin kam zum Einsatz, um die Endkappen für das Werkzeug herzustellen. Ohne 3D-Drucker müsste man solche Werkzeuge aus Metall fertigen, was mehr Zeit in Anspruch nimmt und oft teurer ist.

Leichtbau in der Automobilindustrie
Spritzgussaufbau für eine Fahrzeugkomponente aus PMMA mit einem Einsatz aus High Temp Resin. Bild: Formlabs

Spritzgießen mit 3D-gedruckten Formeinsätzen als Leichtbau in der Automobilindustrie

Früher musste das Igestek-Team Formeinsätze für Spritzgussteile aus Aluminium und Stahl anfertigen. Einfache Teile wurden zwar inhouse gefertigt, aber komplexere Formen musste man extern herstellen. Das führte oft zu hohen Kosten und langen Vorlaufzeiten. Heute lassen sich dank ­3D-Drucker die Formeinsätze schnell und einfach additiv fertigen.

Bei einem Spritzgussformeinsatz für die Herstellung einer Komponente für die Außenverkleidung eines Autos konnte Igestek mithilfe des 3D-Druckers die Kosten auf weniger als ein Drittel der ursprünglichen Kosten reduzieren. Für einen Spritzgussformeinsatz aus zerspantem Metall zahlte das Team 1.000 Euro bei einer Durchlaufzeit von 30 Stunden. Mittlerweile kostet ein 3D-gedruckter Spritzgussformeinsatz nur noch 300 Euro bei einer Durchlaufzeit von zehn Stunden.

Das Ergebnis: ein Formeinsatz aus zwei Kavitäten – eine Kavi­tät mit einem Metalleinsatz und die andere Kavität mit einem maßgefertigten 3D-gedruckten Einsatz, der das Negativ des Designs enthält. Für das Prototyping ist dies ideal, weil das Team die ­3D-gedruckten Einsätze leicht austauschen und verschiedene Iterationen schnell testen kann.

Die Anzahl der Formteile, die sich mit einem 3D-gedruckten Einsatz herstellen lassen, hängt hauptsächlich von drei Faktoren ab: dem Spritzgussmaterial, dem Einspritzsystem und den Parametern des Spritzgussverfahrens.

Aufbruch zum nächsten großen Projekt

Für den Leichtbau in der Automobilindustrie arbeitet das Team von Igestek auch weiterhin an 3D-Druck-­Innovationen und will die Grenzen des 3D-Drucks für zukünftige Projekte erweitern. Zu den nächsten Projekten gehören die Entwicklung von Tiefziehwerkzeugen in großem Maßstab und das ­Experimentieren mit anderen Materialien, die neue Möglichkeiten für den Werkzeugbau bieten. «RT

Der Autor Stefan Holländer ist Managing Director EMEA bei Formlabs.

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