13.09.2022 – Kategorie: Allgemein, Konstruktion & Engineering

Designprozess: Wie Simulation hilft, Probleme frühzeitig zu erkennen

DesignprozessQuelle: Bosch

Die weltweite Umstellung auf Elektroautos wird von Zulieferern wie Robert Bosch vorangetrieben. Ein Bosch-Team optimiert dreiphasige Wechselrichter und ihre Zwischenkreis­kondensatoren mit einem simulationsgestützten Designprozess, der es ermöglicht, potenziell schädliche „Hot Spots“ frühzeitig im Entwicklungs­zyklus zu identifizieren.

Designprozess in der Automobilbranche: Auch die erfolgreichsten Fahrzeughersteller müssen sich an veränderte Bedingungen anpassen. Der deutsche Automobilsektor tut dies ebenso wie seine weltweiten Konkurrenten, indem er Elektroautos entwickelt. E-Autos sind ein wichtiger Schwerpunkt von Robert Bosch – einem führenden Automobilzulieferer, der in Stuttgart gegründet wurde. Heute liefert Bosch elektrische Antriebe, Systeme und Komponenten an Auto­mobilhersteller weltweit.

Der Designprozess: Multiphysiksimulation als Unterstützung

Da die Automobilindustrie auf eine elektrifizierte Zukunft zusteuert, beschleunigt der Automobilzulieferer seine Forschung und Entwicklung bei den wesentlichen Bausteinen des elektrischen Antriebsstrangs. Eine dieser Komponenten ist der Wechselrichter, der den Gleichstrom aus den Fahrzeugbatterien in Wechselstrom umwandelt, um den Antriebsmotor anzutreiben. Die Fähigkeit des Wechselrichters, einen reibungslosen Stromfluss zu gewährleisten, hängt von seinem integrierten Zwischenkreiskondensator ab (Abbildung 1). „Der Kondensator ist eine der teuersten Komponenten des Wechselrichters. Seine Leistung wirkt sich direkt auf die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Wechselrichters aus und ist damit für den Betrieb des Antriebsstrangs von grundlegender Bedeutung“, erklärt Martin Kessler, Senior-Experte für Automobilelektronik bei Bosch.

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Abbildung 1: Ein typischer DC-Zwischenkreiskondensator mit einem Batterieanschluss auf der rechten Seite und Transistoranschlüssen auf der Vorderseite. Bild: Bosch

Damit der globale Automobilsektor seine ehrgeizigen Elektrifizierungsziele erreichen kann, müssen Wechselrichter und ihre Kondensatoren kontinuierlich verbessert und optimiert werden. Martin Kessler und sein Team nutzen die Multiphysik-­Simulation, um die Zwischenkreiskondensatoren von Bosch zu testen und weiter zu verbessern. Ihre simulationsgestützte prädiktive Analyse ergänzt und optimiert den realen Proto­typenbau von neuen Designs. „Es ist einfach nicht möglich, potenzielle Probleme allein durch Tests vorherzusagen. Wir müssen Simulation und Test, Hand in Hand arbeiten lassen“, sagt Kessler.

Designprozess: Simulation (nicht Glück) hilft bei der Lösung des Black-Box-Problems

Um die Herausforderungen bei der Entwicklung eines Zwischenkreiskondensators zu meistern, hat Kessler ein Verfahren entwickelt, das experimentelle Tests mit Multiphysik-Simulationen kombiniert. Als Beispiel dafür, warum die simulations­gestützte Analyse ein notwendiger Teil seiner Arbeit ist, nennt er die Schwierigkeit, potenzielle Hot Spots zu finden und zu ermitteln, wo hohe Wärme und gekoppelte Effekte zu Ausfällen führen können. „Wir versuchen, Hot Spots zu lokalisieren, indem wir viele Thermoelemente im Inneren von Prototypen anbringen und die Temperaturen an verschiedenen Belastungspunkten messen“, betont Kessler. „Aber mein Mantra ist, dass man einen solchen Hot Spot nur mit viel Glück finden kann! Man muss schon Glück haben, um das Thermo-­Element an der richtigen Stelle zu platzieren“, lacht er.

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Der Wechselrichter wandelt den Gleichstrom aus den Fahrzeugbatterien in Wechselstrom um. Damit lässt sich der Antriebsmotor antreiben. Bild: Bosch

„Ein einfaches 2D-Modell eines Kondensators reicht auch nicht aus“, fährt Kessler fort. „Der Zwischenkreiskondensator ist ein verteiltes System mit internen Resonanzen und einer komplexen Verlustverteilung. Unsere gekoppelte EM- und thermische Analyse muss Skin- und Proximity-Effekte berücksichtigen. Ohne einen 3D-Finite-Elemente-Ansatz, der auch die räumliche Verteilung der gekoppelten EM- und thermischen Effekte modelliert, können wir keinen absoluten Wert für Spitzentemperaturen berechnen. Dies ist eine ideale Aufgabe für die Comsol Multiphysics-Software“, sagt Kessler.

Kesslers Design-Prozess validiert Simulationsmodelle nach Möglichkeit anhand von Mess-Ergebnissen und nutzt dann die validierten Modelle, um potenzielle Probleme zu erkennen. „Indem uns die Simulation hilft, heiße Stellen im Modell zu finden, können wir Probleme vermeiden, die erst spät im Entwicklungsprozess oder sogar erst nach Produktionsbeginn aufgetreten wären“, sagt Kessler. „Stattdessen können wir spezifische Ergebnisse erhalten und frühzeitig im Prozess Anpassungen vornehmen.“

Berechnete Kurve mit Prototyp-Kurve vergleichen

„Wir führen bei jedem neuen Entwurf im Designprozess eine EM-Modellierung und Validierung durch. Wir vergleichen die berechnete Kurve des äquivalenten Serien­widerstands (ESR) mit der ESR-Kurve, die an einem Prototyp gemessen wurde. Wenn diese Kurven übereinstimmen, können wir die Randbedingungen für stationäre und instationäre Wärmeberechnungen festlegen“, betont Kessler. „Wir können die Temperaturkurven unserer Thermo-Elemente mit den Ergebnissen der Sonden im Comsol Multiphysics-Modell vergleichen. Wenn sie übereinstimmen, können wir alle kritischen Punkte simulieren, an denen wir die Temperaturen in Grenzen halten müssen.“ Die Kurvendaten werden über das Schnittstellenprodukt LiveLink für Matlab in die Comsol Multiphysics-Software übertragen.

„Bevor wir das tun können, müssen wir uns überlegen, welche Faktoren in das Modell einfließen sollen“, sagt Kessler. „Einige der Variablen, die wir vom OEM erhalten, wie die maximale Zwischenkreisspannung, sind für unsere Simulation nicht sehr relevant“, fährt er fort. „Aber der Strom, die Schaltfrequenz, die Werte der E-Maschine und die Modulationsverfahren tragen alle dazu bei, ein Stromspektrum zu definieren. Wir müssen das Stromspektrum für alle drei Phasen unseres Ausgangs berechnen, um die Leistungsverluste zu ermitteln. Danach können wir die harmonische Analyse mit Comsol Multiphysics für die Frequenzen des Stromspektrums durchführen. Dann summieren wir unsere Verluste für jede Oberschwingung“, erklärt Kessler.

Erkenntnisse aus Analysen können zu Designänderungen führen

Weitere wichtige Werte sind die Randbedingungen, die Kessler und seinem Team helfen, gekoppelte Effekte zu bestimmen. „Wir berechnen die parasitäre Induktivität des Kondensators mit dem AC/DC ­Module“, sagt Kessler. „Wir ermitteln auch die komplette AC-Verlustverteilung durch die Kondensatorwicklungen oder die interne Stromschiene. Dann können wir die Ergebnisse koppeln und mit dem Heat Transfer Module die maximale Hot-Spot-Temperatur der Elemente ermitteln, die sich aus der EM-Aktivität ergibt.“

Die Erkenntnisse aus ihren Analysen können dann im Designprozess zu Designänderungen führen. Kessler erklärt, dass jedes neue Kondensator-Design in der Regel drei Test­runden durchläuft. „Bei der Simulation ist der Gradient der Verbesserungskurve von einer Phase zur nächsten viel steiler. Unser Wissen wächst schnell, und das spiegelt sich im Endprodukt wider.“ Die neueste Generation von Bosch-Wechselrichtern verspricht eine sechs Prozent höhere Reichweite und eine um 200 Prozent höhere Leistungsdichte im Vergleich zu früheren Designs.

Der Autor Alan Petrillo ist Content Writer bei Comsol Multiphysics.


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