09.05.2022 – Kategorie: Fertigung & Prototyping

Elastomerbeschichtung: Optimierungspotenziale effizient nutzen

Elastomerbeschichtung

Gummibeschichtete Walzen verrichten meist unauffällig ihren Dienst. Dabei schlummern in der Beschichtung große Optimierungspotentiale. Wie sich diese erschließen lassen, darüber hier mehr.

Sie sind in und an vielen Maschinen zu finden: gummibeschichtete Walzen (Elastomerbeschichtung). Ein Unternehmen, das sich auf diese Bauteile spezialisiert hat, ist die Mitex GmbH in Erkrath. Geschäftsführer Bastian Heinen nutzt heute FEM-Simulation, um die Druckverhältnisse an den Walzen zu simulieren und zu optimieren.

Elastomerbeschichtung mit Geschichte

Im Jahr 1954 gründete Heinens Großvater Hans Knott ein Unternehmen, um Dessinwalzen und Druckformen herzustellen. Schnell fand man das heutige Betätigungsfeld in der Beschichtung von Walzen mit Gummi, Polyurethan, Silikon und zahlreichen Spezialwerkstoffen. Heute ist das Unternehmen mit mehr als 15 Produktionsstandorten auf allen Erdteilen vertreten. Am Hauptstandort Erkrath arbeiten rund 100 Mitarbeiter.

Das Portfolio von Mitex beginnt bei der Entwicklung und Produktion der Rohstoffe für die Walzenbeschichtungen in eigenen Mischbetrieben. Mehr als 600 Beschichtungen stehen zur Wahl.

Wie Beschichtungen spezifische Aufgaben lösen

Die Anforderungen an Walzenbeschichtungen reichen von besonderen mechanischen Eigenschaften über Temperatur- und Medienbeständigkeit bis hin zu funktionalen Walzenoberflächen. Beispielsweise entfernen eigens entwickelte Beschichtungen von Reinigungswalzen Staub und Verunreinigungen von Produktbahnen wie Folien vor dem Aufwickeln und vermeiden so Ausschuss und Reklamationen. Andere Beschichtungen haben präzise eingestellte elektrische Eigenschaften oder eine extrem antiadhäsive Oberfläche für den Auftrag – letztere erlaubt beispielsweise die Herstellung von Cast-Folien oder fehlerfreie Kaschierprozesse.

Praktisch alle industriell hergestellten Oberflächen, die man aus dem Alltag kennt, werden unter dem Einsatz elastischer Walzen hergestellt – die Kunden von Mitex kommen entsprechend aus nahezu allen Branchen. Ob es um den Antrieb und das Führen von Werkstücken oder kontinuierlich gefertigte Folien, Bahnen oder Platten geht, um das Prägen hauchdünner Alufolie für Schokoladenpackungen oder um das Erzeugen von Hologrammen für Geldscheine – überall sind Mitex-Walzen beteiligt.

Elastomerbeschichtung
Mitex kann tonnenschwere Großwalzen in Serie herstellen als auch individuell entwickelte Klein- und Einzelteile. Bild: Mitex

Einflussgrößen

Die mit Elastomeren wie Gummi beschichteten Walzen werden üblicherweise mit einer harten Stahlwalze zusammen eingesetzt. Die Anpressdruckverteilung unter Last wird dabei maßgeblich durch das mechanische Verhalten der Elastomerbeschichtung bestimmt. Dabei spielen der Durchmesser der Walze, die Dicke des Belags und dessen Werkstoff die Hauptrolle. Die Oberfläche wird oft geschliffen. Dabei wird bei Bedarf eine Bombierung eingebracht, wobei die Walze in der Mitte etwas dicker als an den Enden geschliffen wird, um das Verbiegen der Walze durch den Gegendruck zu kompensieren.

„Unsere Kundenbeziehungen sind sehr langlebig…“, kommentiert Heinen, „…da sich Walzenbeschichtungen ähnlich wie Autoreifen über die Zeit abnutzen und in regelmäßigen Abständen erneuert werden müssen. Das kann in Abständen von Monaten oder Jahren der Fall sein.“

Das Unternehmen beschränkt sich nicht nur auf die Erneuerung der Schicht mit dem gleichen Werkstoff, sondern strebt oft in Zusammenarbeit mit dem Kunden Optimierungen an. Ziel ist meist, die Produktqualität zu erhöhen, um die Prozessgeschwindigkeit der Walzenanwendung zu steigern. Auch Maschinenhersteller wenden sich an Mitex, um von dem gesammelten Fachwissen des Herstellers zu profitieren.

Elastomerbeschichtung: Die Berechnung

Die Eigenschaften der Elastomere werden meist nur über die in Shore gemessene Härte definiert – das sei jedoch nicht allein entscheidend, wie Heinen erläutert: „Wir betrachten unter anderem die durch die mechanischen Eigenschaften des Materials bedingte Druckverteilung im Kontaktspalt, dem sogenannten Nip, der sich ausbildet, wenn die Walze angepresst wird. Bei der Berechnung des Kontaktspaltes muss das komplexe Materialverhalten der Elastomere berücksichtig werden. Dieses hängt unter anderem von der Bahngeschwindigkeit, Belastung und Temperatur ab. Hieraus folgt, dass die Materialeigenschaften nur begrenzt über einfache, lineare Zusammenhänge und nur unter hohem Versuchsaufwand beschrieben werden können.“

Der Grund, warum in Ausschreibungen und in technischen Zeichnungen zur Definition der Elastomerbeschichtung meist lediglich die Härte des Beschichtungsmaterials angegeben wird, erklärt Heinen so: „Es mangelt an einer besseren wirtschaftlichen Möglichkeit, die mechanischen Anforderungen eines Prozesses an eine Elastomerbeschichtung zu definieren. Auch die Tatsache, dass Materialien gleicher Härte stark unterschiedliches mechanisches Verhalten zeigen können, hat hieran bisher nichts geändert.“

„Ich habe mich in meiner Masterarbeit mit Elastomeren beschäftigt“, erläutert Heinen weiter, „und konnte zeigen, dass mit analytischen Methoden nur sehr begrenzte Aussagen getroffen werden können.“ Entsprechend hat sich Mitex dazu entschieden, sich über die Materialforschung hinaus mit der Optimierung von Walzen zu beschäftigen. „Unser Mittel hierfür sind unter anderem FEM-Analysen, mithilfe derer wir Walzen für Ihren Anwendungszweck optimal auslegen können.“, erklärt er weiter.

Elastomerbeschichtung
Mitex-Geschäftsführer Bastian Heinen (links) im Gespräch mit Anwendern, die das tiefe Prozesswissen des Walzenherstellers schätzen. Bild: Mitex

Tests und Simulationen ergänzen sich

Mitex hat eigene Prüfstände entwickelt, um genau diese Materialeigenschaften zu messen und zu definieren. Diese Werte dienen als Grundlage für die Simulation, sodass die Ergebnisse sehr gut mit der Realität übereinstimmen. Heinen erläutert: „Das Problem ist, dass sogar Werkstoffe mit gleichen Grundwerten auf dem Prüfstand unterschiedliche Eigenschaften zeigen. Ich habe zwei Elastomere mit 60 Shore Härte getestet und das Verhalten des Druckaufbaus wich um 15 Prozent voneinander ab.“

Heinen hatte schon im Studium mit der Simulationssoftware Ansys gearbeitet und wandte sich, als er die Erkenntnisse aus seiner Masterarbeit im Unternehmen fortführen wollte, an das Ellwangener Systemhaus Inneo.

Mitex nutzt Ansys gemeinsam mit dem in das Simulationsprogramm integrierten CAD-System SpaceClaim. Hier unterstützte Inneo beim Aufbau eines parametrisierten Walzenmodells. Von der Wandstärke und dem Durchmesser der Stahlwalze über die Dicke und das Material der Beschichtung bis hin zur Bombierung lässt sich das Simulationsmodell auf die aktuellen Gegebenheiten einstellen. Heinen erklärt: „Nun können wir über Nacht eine Walze berechnen und am nächsten Morgen das Ergebnis analysieren. Mit Hilfe der Simulation schaffen wir über das reine Wiederbeschichten der Walzen hinaus Mehrwert. Unsere Idee ist es, den Prozess mit dem Kunden gemeinsam zu analysieren, Prozessverständnis beim Kunden aufzubauen und dann einen Vorschlag zur Optimierung zu entwickeln.“

Dabei liege das Optimierungspotential an modernen Anlagen nicht offen zutage, sondern müsse mit Spezialwissen und geeigneten Werkzeugen – wie beispielsweise der Simulation– erschlossen werden.

Heinen erklärt abschließend: „Simulation hilft uns dabei, die richtigen Lösungen zu finden. So konnten wir kürzlich bei einem Hersteller von Spezialvliesen die maximale Durchlaufgeschwindigkeit von 100 auf 250 Meter pro Minute steigern, indem wir bei der Beschichtung der Walzen einen besser passenden Werkstoff nutzten.“

Der Autor Dipl.-Ing. Ralf Steck ist freier Fachjournalist für die Bereiche CAD/CAM, IT und Maschinenbau in Friedrichshafen.

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