02.05.2013 – Kategorie: Technik
Elektronikentwicklung in der Automobilindustrie
Bislang durch mechanische und elektrische Entwicklungen geprägt, zeigen die automobilen Konzepte in den letzten Jahrzehnten eine exponenzielle Tendenz hin zum Einbau von Elektronik. Die Zunahme der Module führt zu einer neuen Komplexität im Produktdesign. Ein Automobilhersteller muss bei dieser Entwicklung neue Randbedingungen berücksichtigen. Faktoren wie Zuverlässigkeit, modulares Design und Datenmanagement sind nur Beispiele. Zuverlässigkeit ist eines der Schlüsselelemente, mit dem die Designer bei der Entwicklung eines PCB für ein Fahrzeug konfrontiert werden. Von Automobilen und Lastwagen wird erwartet, dass sie extremen Temperaturen und widrigen Bedingungen standhalten. Zwar besteht diese Anforderung seit Jahren und die Automobilhersteller haben sich darauf eingestellt, aber durch die zunehmende Zahl an elektronischen Baugruppen wird die Auswahl von richtigen Materialien und Komponenten immer wichtiger.
Die Auswahl zwischen einer Niedertemperatur-Einbrand-Keramik (Low Temperature Cofired Ceramics – LTCC) und dem Hochtemperatur-Glasfaserverbundwerkstoff FR-4 kann eine Differenz von wenigen Cent für jedes PCB im System ausmachen. Berücksichtigt man die Anzahl der Autos, die ein Hersteller pro Jahr produziert und die Anzahl Platinen pro Auto, üben wenige Cent einen wesentlichen Einfluss auf die Gewinnspanne aus.
Viele Fahrzeuge haben heute Navigations-Systeme, tragbare Musik-Geräte und Bluetooth-Systeme. All die neuen Möglichkeiten bedeuten neue Aufgaben für die Produktentwicklung, denn Signalintegrität, Analog-Simulation, HF-Analyse und EMV-Bedingungen werden zu einem Bestandteil des Design-Prozesses. Dabei müssen sich die Designer nicht nur um die Stromversorgung von Leiterplatten kümmern, wie sie in Consumer-Produkten vorkommen, sondern auch um andere Spannungs- und Stromversorgungseinheiten, die für die Betriebfähigkeit des Fahrzeugs sorgen. In einigen Fahrzeugen finden sich dann noch Speicher und USB-Schnittstellen, so dass Ingenieure für ein umfassendes Constraint Management früh in der Entwicklungsphase umfangreiche Analysen durchführen müssen. Früh muss ein fehlerfreies Design feststehen, um Kosten durch zu viele Iterationen zu vermeiden. Komfortfunktionen werden aber mehr und mehr zum Standard. Auch mit neuen Optionen wie Navigation und Bluetooth ist modulares Design zum Schlüsselfaktor im Entwicklungsprozess geworden. Entwicklungsingenieure müssen zusammenarbeiten, um zu eruieren, wie all die Zusatzfunktionen in den begrenzten Platzverhältnissen unterzubringen sind. Man denke hier nur an klassische Lautsprechereinheiten oder auch an als Sonderausstattung lieferbare Rückfahrkameras, Farbdisplays, MP3-Player oder eine Sprachsteuerung für den Boardcomputer. Sowohl Basis-Funktionen als auch Sonderausstattungen müssen im Fahrzeug untergebracht werden. Designer, die sich die Vorteile von modularem Design zunutze machen, müssen diese Vorgaben sehr früh beachten, um spätere Korrekturen zu vermeiden.
Modulares Design erfordert auch die Berücksichtigung anderer wichtiger Merkmale, beispielsweise die Stromverteilung durch ein geeignetes Boardnetz. Die Stromversorgungssysteme sind inzwischen komplex geworden, denn es geht nicht nur darum, die neuen elektronischen Funktionen umzusetzen, das Fahrzeug muss vielmehr auch zu jedem Zeitpunkt gestartet werden können, wobei die Batterie so effizient wie möglich eingesetzt werden muss. Modulare Konzepte ermöglichen zudem die Wiederverwendung und bedarfsgerechte Weiterentwicklung der einzelnen Funktionen von einer Fahrzeuggeneration zur nächsten.
Datenmanagement im Design-Prozess
Zusammen mit anderen wesentlichen Bereichen im Entwicklungsprozess ist das Datenmanagement ein entscheidendes Element. Berücksichtigt man alle Prozessschritte und sämtliche Teilnehmer, die an der Produktion beteiligt sind, ist Datenmanagement eine bedeutendes Element, das den gesamten Prozess zusammenführt. Von besonderer Bedeutung ist hier die Lieferkette. Viele Hersteller setzen „Just-in-Time“-Methoden ein und verwenden die Lean-Six-Sigma-Managementmethode, damit der Zugriff auf die geeigneten Komponenten und Informationen über deren Verfügbarkeit sichergestellt ist, um die Teile zu einem bestimmten Zeitpunkt anzuliefern. Die enge Verknüpfung des eigenen Datenmanagement- und Beschaffungssystems mit der Lieferkette bringt auch Vorteile bei Design-Entscheidungen während der Produktentwicklung.
Datenmanagement spielt auch in der Kommunikation zwischen Zulieferern und Partnern eine wichtige Rolle, wenn diese am Produkt-Entwicklungszyklus beteiligt sind. Oft erfolgt der Austausch von Design-Daten zwischen verschiedenen Unternehmen und mehreren Entwicklungsingenieuren, die gleichzeitig arbeiten. Daher ist die aktuelle Abbildung von Arbeitsschritten und der Entwicklungsdaten von entscheidender Bedeutung. Die Automobilhersteller sind in der Regel global agierende Unternehmen. Das macht ein geeignetes Datenmanagementsystem unabdingbar, denn es ermöglicht den Unternehmen die Flexibilität, weltweit vernetzt entwickeln und überall fertigen zu können. Zudem führt ein solches System auch die jeweiligen Marktforderungen zusammen und sorgt damit für eine höhere Wettbewerbsfähigkeit.
Das elektromechanische Design
Entwicklungsingenieure müssen, egal ob sie auf den mechanischen, den elektrischen oder den elektronischen Aspekt des Automobil-Designs fokussiert sind, immer das Design des kompletten Systems im Auge behalten. Ein Fahrzeug zu entwickeln, erfordert eine ganzheitliche Betrachtung auf verschiedenen Ebenen. Jedes System hat Auswirkungen innerhalb einer Domäne, aber auch auf den gesamten Entwicklungsprozess und das fertige Produkt. Diese Auswirkungen gilt es, früh in der Entwicklung zu bestimmen. Oft kommt es dabei vor, dass Bauräume nicht eingehalten werden oder dass Faktoren wie Kosten, Gewicht und Stromverbrauch spät und kostenintensiv korrigiert werden müssen. Solche Systemplanungen wie beispielsweise die Raumplanung des gesamten Systems und aller Untersysteme finden idealerweise in einer gemeinsamen Umgebung statt, um hier die Zusammenarbeit der Domänen zu erleichtern. Diese Planungsinformationen mit den elektronischen und mechanischen Detail-Design-Phasen zu verbinden, steigert die Effizienz, spart Zeit und reduziert Fehler. Die Integration der Aufgaben und das Wiederverwenden von Informationen sorgt für Kostenreduktion und eine Verbesserung der gesamten Qualität des Produkt-Entwicklungsprozesses, ganz gleich, ob in der Konzeptphase oder in der Detail-Konstruktion.
Die ständige Zunahme von elektronischen Komponenten in Automobil-Design erfordert eine Betrachtung des kompletten System-Verhaltens. Simulation und Analyse spielen in diesem Stadium eine entscheidende Rolle. Die Betrachtungen müssen über Werte wie Signalqualität oder elektromagnetische Beeinflussung (Electromagnetic Interference – EMI) hinausgehen. Analyse-Bereiche wie thermische, hydraulische und sogar pneumatische Untersuchungen sind in einem frühen Stadium zu integrieren, um kostenintensive Fehler zu vermeiden, die oft erst beim Bau von Prototypen entdeckt werden. Setzt man die Simulation auf Systemebene vor dem physikalischen Design ein, profitiert der gesamte Design-Prozess davon. jbi
Autor:
Humair Mandavia ist Senior Technical Marketing Manager bei Zuken in Westford, USA.
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