23.02.2023 – Kategorie: Hardware & IT
IT und OT: Die richtige Verbindung auf dem Weg zur smarten Fabrik
Das Vernetzen von Maschinen und Anlagen und die damit gewonnenen Daten ermöglichen steuernde und optimierende Eingriffe. Nahezu in Echtzeit lassen sich Prozesse, Warenströme und auch Maschinen besser aufeinander abstimmen. Doch gerade in der Vernetzung besteht auch eine der größten Herausforderungen auf dem Weg zur Smart Factory. Warum ist das so?
IT und OT in der Praxis: Damit wir diese Frage beantworten können, müssen wir einen Blick in die Historie des Internets und der IT-Welt sowie in die Historie der Steuerungstechnik werfen. Das Internet (oder genauer dessen Grundlagen) ist eine Militär-Erfindung. Die Grundzüge für das Vernetzen von verschiedenen Rechnern wurden in den 1970er Jahren von der DARPA, einer dem Militär nahestehenden Forschungseinrichtung, in den USA gelegt.
IT und OT: So fing alles an
Dem Militär war es besonders wichtig, dafür zu sorgen, dass Informationen auch wirklich ankommen. Nur dann macht eine Abstimmung über rechnergesteuerte Kommunikation zwischen einzelnen Einheiten auch Sinn. Schließlich können sich (Kampf-)Einheiten nur dann mit Hilfe von Rechnern verständigen, wenn diese Verständigung auch wirklich zuverlässig funktioniert. Grundlage dieser ersten Überlegungen war immer: Wie bekommen wir es möglichst sicher und zuverläss hin, dass eine Information ankommt?
Auf Basis dieser Grundüberlegungen sind wesentliche Aspekte der Informationsübermittlung im Internet entstanden:
→ Eine Information über ein übliches Rechnernetzwerk oder das Internet kann sich quasi selbst ihren Weg suchen – man spricht hier von Routing – also „die Route finden/definieren.
→ Eine Information wird immer in kleine Einheiten aufgeteilt und erst am Empfangspunkt wieder zusammengesetzt.
Zunächst wird eine Information in kleine Pakete unterteilt. Das ist gut, denn so lässt sich die Information unterwegs nicht so einfach abhören. Wenn man ein einzelnes Paket kennt oder abgefangen hat, kennt man noch lange nicht den eigentlichen Inhalt oder die vollständige Information.
Nach der Aufteilung kann jedes dieser Pakete einen eigenen Weg gehen. Das bedeutet: Es wird nicht die ganze Information auf den gleichen Weg geschickt und es kann immer ein verfügbarer Weg identifiziert und gegangen werden (Routing). Dieses ist besonders wichtig für das Militär, weil es immer vorkommen kann, dass bestimmte Kommunikationswege nicht (mehr) funktionieren oder bereits zerstört wurden.
Jedes Paket hat die Möglichkeit, einen geschlossenen oder defekten Weg zu erkennen, quasi umzudrehen und einen anderen verfügbaren Weg zu wählen. So lässt sich sicherstellen, dass die Informationen in fast allen Fällen auch wirklich ankommen. Die eigentliche Information wird erst am empfangenen Punkt aus den einzelnen Paketen wieder vollständig zusammengesetzt.
Das ist die Grundidee des Internets und der Cloud – letztlich der vernetzten IT-Welt. Im Prinzip basieren alle Anwendungen, die sich des Netzes bedienen, auf dieser Grundidee und den damit verbundenen Standards.
Diese Standards, beispielsweise TCP/IP oder das OSI-Schichten-Modell, definieren quasi die Sprache, in der Rechner sich „unterhalten“ können. Zudem standen diese Standards beziehungsweise die gemeinsame Sprache bereits zu einem frühen Zeitpunkt zur Verfügung. So konnten sich alle daran orientieren und ihre eigenen Entwicklungen darauf aufbauen.
Allerdings bezahlt man einen gewissen Preis, wenn man dafür sorgt, dass eine Information (fast) immer ankommt, aufgeteilt wird und die einzelnen Teile unterschiedliche Wege gehen können. Man kann die Zeit nicht mehr steuern, wann genau die Information ankommt.
Man kann sich nicht sicher sein, wann genau die Information zur Verfügung steht und sich benutzen oder verarbeiten lässt. Im Alltag spielt dieses Problem heutzutage kaum eine Rolle. Natürlich laden bestimmte Dateien oder Seiten manchmal etwas schneller oder etwas langsamer – das war es aber auch schon.
IT und OT: Grundbedingungen und Notwendigkeiten in der Maschinenwelt
Blicken wir jetzt in die Maschinen- und Anlagenwelt. In der Steuerungstechnik, die sich völlig unabhängig vom Internet und auch sehr stark herstellerorientiert entwickelt hat, spielt die Zeit eine herausragende Rolle: Wenn in einer Maschine, wo Prozesse im Millisekunden-Bereich aufeinander abgestimmt sein müssen, das Timing nicht funktioniert, gibt es große Probleme. Wenn die Zeit nicht passt, geht die Maschine kaputt.
In einer Maschine muss also die Zeit stimmen. Überträgt man die Internetwelt auf Maschinen und Anlagen, bedeutet das, die Maschine würde ziemlich sicher Schaden nehmen. Deshalb sind die gleichen Prinzipien wie in der Informationstechnologie (IT) in der OT (Operational Technology) gar nicht möglich.
Zudem gab es kaum Standards zur Orientierung bei IT und OT. Jeder Hersteller hat sich zwar hier und da orientiert, manchmal auch übliche oder etablierte Kommunikationsformen genutzt, aber letztlich eigene Wege gesucht. Wie die einzelnen Komponenten, also Sensoren und Aktoren, in einer Maschine mit der Steuerung kommunizieren, haben viele Hersteller selbst definiert oder unterschiedliche (Bus-)Systeme dafür eingesetzt. Im Zuge dessen hat man unterschiedliche Protokolle (oder vereinfacht Sprachen) für die Kommunikation innerhalb der Maschinen definiert.
Das sind die Hauptgründe, die das Vernetzen von Maschinen und Anlagen so schwer machen. In der IT und OT haben wir es mit zwei völlig unterschiedlichen Netzwerkformen zu tun, die sich so stark voneinander unterscheiden, dass sie nicht einfach miteinander kommunizieren können. Der Grund: Sie sind auf völlig unterschiedlichen Grundsätzen und Basisdefinitionen aufgebaut.
Besondere Mittel und Wege
Deshalb brauchen wir besondere Mittel und Wege, um diese unterschiedlichen Formen der Netzwerke – auf der einen Seite zeitkritisch, auf der anderen Seite nicht zeitkritisch –miteinander in Kommunikation zu bringen. Die Netzwerke sind so unterschiedlich, dass sie sich gegenseitig erst einmal gar nicht verstehen können. Sie sprechen eine vollständig andere Sprache. Sie brauchen also eine Möglichkeit, eine gemeinsame Sprache zu finden oder eine Art Dolmetscher. Diese Funktion übernehmen heutzutage vielerorts IoT-Gateways und Standards wie OPC UA. Diese Architektur fungiert als Dolmetscher und ist in der Lage, die Maschinensprache genauso zu sprechen wie die Sprache des Internets. Wir benötigen also eine Art Dolmetscher oder Adapter, um Maschinen ins „normale“ IT-Netzwerk zu bringen.
Neben OPC UA bieten auch andere Standards, zum Beispiel Node Red oder Umati, Möglichkeiten, einen solchen Adapter zu gestalten. In Zukunft kann auch TSN (Time Sensitive Networking) – also eine Art zeitkritisches Internet – zu einer großen Hilfe werden.
Unterschiedliche Historie und Grundbedingungen
Man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass die unterschiedlichen Netzwerk-Grundgedanken in der IT und OT die größte Herausforderung beim Vernetzen von Anlagen und Maschinen darstellt. Zudem sind sie häufig die Ursache dafür, warum die Kommunikation zwischen IT und Personen aus der Fertigung beziehungsweise OT manchmal schwierig ist. Die unterschiedliche Historie oder die unterschiedlichen Grundbedingungen bleiben oft unausgesprochen. Deshalb sollten alle Beteiligten diese Grundlagen stärker thematisieren und öfters darüber sprechen, damit man mit Hilfe verbesserter cross-funktionaler Kommunikation einfacher und schneller zur Smart Factory gelangt.
Der Autor Steffen Wulf ist Experte für die digitale Transformation und Industrie 4.0. Auf Basis von rund 15 Jahren Erfahrung
als Experte und Inhouse-Consultant in der Industrie bietet Steffen Wulf (Dipl.-Oec.) Projektmanagement, Beratung und Training zur digitalen Transformation an. Er verfolgt dabei einen ganzheitlichen Ansatz, der neben den Prozessen und Technologien, immer auch die Menschen und die Unternehmenskultur in den Fokus rückt.
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