22.05.2023 – Kategorie: Fertigung & Prototyping

Entwicklungsmethoden in der Formel 1: Mehr Speed durch Simulationen

EntwicklungsmethodenQuelle: Siemens Digital Industries Software

Am 23. Februar 2022 bekam die Welt anlässlich der Vorsaisontests in Barcelona einen Vorgeschmack auf die neuen Formel-1-Autos. Es folgten Testtage in Bahrain Anfang März 2022, wo die Fahrer ihren Fokus darauf legten, sich mit den neuen Autos vertraut zu machen, bevor die Rennsaison am 21. März 2022 begann.

Das Chassis hat es in sich. Aus Sicherheits- und Leistungsgründen ist es eines der anspruchsvollsten Teile des Autos. „Man muss möglichst früh mit dem Chassis beginnen, auch wenn man noch nicht alle Informationen hat“, erklärt Raffaele Boschetti, Leiter der Informationstechnologie (IT) und Innovation bei der Scuderia AlphaTauri. „Bevor wir eine Partnerschaft mit Siemens eingingen, brauchten wir drei Monate, um ein gutes Chassis zu entwickeln. Mit der Siemens-Software und neuen Entwicklungsmethoden haben wir das in einem Monat geschafft.“

Neue Entwicklungsmethoden für mehr Sicherheit

In der Formel 1 werden Fahrer und Auto eins. Dieses Gefühl auf der Rennstrecke kommt von einem Teil des Autos, der normalerweise nicht im Rampenlicht steht: dem Fahrersitz. Denn neben dem Fahrwerk ist der Sitz entscheidend sowohl für die Sicherheit des Fahrers als auch die Gesamtleistung. Die Gestaltung des Sitzes ist zudem durch Sicherheits- und Crashtestregeln in der Formel 1 streng geregelt. Boschetti kommentiert: „Der Fahrer erfasst durch den Sitz Vibrationen, Beschleunigungen und das Verhalten des Autos.“

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Die Rennsaison 2022 startete am 21. März. Bild: Siemens Digital Industries Software

One fits all gibt es hier nicht

Die Herausforderung ist nicht der Sitz an sich, sondern die Frage, wie der Fahrer ins Auto passt: „Der Sitz ist wie ein Maßanzug. Man muss auf die Position des Helms und des Rückens achten und der Fahrer sollte so niedrig wie möglich sitzen“, erläutert Francesco Dario Picierro, leitender Konstrukteur für Verbundwerkstoffe bei der Scuderia AlphaTauri.

Eine Harzform des Fahrers in idealer Position dient als Vorlage für Laserscans, die helfen, den Sitz zu entwerfen. Zum Einsatz kommen NX, die Fibersim-Tools und Simcenter, also Software des Xcelerator-Portfolios von Siemens Digital Industries Software. „Der Prozess mag einfach erscheinen, aber dank der Produkte von Siemens wird er intelligenter“, fügt Picierro hinzu.

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Der Fahrer erhält über den Sitz wichtige „Informationen“ über das Fahrverhalten seines Autos. Bild: Siemens Digital Industries Software

Mit Digitalisierung zum Erfolg

Da das gesamte Fahrzeug für die Saison 2022 neu entworfen werden musste, simulierte das Team jedes Detail, von der allgemeinen Übersicht bis hin zur Integration des Fahrers in das Chassis. Digitalisierung scheint heutzutage zum Weg zu gehören, um in der Formel 1 erfolgreich zu sein. Durch den Einsatz von Digitalisierungstools jedenfalls wurde die meiste Routinearbeit aus den Design-, Konstruktions- und Produktionsprozessen von Scuderia AlphaTauri entfernt.

Neben dem engen Zeitplan ist das Gewicht eine große Herausforderung für jeden Formel-1-Ingenieur. Franz Tost, Teamleiter der Scuderia AlphaTauri, sagt: „Natürlich ist es immer schwierig das Gewicht gering zu halten, wenn völlig neue Regeln gelten. Fast alle Teams sind aktuell über dem Mindestgewicht. Zudem ist es teuer, Gewicht zu reduzieren. In Anbetracht des Kostendeckels war unser Team in der Lage, einen Kompromiss zu finden.“

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Der Sitz eines Formel-1-Autos passt, wie ein Maßanzug – wobei der Fahrer so niedrig wie möglich sitzen sollte. Bild: Siemens Digital Industries Software

Die Verwendung neuer Entwicklungsmethoden, einer integrierten digitalen Plattform und Software-Suite zur Untersuchung des realen Verhaltens des Autos hilft, die richtigen Entscheidungen für die Rennen zu treffen. „Unsere Aufgabe ist es, die Festigkeit und Steifigkeit des Sitzes zu bewerten. Er muss den Beschleunigungslasten standhalten, und steif genug sein, um eine gute Interaktion zwischen Fahrer, Chassis und dem Rest des Fahrzeugs zu gewährleisten“, sagt Giuseppe Stiscia, Leiter der Chassis-Gruppe und Strukturingenieur bei Scuderia AlphaTauri. „Wir verwenden Siemens Simcenter, um das Finite-Elemente-Modell zu erstellen und die Lastmodellbedingungen zu generieren.“ Die Strukturingenieure nutzen diese Informationen, um das tatsächliche Verhalten der Struktur zu verstehen. Ziel ist es, das Teil so stabil und steif wie möglich zu machen. Zudem gilt es stets, das Gewicht zu optimieren. Simcenter hilft ihnen, das Teil schneller zu berechnen und es stellt eine Plattform für alle Projektbeteiligten dar.

Neue Entwicklungsmethoden sind Gold wert

Andrea Rizzo, Ingenieur in der Gruppe Forschung und Entwicklung für digitales Layup, arbeitet ebenfalls auf der Plattform und erstellt mit seinen Kollegen mittels den Fibersim-Tools Werkzeuge, mit denen sich der Sitz herstellen lässt. „Man muss die zu laminierenden Gewebelagen passend zuschneiden, damit die Form optimal ausgefüllt wird. Jedes zusätzliche oder unnötige Material, das in die Form eingelegt wird, verursacht zusätzliche Kosten. Wir versuchen, mit so wenig Material wie möglich zu laminieren, um Zeit und Geld zu sparen“, erläutert er.

F1-Boliden enthalten viele handgefertigte Kohlefaserteile, die durch Schichten von Verbundstofflagen entstehen. Jedes Teil hat dadurch einzigartige strukturelle Eigenschaften. „Wir müssen sicherstellen, dass das erste Teil mit dem letzten identisch ist. Aus diesem Grund verwenden wir Fibersim. Mit umfassender Simulation sparen wir in der Produktion Zeit. Wir können die Lagen so vorbereiten, dass sie für alle Laminate gleich sind“, versichert Rizzo. „Wir wissen mit Fibersim, was im Bauteil vor sich geht. Wir kennen die Qualität der Lagen. Wir verfolgen jede einzelne Lage während des Prozesses. Wir können Probleme verhindern, bevor sie auftreten.“

Dank NX, Simcenter und Fibersim kann das Team den Sitz an den Fahrer anpassen. Dies bietet den Fahrern Gasly und Tsunoda die ideale Verbindung zum Auto, die sie für eine gute Leistung benötigen. Auch dank der hervorragenden Technik des Teams in Faenza, Italien, und der Unterstützung durch Software und neue Entwicklungsmethoden ist das die Scuderia AlphaTauri bereit für die nächste F1-Saison.

Die Autorin Claudia Lanzinger ist Media Communications EMEA bei Siemens Digital Industries Software.

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