17.11.2015 – Kategorie: Technik

EC-Antriebe: Leistungspotenzial optimal nutzen

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In der Automatisierungstechnik waren bisher möglichst flexible Komponenten im Trend, die sich schnell und individuell aus einem Baukasten zusammenstellen lassen. Die Miniaturisierung bei der Elektronik erlaubt es nun, einen Schritt weiterzugehen: Hardware-Funktionen können zum Teil durch Software „ersetzt“ werden. Ein Beispiel für diese Entwicklung sind Elektroantriebe. Von Dominik Häßler und Andreas Zeiff

Motoren elektronisch zu regeln und damit variable Drehzahlen, Drehmomente oder begrenzte Leistungsabgabe nach Bedarf einzustellen, wird in der Automatisierung zunehmend gefordert. Bei ebm-papst verfolgt man diesen Trend schon lange und hat mittlerweile die komplette Antriebssteuerung und Leistungselektronik als K4-Modul in den Antrieb integriert (Bild 1). Das erweitert die Einsatzmöglichkeiten moderner, elektronisch kommutierter Antriebe. Musste man herkömmliche DC-Antriebe auf bestimmte Drehmoment- oder Drehzahlbereiche mechanisch auslegen, so decken EC-Motoren von Hause aus einen viel größeren Bereich ab. Die integrierte Ansteuerung erlaubt es nun, dieses Potenzial zu 100 Prozent auszuschöpfen, ohne Abstriche bei der Zuverlässigkeit zu haben. Zudem erleichtert dezentrale Intelligenz im Antrieb die Integration in die Anwendung und erspart Verkabelungsaufwand und Montagezeit.

Parametrierbarer Antrieb

Moderne EC-Antriebe punkten durch einen robusten Aufbau: die Magnetkreise können selbst höchsten mechanischen und elektromagnetischen Belastungen problemlos widerstehen. Daraus ergibt sich ein großes Leistungspotenzial bei hohem Wirkungsgrad, wobei allerdings die Leistungsbandbreite bisher nur in seltenen Fällen wirklich genutzt wird. Die neue Ansteuer-Elektronik mit der Bezeichnung „K4“ ändert das nun grundlegend. Sie überwacht die Antriebe und ermöglicht im Rahmen der vorgegebenen Parameter eine hundertprozentige Motorauslastung. Antriebsvorteile wie volles Motordrehmoment ab Drehzahl null bei hoher kurzzeitiger Überlastfähigkeit, zum Beispiel, um schwere Lasten zu beschleunigen, lassen sich so optimal nutzen. Derselbe Antrieb kann neu parametriert auch feinste Fäden bei variabler Drehzahl aufwickeln oder lässt sich ähnlich wie ein Schrittmotor betreiben und kann gezielt bestimmte Positionen auf Abruf selbsttätig anfahren.

Vorteile einer integrierten Steuerung

Die flexible Steuerung ermöglicht es, den Antrieb maßgeschneidert an die Anforderungen der Anwendung anzupassen. Drei Haupt-Betriebsmodi sind dabei möglich, der Motor arbeitet entweder im Drehzahl-, Positionier- oder Drehmomentmodus und entlastet dadurch externe Steuerungen. Die voll integrierte Regelelektronik bietet mehrere analoge und digitale Ein- und Ausgänge, die über eine RS485-Schnittstelle parametrierbar sind. Ebenso lässt sich über zahlreiche Überwachungsfunktionen, zum Beispiel Spannung, Strom, Drehzahl oder Temperatur, die Funktion des Antriebs im Betrieb kontrollieren. Der Anwender kann sich so auf die Kernkompetenz seiner Entwicklung konzentrieren und der Antrieb wird mit optimalen Werten im zulässigen Kennfeld angesteuert. Zudem reduziert sich die Anzahl der nötigen Antriebsvarianten für Anwender mit breitem Anforderungsprofil und nachträgliche Anpassungen im Betrieb sind ebenfalls möglich. Die Steuerungs- und Leistungselektronik macht den modernen Antrieb flexibel einsetzbar und kann über das PC-Parametriertool „Kickstart“ schnell parametriert werden (Bild 2). Zahllose Anwendungen für das Konzept sind denkbar. Im Folgenden wird auf zwei Beispiele näher eingegangen.

Einsatz als „Lenkmotor“

Eine präzise und reproduzierbare Positionierung ist beispielsweise beim Einsatz des ECI 63.20-K4 als „Lenkmotor“ für eine aktive Hinterachse in Transportfahrzeugen erforderlich. Dazu gibt die Fahrzeug-Steuerung einen Sollwinkel an den Motor aus, der im „Schrittmotormodus“ arbeitet. Der Antrieb setzt diese Eingabe eigenständig in einen entsprechenden Lenkwinkel um. Da die integrierte Steuerung die Lenkwinkelvorgaben motorgerecht aufbereitet und an den Leistungsteil weiterleitet, muss sich der Anwender nicht mehr um die Motorsteuerung kümmern und kann sich auf die Kernaufgabe, die richtige Positionierung, konzentrieren. Zusätzlich werden je nach Vorgabe Strom, Spannung, Position, Drehzahl und andere Parameter in einem Diagnose-Tool ständig überwacht und gegebenenfalls ein Alarm ausgegeben. Ein Parametrier-Tool erleichtert die Einarbeitung und verkürzt spürbar Entwicklungs- und Testzeiten. Mit nur wenigen Mausklicks sind ganze Funktionsabläufe zusammengestellt, die sich über zwei digitale Eingänge aktivieren lassen. Die kompakten Maße und die Überlastfähigkeit des Antriebs ermöglichen es, die Lenkeinheit klein und leicht aufzubauen.

Antriebe in der Intralogistik

Durch die kompakten Maße und die hohe Überlastfähigkeit eignen sich die Antriebe der ECI- und VDC-Reihe für Einsätze auf engstem Raum mit dynamischen Anforderungen. Ein gutes Beispiel dafür ist eine Ausschleuse-Einheit in der Fördertechnik. Im vorliegenden Fall wird ein Antrieb auf Basis des Motortyps VDC-3-49.15-K4 eingesetzt. Er integriert bei nur 120 Millimeter Baulänge und 63 Millimeter Durchmesser sowohl den Motor als auch das Planetengetriebe und die zugehörige K4-Elektronik. Neben dem kompakten Aufbau profitiert der Anwender von der schnellen Parametrierung der Antriebe. Jeder Motor lässt sich über die Elektronik individuell auf seine Antriebsaufgabe in der Förderstrecke einstellen, das optimiert die Anlage bei gleichzeitig sinkenden Kosten für die Ersatzteilvorhaltung. Die Anzahl unterschiedlicher Antriebseinheiten reduziert sich so drastisch.
Trotz der geringen Abmaße transportieren die Antriebe Pakete mit einem Gewicht von bis zu fünfzig Kilogramm bei einer Geschwindigkeit von rund einem Meter pro Sekunde. Die für die Verteilung oder Ausschleusung wichtige Beschleunigung des aufliegenden Paketgewichts beträgt rund 2,5 m/s2. Hier kommt dem Antrieb der hohe Wirkungsgrad der EC-Motoren zusammen mit der ausgeprägten Überlastfähigkeit zugute. Hohe, kurzzeitige Belastungsspitzen lassen sich durch die geringen Verluste und das schlanke Motordesign thermisch gut beherrschen.

Baukasten plus Software

Da die Elektronik immer nur im vorgegebenen Leistungsbereich arbeiten kann, ist auch diese Motorreihe nach dem Baukastenprinzip aufgebaut: Um den passenden EC-Antrieb werden beliebige Komponenten wie Getriebe, Bremsen oder Elektronikmodule für die Anwendung individuell zusammengestellt. Die K4-Elektronik erweitert die Einsatzbandbreite des konfigurierten Antriebs nochmals um ein Vielfaches, indem sie mit präziser Regelung und Kontrolle das volle Potenzial des jeweiligen EC-Motors zu Verfügung stellt. Das Spektrum reicht bei den Innenläufermotoren der Serie ECI bis 400 Watt und bei den elektronisch kommutierten Außenläufermotoren Variodrive Compact bis 120 Watt. (rt)

Dominik Häßler arbeitet als Projektingenieur Applikation Entwicklung industrielle Antriebstechnik bei ebm-papst und Dipl. Chem. Andreas Zeiff schreibt für das Redaktionsbüro Stutensee.


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