19.02.2020 – Kategorie: Allgemein
Genau hinschauen bei der Additiven Fertigung: Lohnt sich der Umstieg?
Additive Fertigung hat bereits viele Hypes durchlaufen, doch fertigungsbezogene und rechtliche Herausforderung bereiten weiterhin Bauchschmerzen – was heute bereits geht und worauf zu achten ist, zeigt dieser Bericht aus Anwendersicht.
Text: Jonathan Wilkins, EU Automation
Als Charles Hull im Jahr 1984 den ersten 3D-Drucker erfand, der mittels Stereolithografie Kunststoffprodukte Schicht für Schicht erzeugen konnte, war die Euphorie groß. Doch erst jetzt, 36 Jahre später, führt Additive Manufacturing (AM) hier und da zu Veränderungen in den Lieferketten unterschiedlicher Branchen.
Zum Autor, EU Automation und der Bezug zum 3D-Druck
Jonathan Wilkins ist Direktor von EU Automation, einem Anbieter von elektronischen Ersatzbauteilen für die Automatisierungstechnik. Das Unternehmen ist insbesondere darauf eingestellt, einzuspringen, wenn der Originalhersteller Produkte aufgekündigt hat. Im Portfolio finden sich beispielsweise Steuerungen, Umrichter und Motoren, aber auch andere Industrie-Komponenten und ein Reparaturservice für Geräte unterschiedlicher Hersteller. EU Automation ist Anwender von additiver Fertigung und nutzt diese mitunter als Alternative zur ursprünglichen konventionellen Fertigung von einzelnen Bauteilen.
Additive Manufacturing: Auch heute gibt es noch viele Fragen
Wo verlaufen die Grenzen der additiven Fertigung? Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Bei einigen Anwendungen findet bereits ein Wandel bei der Bauteilfertigung statt, weg von herkömmlicher mechanischer Bearbeitung hin zu Techniken der additiven Fertigung. Dies führt dazu, dass auch Hersteller anderer Sparten überprüfen, ob sich 3D-Druck zur Herstellung der eigenen Produkte eignet. Bei der Betrachtung der Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit gilt es jedoch, einiges zu beachten.
AM: Warum Qualität essentiell ist
Beim Umstieg von einer Fertigungsmethode auf eine andere spielt die Qualität eine essentielle Rolle, insbesondere in stark regulierten Branchen wie der Luft- und Raumfahrt oder bei medizinischen Geräten. Tatsächlich ist die Qualität auch in anderen Bereichen eines der bedeutendsten Hindernisse bei der Einführung von Additive Manufacturing.
Geschieht die Fertigung dann noch verteilt, um diesen Vorteil der additiven Fertigung zu nutzen, muss sichergestellt sein, dass die Qualität der additiv gefertigten Teile stets gleichbleibend ist. Eventuell muss auch garantiert werden, dass der Typ und der Standort der Anlage variieren kann, ohne dass es zu Schwankungen bei Qualität und Spezifikation kommt.
Beispiel: Pulverbett-Verfahren kommen häufig zum Einsatz, wenn es darum geht, funktional einsetzbare Bauteile additiv zu erstellen. Dabei können schon kleinste Defekte das Produkt so weit schwächen, dass es nicht sicher eingesetzt werden kann. Das hängt insbesondere mit der erforderlichen Prozesstemperatur beziehungsweise deren Konstanz zusammen. Durch eine optimale Regelung der Fertigungs-Parameter lässt sich das Verziehen des Produkts verhindern. Jedoch ist hierfür viel Know-how erforderlich.
Ein weiterer Punkt ist, dass bei der Fertigung im Pulverbett, das nicht verarbeitete Pulver unter der Hitzeeinwirkung der Vorgängerprozesse leiden kann. Deshalb muss das Pulver hinreichend oft getauscht werden, wobei wirtschaftliche Interessen und Qualität kollidieren können.
Wer in AM-Produktionsanlagen investiert, sollte bei Bedenken mit einem erfahrenen Partner zusammenarbeiten, der Training und Unterstützung anbieten kann. Auch der Bezug von AM-Teilen über einen Dienstleister kann vor dem Hintergrund der komplexen Fertigungsprozesse sinnvoll sein. Jedoch sollte auch hier besonders auf Qualität des Zulieferers geachtet werden, insbesondere wenn dieser nicht in der näheren Region ansässig ist. Es muss stets sichergestellt sein, dass die Teile auch tatsächlich den erforderlichen Spezifikationen entsprechen.
Additive Fertigung: So findet sich das richtige Material
Sowohl Polymere, Keramiken als auch Metalle lassen sich in 3D-Druckverfahren verarbeiten, wobei der Druck von Kunststoffen nach wie vor am weitesten verbreitet ist. Auch wenn viele Materialien mit 3D-Druck verarbeitet werden können, so eignen sich doch manche dazu besser als andere. Wählt man das falsche Material, wirkt sich das natürlich auf die Qualität aus.
Wenn bestehende Produkte also aus einem Material gefertigt sind, das sich nicht gut für AM eignet, gilt es die besser geeigneten Optionen zu eruieren. Zudem könnte sich trotz aller Anstrengung herausstellen, dass das Bauteil nach aktuellem Stand nur konventionell (wirtschaftlich) zu fertigen ist.
Konventionell, additiv oder fremd fertigen?
Um diese Frage zu beantworten, sind die jeweiligen Vorteile in der konkreten Anwendung sehr genau zu betrachten. AM könnte beispielsweise deutlich Gewicht sparen, ein besonders komplexes Design wirtschaftlicher umsetzbar machen oder die Herstellung von Werkzeugen sowie Formen bei Einzelteilen einsparen. All dies könnte den Einsatz von additiver Fertigung rechtfertigen.
Additive Fertigung ist eine Technologie, die in vielen Anwendungen enorme gestalterische Freiheiten eröffnet. Sie ist jedoch noch lange nicht die universell einsetzbare Standardlösung. Unternehmen sollten abwägen, ob ein Bauteil tatsächlich mittels AM hergestellt werden sollte oder nicht. Qualität, Kosten, Produktivität und die Integration von AM in bestehende Herstellungsprozesse sind hier essentielle Punkte, die es zu betrachten gilt. Neben der konventionellen Fertigung und AM ist auch die Fremdbeschaffung der Teile durch einen Fertigungsdienstleister mitunter eine gute Alternative.
Autor: Jonathan Wilkins, EU Automation
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