20.06.2022 – Kategorie: Fertigung & Prototyping

Intelligente Fertigung: Disruptive Technologien für die Zukunft

Intelligente FertigungQuelle: Siemens Digital Industries Software

Innovationen in der Luft- und Raumfahrt- sowie Verteidigungsindustrie sind mehr als nur urbane Luftmobilität (UAM), saubere Antriebe oder die Erforschung des Weltraums. Genauso wichtig sind die Fortschritte in der Fertigung. Die digitale Fabrik macht vieles möglich.

Intelligente Fertigung in der Praxis: Es gibt eine Reihe bahnbrechender Technologien, deren Einsatz sowohl für Start-ups als auch für etablierte Unternehmen von Vorteil ist. Viele dieser Technologien sind zwar schon seit Jahren im Gespräch, entwickeln sich jedoch ständig weiter und liefern inzwischen reale Ergebnisse, wenn man sie in der Fertigung und Fabrikhalle umsetzt. Zu diesen Technolo­gien gehören maschinelles Lernen, Auto­matisierung, Augmented und Virtual Reality, Big Data, das industrielle Internet der Dinge (IIoT), additive Fertigung und horizontale/vertikale Software-Integration.

Intelligente Fertigung: Neue Möglichkeiten bringen Herausforderungen mit sich

Disruptive Technologien eröffnen zwar neue Möglichkeiten, aber ihre Einführung bringt auch neue Herausforderungen mit sich. Hinzu kommt, dass die Erstausrüster in der Luft- und Raumfahrt unter dem Druck stehen, die Funktionalität ihrer Produkte zu erweitern, offener für Anpassungen in letzter Minute zu sein und das Endprodukt effizienter und in größeren Mengen zu produzieren. Dies erfordert neue Ansätze in der Fertigung.

Einführung der intelligenten Fertigung

Der Fertigungsprozess war schon der Endpunkt einer sehr langen Prozesskette; alle Prozesse fließen in Richtung der Endproduktion. Dabei ist die Fertigung ein Bereich, der sich oft nur langsam verändert, da sich Unternehmen keine Störungen in der Produktion leisten können. Viele Unter­nehmen verfolgen oft noch einen tradi­tionellen Ansatz in der Fertigung, der sich ­auf Dokumente sowie manuelle und damit lineare, langsame und mühsame Prozesse stützt.

Der traditionelle Ansatz führt zudem zu Schwierigkeiten bei der Ausführung von Änderungsaufträgen oder beim Versuch, kundenspezifische Anpassungen einzubauen – vor allem spät im Produktlebenszyklus. Mit zunehmender Komplexität des Designs steigen auch die Herausforderungen bei der Herstellung, da unerwartete Probleme typischerweise erst spät in der Produktion auftauchen. Dies führt zu zusätzlichen und/oder unerwarteten Nacharbeiten, die sich letztlich auf Kosten und Zeitplan auswirken.

Die Frage ist: Wie können A&D-Hersteller die neuen disruptiven Technologien nutzen und gleichzeitig die Produktanläufe beschleunigen, Qualitätsziele übertreffen, Änderungen in letzter Minute berücksichtigen und Produkte schneller liefern? Die Lösung ist die Einführung eines geschlossenen Fertigungsprozesses, der Teil der digitalen Transformation ist. Der geschlossene Prozess, der oft als „intelligente Fertigung“ bezeichnet wird, umfasst einen speziellen „digitalen Faden“ in der Fertigung und einen umfassenden digitalen Zwilling der Produktion.

Intelligente Fertigung
Abbildung 1: Der digitale Faden in der Fertigung bietet einen nahtlosen Datenaustausch zwischen Konstruktion und Fertigung, sodass die Fertigung den Konstruktionsprozess mitgestalten kann. Bild: Siemens Digital Industries Software

Digitaler Faden in der Fertigung

Der digitale Faden in der Fertigung macht aus dem Bauprozess eine bereichsübergreifende Beschreibung, wie ein Produkt entsteht. Er macht Daten zugänglich und kommuniziert mit allen Bereichen oder Disziplinen, die am Lebenszyklus der Produktentwicklung beteiligt sind (siehe Abbildung 1). Dieser digitale Faden ermöglicht es Unternehmen, einen Prozess zu visualisieren und die Risiken zu verstehen, bevor der Produktionsprozess beginnt. Probleme lassen sich erkennen, bevor Millionen von Dollar oder Euro in Automatisierung, Werkzeuge und Anlagen investiert werden. Derselbe digitale Ansatz lässt sich zudem zur Überprüfung, Zertifizierung und Verbesserung der Produktzuverlässigkeit verwenden.

Dieser digitale Faden ist also ein wichtiger Faktor bei der Einführung und Umsetzung disruptiver Technologien. Zudem ist er die Basis, auf der ein hochgradig digitalisierter Prozess eingeführt werden kann, der wiederum den nahtlosen Austausch umfangreicher Daten zwischen den Bereichen Engi­neering und Fertigung ermöglicht.

Digitaler Zwilling der Produktion

Durch den Aufbau eines digitalen Zwillings der Produktionsanlagen und -prozesse und die Nutzung des digitalen Fadens in der Fertigung lassen sich die Kosten für die Umsetzung eines Änderungsauftrags oder einer kundenspezifischen Anpassung reduzieren, da sich der gesamte Prozess nach links verschiebt. „Linksverschiebung“ bedeutet, dass Überlegungen zu Fertigung und Wartung in frühere Phasen der Produktentwicklung einfließen. Diese Verlagerung bringt Effizienz, Flexibilität, Nachhaltigkeit und Qualität mit sich, die mit heute üblichen Fertigungsansätzen nicht zu erreichen sind (siehe Abbildung 2).

Intelligente Fertigung
Abbildung 2: Der digitale Zwilling der Produktion simuliert die Produktionsanlage. Bild: Siemens Digital Industries Software

Die Linksverschiebung erlaubt es OEMs, Änderungen in den späteren Phasen des Konstruktions- und Fertigungsprozesses vorzunehmen, ohne dass es zu einer erheblichen Verzögerung eines Programms kommt. Dies ermöglicht das Reagieren auf neue Entwicklungen, beispielsweise durch die Einbeziehung neuer Materialien, Verbundwerkstoffe und additiver Verfahren. Der digitale Zwilling der Produktion kann viele der bereits erwähnten disruptiven Technologien wie künstliche Intelligenz, Big Data, Augmented Reality oder Automatisierung nutzen und in den Prozess einbinden, um die kontinuierliche Verbesserung und Optimierung der Produktionslinie voranzutreiben.

Der digitale Zwilling der Produktion und der digitale Faden der Fertigung spielen eine wesentliche Rolle beim Bau der Flugzeuge von morgen. Sie sind auch ein Mittel, um eine Fabrik zukunftssicher zu machen. Diese Art von Ansatz entspricht eher dem, was Unternehmen heute beim Bau von Objekten für die urbane Luftmobilität (UAM), Verteidigungssystemen und Satelliten, Elektro-/Hybrid-Flugzeugen und Weltraumforschungsfahrzeugen benötigen. Natürlich lässt sich dieser Ansatz auch für unsere konventionellen Flugzeuge einsetzen.

Intelligente Fertigung auf hohem Niveau

Die intelligente Fertigung stellt einen flexiblen Ansatz für die digitale Fertigung dar. Sie umfasst nicht nur zahlreiche disruptive Technologien und setzt sie um, sondern führt auch einen Prozess der Automatisierung, Zusammenarbeit und Synchronisierung ein.

Wichtige Highlights sind:

  • Flexible Automatisierung für schnellere Linienabläufe: Wenn sich verschiedene Konzepte durch Simulation schnell bewerten lassen, müssen keine physischen Modelle gebaut werden, sondern man nutzt den digitalen Zwilling. Dies verändert die Art und Weise, wie ein Unternehmen seine Fertigungsprozesse wahrnimmt, und kann Teams helfen, beim Anfahren einer Produktionslinie schneller voranzukommen.
  • Verbindung von PLM mit dem Manufacturing-Execution-System (MES): Teams verwalten ein komplexes A&D-Produkt mit einem digitalen Faden, der die Entwicklung mit allen Produktionsprozessen verbindet. Der digitale Zwilling für die Produktion und der digitale Faden für die Fertigung decken den gesamten Lebenszyklus von der Entwicklung bis zur Fertigung ab und verbessern die Hochlaufzeit und die Gesamtqualität. Auch die Ausbeute beim ersten Durchlauf und die Ausschussrate lassen sich erheblich verbessern.
  • Die additive Fertigung (AM) wird zu einer revolutionären Kraft: AM revolutioniert die Art und Weise, wie Teile und Baugruppen hergestellt werden, und verändert die Art und Weise, wie man diese Teile konstruiert. Die additive Fertigung ist eine Technologie, die neue Materialien und neue Produkte der Zukunft ermöglicht. „Lessons Learned“ in Design-Implementierung, Analyse und Produktionsmethoden bilden die Grundlage für eine schnellere Einführung neuer Materialien und Fertigungsmethoden in der Zukunft.
  • Einführung von Augmented Reality (AR) und Virtual Reality in der Fabrikhalle: Mit AR in der Fabrikhalle können Teams 2D-Arbeitsanweisungen durch 3D-Augmented-Reality ersetzen. AR kann nicht nur in der Fabrikhalle eingesetzt werden, sondern auch in intelligenten Wearables, um Techniker von der Nutzung von Papierdokumenten zu befreien.
  • Virtuelle Inbetriebnahme: Die virtuelle Inbetriebnahme kann bei der Planung einer neuen Produktionslinie oder Anlage enorme Auswirkungen haben. Die virtuelle Inbetriebnahme lässt sich nutzen, um Fertigungsprozesse in einer virtuellen Fabrikumgebung zu simulieren, um die Auswirkungen und Kosten einer Konstruktionsänderung oder eines allgemeinen Rückschlags abzuschätzen – und die Risikobereitschaft während der Produktion zu verringern.

Die intelligente Fertigung steuert den gesamten Produktionsprozess und bringt relevante Produktionsdaten in jeden Aspekt der Programmentwicklung ein. Sie verifiziert die Durchführbarkeit eines Produktkonzepts durch die Einbeziehung von Machbarkeitsanalysen für die Fertigung mittels Simulation in einem frühen Sta­dium des Entwicklungsprozesses. Darüber hinaus validiert sie die Produktionsbereitschaft mit einer detaillierten Fertigungsplanung und lässt Konstruktionsänderungen schnell in die Fertigung einfließen.

Intelligente Fertigung
Siemens Xcelerator besteht aus einem umfassenden digitalen Zwilling sowie einem modernen Ökosystem, das eine offene Softwareplattform mit einer schnellen Anwendungsentwicklung kombiniert. Bild: Siemens Digital Industries Software

Umfassendes Xcelerator-Portfolio

Die Digitalisierung hat sich als entscheidender Vorteil für moderne Luft- und Raumfahrtunternehmen erwiesen, die innovativ sein und die heutigen Herausforderungen in einzigartige Chancen verwandeln wollen. Die Digitalisierung steigert die Produktivität, indem sie Transparenz darüber schafft, wie sich spezifische Anforderungen auf die nachgelagerte Entwicklung und Fertigung auswirken. Ermöglicht wird dies durch das Siemens-Xcelerator-Portfolio an Software und Services. Xcelerator besteht aus einem umfassenden digitalen Zwilling und mehreren digitalen Threads sowie einem modernen Ökosystem. Dieses kombiniert eine offene Softwareplattform mit einer schnellen Anwendungsentwicklung, um bestehende Daten und Systeme einfach aufzubauen, zu integrieren und zu erweitern.

In der Luft- und Raumfahrtbranche sind diejenigen Unternehmen erfolgreich, die in der Lage sind, ihre Geschäftsmodelle schnell weiterzuentwickeln und die Konkurrenz auszustechen. Die Digitalisierung der Fabrikhalle durch intelligente Fertigung ist das perfekte Mittel, um dieses Ziel zu erreichen.

Intelligente Fertigung
Bild: Siemens Digital Industries Software

Der Autor Dale Tutt ist Vizepräsident für Luft- und Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie bei Siemens Digital Industries Software.

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