20.09.2022 – Kategorie: Fertigung & Prototyping
Digitalisierung und Automatisierung: Die große Expertenumfrage
Einerseits macht die Digitalisierung vieles einfacher in der Automatisierung von Maschinen, andererseits steigen mit der Vernetzung die Risiken und die Komplexität der Lösungen. „Wie kommt da der Mittelstand mit?“, ist eine zentrale Frage.
Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten und nur wenige können sich ihr verschließen. Aus den Antworten unserer Experten ist herauszulesen, was Digitalisierung und Automatisierung im Kern sind: Das Zusammenspiel von Mechanik, Elektronik und IT in komplexen Abhängigkeiten. Der klassische mittelständische Maschinenbauer hat in der Regel seine Mechanik, Elektronik und seine „Firmware“ zur Maschinensteuerung im Griff – doch nun kommt der Aspekt einer umfassenden Vernetzung über die reine Maschinenfunktion hinaus ins Spiel. Die Chancen für Hersteller wie Betreiber sind neue Services, die den Nutzen, Flexibilität, die Kosten und Zuverlässigkeit der Maschinen erhöhen. Und sicher fehlen in dieser Aufzählung Positiv-Punkte. Auf der Negativ-Seite gibt es die IT-Security, die dem gewillten Unternehmen mitunter Bauchschmerzen bei der Digitalisierung bereitet und sicher auch hier weitere Punkte, wie steigender Konkurrenz-Druck und Innovationszwang. Aber lassen wir ab hier unsere Experten sprechen.
Die Fragen an die Experten:
- Welche Trends sehen Sie heute und künftig in der Automatisierung?
- Die Chancen für den Mittelstand weiter zu automatisieren, scheinen aktuell mannigfaltig zu sein. Wie sollten diese Unternehmen bei der weiteren Automatisierung vorgehen?
- Ein aktuelles Thema ist die IT-Security. Wie geht Ihr Unternehmen diesen Bereich in der Automatisierung an und worauf sollten Anwender achten?
1. Digitale Transformation, Digitaler Zwilling, Künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz – das sind die Trends, die die Automatisierung derzeit stark prägen. Durch den Digitalen Zwilling lassen sich Projektschritte enorm verkürzen. Typischerweise fängt das bei der Komponenten-Auswahl an. Erst die Analyse mittels Simulation zeigt den tatsächlichen Leistungsbedarf und hilft, Bauraum und Kosten zu sparen. Mit Simulation kann die Energiebilanz im Zusammenspiel der Antriebseinheiten bewertet werden. Ein weiterer Trend, der sich abzeichnet, ist die Optimierung von Maschinen und Serviceaspekten. Wir setzen die Simulation bereits bei der virtuellen Inbetriebnahme ein und sparen dabei und im Servicefall Kosten.
2. Zielführend ist eine Kosten-/Nutzenanalyse. Wir analysieren gemeinsam mit dem Kunden seinen Prozess. Als Antriebs- und Automatisierungsspezialist achten wir auf plattformunabhängige Softwarelösungen und setzen diese dort ein, wo sie gewinnbringend sind. Wir besetzen direkt die Antriebslösung und implementieren Software direkt im Antriebsstrang. Mittels intelligenter Algorithmen ist es uns möglich, Anomalien zu erkennen und einen sich abzeichnenden Verschleiß zu detektieren, aber auch Maschinen in einem verschleißfreien, optimierten Bereich zu betreiben.
3. Der sichere Datenaustausch von Maschinen und Anlagen ist ein Muss. Wir setzen hier auf IEC 624433-3-zertifizierte Tools, die den Richtlinien des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) entspricht. Eine stringente Entkopplung von Control Center, Laufzeitumgebung, Server und Infrastruktur. Auf diese Weise erfolgt der Austausch von Daten über Zertifikate und Zwei-Faktor-Authentifizierung. Das gibt ein Höchstmaß an Sicherheit.
Digitalisierung und Automatisierung: Potenzial mit Risiken
1. Die Automatisierung wird sich in den kommenden Jahren vielfältiger denn je verändern. Angefangen im Engineering. Bereits heute erleben wir einen deutlichen Trend vom „Make-to-order“ hin zu einem „Configure-to-order“. Dabei lassen sich sowohl Teile als auch die gesamte Maschinensoftware über Generatoren erstellen und testen. Hohe Auftragsauslastung in Verbindung mit Fachkräftemangel, „Shorter-time-to-market“, immer komplexer werdende Systeme und nicht zuletzt größtmögliche Qualitätsanforderungen insbesondere im Maschinencode, erfordern diese Methoden des Engineerings. Zudem haben digitale Geschäftsmodelle enormes Potenzial, zusätzliche Mehrwerte sowohl für den Maschinenhersteller als auch den Betreiber zu generieren. Die Herausforderung der nächsten Jahre wird sein, zusätzliche Maschinenfunktionen nebst entsprechenden digitalen Services zu designen. Der digitale Service wird in den Vordergrundrücken, auch um hohe Investitionskosten in attraktive variable Kosten umzuwandeln.
2. Die Digitalisierung und Automatisierung sollte zunehmend aus Baukästen erfolgen. Hohe Qualitätsanforderungen an den Maschinencode lassen sich so ebenso umsetzen wie ein schnelles Engineering. Daraus erwachsen nicht zuletzt mittelfristig Kosteneinsparungen als wesentlicher Wettbewerbsvorteil. Und die Bereitstellung von standardisierten, harmonisierten Maschinenschnittstellen ist ein zunehmend relevantes Instrument im Angebot von digitalen Services.
3. Wir beraten unsere Kunden umfänglich über Risiken, und konzeptionieren zielgerichtete Architekturen, um die Angriffsfläche durch Cyber-Bedrohungen deutlich zu minimieren.
1. Automatisierung ist zunehmend datengetrieben. Sensoren, die zur Steuerung in Maschinen und Anlagen notwendig sind, erzeugen immer größere Datenmengen. Aus diesen werden wichtige Informationen generiert, auf deren Basis übergeordnete Systeme die passenden Entscheidungen etwa für Wartung, Service, Prozessoptimierung oder für die Produktionsplanung treffen können – also typische Industrial-Internet-of-Things-Anwendungen (IIoT). Die Vorverarbeitung der Daten – das ist einer der aktuellen Trends – geschieht immer häufiger in Edge-Devices, damit die großen Datenmengen nicht komplett in übergeordnete ERP-Systeme oder Cloud-Lösungen übertragen werden müssen.
2. Eine wichtige Voraussetzung für die oben skizzierten Lösungen ist eine digitale Datenkommunikation, die bereits auf Sensorebene beginnen sollte. Wir statten schon seit Jahren alle neuen Sensoren mit einer IO-Link-Schnittstelle aus, um eine optimale Kommunikation nicht nur in die SPS-Ebene, sondern auch in übergeordnete Systeme zu ermöglichen. Unternehmen sollten auf jeden Fall auf eine solche digitale Kommunikationsschnittstelle achten, da diese viele Möglichkeiten bietet. Über IO-Link-Master mit kombinierten Feldbus- und IIoT-Schnittstellen, können Mittelständler mit den ersten IIoT-Lösungen starten, die sich durchaus auch nach der Inbetriebnahme einer Maschine oder Anlage nachrüsten lassen.
3. IT-Security verorten viele Unternehmen nur in der IT-Abteilung. Dass mit der Vernetzung im IIoT entsprechende Vorkehrungen getroffen werden sollten, wird oft vernachlässigt. Dabei öffnet diese häufig auch Einfallstore für Angriffe über Schadsoftware. Zudem sind bei der Inbetriebnahme von Maschinen und Anlagen überwiegend Automatisierungstechniker tätig und selten IT-Fachleute. Würde man die Kommunikation über das IIoT bis auf die Sensorebene ausdehnen, könnte das Problem noch größer werden. Wir setzen daher auf ein 2-stufiges Sicherheitskonzept bestehend aus Edge-Devices und dem IO-Link-Master, die zusammen eine Firewall in Richtung Maschine bilden. Da IO-Link nicht auf vulnerabler TCP-IP-Kommunikation aufbaut, entsteht kein Einfallstor für Trojaner oder Viren.
Die Fragen an die Experten:
- Welche Trends sehen Sie heute und künftig in der Automatisierung?
- Die Chancen für den Mittelstand weiter zu automatisieren, scheinen aktuell mannigfaltig zu sein. Wie sollten diese Unternehmen bei der weiteren Automatisierung vorgehen?
- Ein aktuelles Thema ist die IT-Security. Wie geht Ihr Unternehmen diesen Bereich in der Automatisierung an und worauf sollten Anwender achten?
Smart Factory und Industrial IoT
1. Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, besteht in Folge von Klimawandel, Ressourcenknappheit, Fachkräftemangel, aber auch neuer Richtlinien, ein zunehmender Bedarf an einfach anwendbarer Automatisierung und Digitalisierung, auf dem Weg zur „Smart Factory“. Dabei stehen Produktivitätssteigerung, bei minimalem Ressourceneinsatz, das Reporting von CO2-Bilanzen und der CO2-Footprint erzeugter Produkte gleichermaßen im Fokus.
2. Die digitale Transformation kann in unterschiedlichem Tempo und Komplexität erfolgen. Die Voraussetzung für Digitalisierung und Automatisierung ist jedoch zuallererst die richtige Netzwerkfähigkeit. Um diese zu verbessern, werden je nach Applikation neue Technologien, wie SPE, OPC UA, TSN oder 5G gebraucht. Aber auch kleinere Retrofit-Lösungen können bereits Verbesserungen erzielen. Ein weiterer wichtiger Schritt ist das Datensammeln und Speichern. In der eigenen Produktion nutzen wir selbst ein breites Spektrum an Möglichkeiten – und zeigen, dass bereits 6 Prozent der Daten ausreichen, um gute Erfolge in der Produktivitätssteigerung erzielen zu können. Aus vorhandenen Maschinen- und Prozessdaten wird durch den Einsatz von Machine Learning künstliches Wissen, basierend auf Erfahrungen, automatisch generiert. Die Verbindung von OT und IT eröffnet schließlich ganz neue Möglichkeiten der Datennutzung. Unser Ergebnis: Durch diese digitale Transparenz, werden daten-basierte Projekte zur Effizienzsteigerung so fünfmal schneller zum Erfolg geführt.
3. Mit Erhöhung des Digitalisierungsgrades steigt auch der Security-Bedarf. Neue Gesetzgebungen (NIS-Richtlinie) verstärken diese Entwicklung zusätzlich. Durch die Anwendung der IEC 62443 lassen sich Maschinen und Fabriken gegen unbefugte Eingriffe schützen. Dabei werden Netzwerke, Daten als auch die Teilnehmer betrachtet und bewertet. Die sichere Update-Fähigkeit der Teilnehmer ist dabei enorm wichtig. Phoenix Contact hat nicht nur seine Produkte und Entwicklungsprozesse zertifizieren lassen, sondern bietet darüber hinaus ein ganzheitliches Service-Konzept.
1. Die Digitalisierung und Automatisierung steht vor der Herausforderung, dass neben der reinen Steuerung der Maschinen und Anlagen auch zu berücksichtigen ist, dass die Daten für die Use-Cases der Industrial IoT genutzt werden sollen. Hierfür müssen neue Konzepte, wie eine Verbesserung der Qualität, möglichst geringe Stillstandzeiten und ein geplanter Service sichergestellt werden, ohne die komplexe Automatisierung zu stören. Dafür werden Technologien wie TSN, SPE oder OPC UA in Zukunft zum Standard werden, um durchgängige IP-Kommunikation sicher zu stellen.
2. Sie sollten darauf achten, dass sie bei der Auswahl der Automatisierungskomponenten und Software auf Offenheit Wert legen. Der Einzug von vielen neuen IT-Technologien erfordert eine schnelle Anpassungsmöglichkeit an die neuen Herausforderungen. Geschlossene proprietäre Systeme gehören der Vergangenheit an. Wichtig ist, dass die Unternehmen die Chancen der Vernetzung erkennen und sich eigene Business-Cases erarbeiten. Wir können hier sehr gut unterstützen, da wir über langjährige Erfahrung im Bereich Industrial IoT verfügen. Wir decken ein Spektrum vom Sensor- bis zur kompletten Cloudlösung ab.
3. IT-Security ist natürlich sehr wichtig, seitdem die Anlagen und Maschinen nicht mehr autark arbeiten, sondern mit dem Internet verbunden sind. Für Unternehmen ist es essentiell, sich ein Security Konzept zu erarbeiten, um auf der einen Seite den Zugang einfach zu gestalten, aber um auf der anderen Seite Unbefugten den Zugriff zu verwehren. Hierzu ist es notwendig, dass an den Schnittstellen Geräte zum Einsatz kommen, die bereits Security-Funktionen integrieren. Weidmüller bietet beispielsweise einen Remote Access Service an, der einen sicheren VPN-gestützten Fernzugriff auf die Anlagen erlaubt. Die entsprechenden Geräte kommen mit einer Stateful-Inspection-Firewall und User Management zum Schutz vor unerlaubten Zugriffen.
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