26.02.2020 – Kategorie: Konstruktion & Engineering
Faserwickeln für den Leichtbau: Neue Möglichkeiten mit CAE-Prozesskette
Das automatisierte Faserwickeln eröffnet ressourcenschonende Möglichkeiten im Leichtbau von Fach- und Tragwerkskonstruktionen und für die Mobilität.
- Mit Faserwickeln lassen sich Profile aus Faserverbundwerkstoffen fügen.
- Eine vollständige CAE-Prozesskette automatisiert den Wickelprozess.
- Der lastpfadgerechte Materialauftrag spart Ressourcen und Kosten.
- Im Gegensatz zu anderen Verfahren ist das Faserwickeln zerstörungsfrei
- Das reduzierte Gewicht des Endprodukts führt zu Kosteneinsparungen.
Bambusstäbe werden schon seit Jahrhunderten durch das Umwickeln mit Seilen zu stabilen und leichten Tragwerken verbunden. Am wbk Institut für Produktionstechnik des Karlsruher Instituts für Technologie KIT umwickeln heute 6-Achs-Roboter Hohlprofile aus Faserverbundwerkstoffen mit Carbonfasern. Das hochautomatisierte Faserwickeln, eine Fügetechnologie, eröffnet neue, ressourcenschonende und kostengünstige Möglichkeiten im Leichtbau von Fach- und Tragwerkskonstruktionen und für die Mobilität auf Rädern.
Die Landesagentur für Leichtbau Baden-Württemberg präsentiert diese Innovation mit ihrem ThinKing im Februar 2020. Mit diesem Label gibt die Leichtbau BW GmbH monatlich neuartigen Produkten oder Dienstleistungen im Leichtbau aus Baden-Württemberg eine Plattform.
CAE-Prozesskette: Neue Möglichkeiten zur Herstellung von Leichtbau-Hohlprofilen
Das flexible Fügen durch Faserwickeln bietet dank vollständiger CAE-Prozesskette neue Möglichkeiten zur Herstellung von Leichtbau-Hohlprofilen. Ideengeber ist die Bambusfügetechnologie aus Asien, die seit Jahrhunderten erfolgreich angewendet wird. Dabei werden Bambusstäbe durch am Knotenpunkt der Profile gekreuzte und gewickelte Seile miteinander verbunden (siehe Bild).
Hohlprofilfach- oder Tragwerke (Rahmenkonstruktionen) aus hybriden, faserverstärkten Kunststoffen bieten ein großes Leichtbaupotenzial bei gleichzeitig sehr guten mechanischen Eigenschaften – allerdings stellt die Verbindungstechnik zweier in einem Winkel aufeinander treffenden Profile eine große Herausforderung dar, da keine der bekannten Fügetechniken ohne Einschränkungen die Profile sicher zusammenhält.
Hochautomatisiertes Verfahren für das Faserwickeln
Am wbk Institut für Produktionstechnik des KIT Karlsruher Institut für Technologie umwickeln heute 6-Achs-Roboter Hohlprofile aus Faserverbundwerkstoffen mit Carbonfasern. Das Besondere dabei ist nicht nur die Fügetechnologie an sich, sondern die durchgängige Abbildung des Prozesses in einer vollständigen CAE-Prozesskette. Durch eine grafische Benutzeroberfläche lässt sich der Vorgang des Wickelns auslegen, planen und bedienen. Dazu gehört, das Wickelmuster zu berechnen, die Verbindungen gemäß FEM auszulegen und die Bewegungen des Wickel-Roboters zu simulieren.
„Die Produktionseinheit ist ein komplexes technisches Gesamtsystem, das als Ganzes bei Endanwendern in der Montage von Profilen zum Einsatz kommen könnte. Durch einen modularen Aufbau kann die Anlage an ihre Aufgabe flexibel angepasst werden“, erklärt Marius Dackweiler, akademischer Mitarbeiter am wbk-Institut des KIT. Neben der vollständigen CAE-Prozesskette wurde in den letzten Jahren eine modellbasierte Synchronisierung zwischen Roboterbewegung und Wickelringrotation entwickelt. Diese sorgt dafür, dass die realen Wickelbewegungen stets den modellierten Bewegungen entsprechen beziehungsweise bei Abweichungen schnell wieder auf die Soll-Bewegung geregelt werden. Zudem wurde die Faservorspannung durch eine drucksensorbasierte Regeleinheit erweitert, um die Spannung gleichmäßiger einstellen zu können.
Faserwickeln ist lastpfadoptimal
„Außerdem sei das Verfahren besonders ressourceneffizient, da die Fasern lastpfadgerecht abgelegt werden können und so besonders wenig Material verbraucht wird“, beschreibt Dackweiler einen wichtigen Vorteil der neuen Technologie. Lastpfadoptimal bedeutet hier, dass beim Fügen nur dort Fasern abgelegt werden, wo sie auch zur Tragfähigkeit des Gesamtsystems benötigt werden. Eine echte Alternative gebe es kaum. Dackweiler erklärt das so: „Klassische Fügeverfahren wie Kleben, Schweißen oder Schrauben sind entweder in der Performance schlechter, zerstören die Faserstrukturen oder sind für duromere Faserverbundprofile nicht anwendbar.“
Leichte Tragwerke – viele Anwendungen
Konstruktionen aus Fachwerken haben im Allgemeinen im Verhältnis zu anderen üblichen Bauweisen für ihre Tragfähigkeit ein geringes Eigengewicht. Das Fügeverfahren könnte daher insbesondere im Bau- und Kranwesen für besonders leichte, steife und gleichzeitig dennoch kostengünstige Fachwerkkonstruktionen sorgen. So wurden beispielsweise Kranausleger bisher üblicherweise aus Metallprofilen oder mit aufwendigen, metallischen Knotenelementen realisiert. Diese metallischen Knotenelemente werden durch lastpfadgerecht gewickelte Fasern ersetzt und so kann die Konstruktion aus Leichtbau-Profilen mit der Faserwickel-Fügetechnologie mit einer erheblichen Gewichtsreduktion ausgeführt werden.
Einsatz auch im Automobil- und Zweiradbau
Weitere Anwendungen sind im Automobil- und Zweiradbau denkbar. Dort werden räumliche Fachwerke für Fahrgestelle als sogenannte Gitterrahmen verwendet. „Der Charme dieses Fügeverfahrens liegt darin, dass beim Verbinden an den anspruchsvollen Faserverbund-Profilen keine Schäden entstehen, wie beim Schweißen oder Schrauben“, erzählt Dackweiler. Die Fortschritte der vergangenen beiden Jahre ermöglichen jetzt eine vollständige Automatisierung für potentielle Kunden und stellen einen großen Schritt auf dem Weg zur Serienreife dar. Schon heute existiert ein voll funktionsfähiger Prototyp, sodass das wbk Institut auf der Suche nach einem Partner für die industrielle Umsetzung ist.
Bild oben: Beim Faserwickeln entstehen im Gegensatz zu Schweißen und Schrauben keine Schäden am Material. Bildquelle: wbk Institut KIT
Weitere Informationen: www.wbk.kit.edu und www.leichtbau-bw.de.
Erfahren Sie hier mehr über das Fügen von Leichtbaustrukturen.
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