12.08.2015 – Kategorie: Hardware & IT, Technik

Cloud sei Dank!

de_2015_06_501_queen_mary_2_2

Die Zustandsüberwachung für Maschinen und Anlagen hat sich bewährt. Sie hilft, Fehler rechtzeitig zu entdecken und zu beheben, bevor diese größeren Schaden anrichten können. Doch was, wenn die Maschine kreuz und quer durch alle sieben Weltmeere unterwegs ist? von Dietmar Seidel

Dreihundertfünfundvierzig Meter lang, 41 Meter breit und 148.528 Bruttoregistertonnen schwer: Die Queen Mary 2 beeindruckt. Der 2003 fertiggestellte Luxusliner der britischen Reederei Cunard Line ist eines der größten von Menschen je gebauten beweglichen Objekte und eines der berühmtesten Schiffe der Gegenwart.
Gleich einer schwimmenden Kleinstadt bietet Queen Mary 2 Platz für mehr als 3.000 Passagiere und rund 1.250 Besatzungsmitglieder. Unter Deck ist Platz für 1.310 Kabinen und ein Einkaufszentrum, sieben Restaurants, fünf Schwimmbäder, ein Theater, eine Bibliothek, ein Nachtclub und vieles mehr, damit es den Kreuzfahrtlern nicht langweilig wird. Um solch gewaltige Massen präzise zu bewegen, verfügt die Queen Mary 2 über vier Pod-Antriebe von Rolls-Royce. Zwei Antriebsgondeln sind starr unter dem Rumpf befestigt, die beiden anderen können sich komplett um ihre eigene Achse drehen. Das weltweite größte und leistungsfähigste System dieser Art macht den Koloss extrem wendig und ist besonders in engen Kanälen und kleinen Häfen ein essentieller Vorteil.

Kleinstadt mit Megawatt-Antrieb

In jeder Gondel steckt ein Elektromotor mit einer kurzen Welle zur Propellerlagerung. Ihren Strom beziehen die Elektromotoren aus Generatoren mit einer Gesamtleistung von 118 Megawatt. Davon beansprucht der Antrieb mehr als zwei Drittel: Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 30 Knoten benötigt jede Gondel 21,5 Megawatt. Dennoch ist ein solches Pod-System wesentlich sparsamer, kleiner und vibrationsärmer als ein gigantischer Schiffsdiesel (mit langer Welle durch den Rumpf). Außerdem empfinden die Passagiere die Fahrt als deutlich leiser.
Das Wohlbefinden der betuchten Klientel würde allerdings auch empfindlich gestört, würde der Luxusliner plötzlich liegenbleiben. Neben dem Image-Schaden hätte die Cunard Line auch mit extrem teuren Stillstandszeiten und aufwendigen Reparaturen zu rechnen. Die Reederei tut also gut daran, die Propellergondeln der Queen Mary 2 permanent im Auge zu behalten.

Störungen früh erkennen

Zu diesem Zweck ist jede der vier Gondeln mit einem Zustandsüberwachungssystem von SKF ausgerüstet. Dieses misst kontinuierlich Schwingungen, Temperaturen, Drehzahlen und eine Reihe weiterer Schlüsselparameter. Ungewöhnliche Messwerte meldet das System an das Instandhaltungspersonal an Bord – zusammen mit Empfehlungen für vorbeugende und korrigierende Maßnahmen.
Auf diese Weise kann die Crew Störungen frühzeitig erkennen und ihnen entgegenwirken, bevor sie eventuell schwereren Schaden anrichten oder gar zu Aufenthalten im Trockendock führen.
Um auf „Nummer sicher“ zu gehen, werden die wichtigsten Daten mit Hilfe des SKF-Multilog-Online-Systems IMx-S außerdem an das SKF-Zustandsüberwachungszentrum im schwedischen Luleå beziehungsweise an das Rolls-Royce-Kontrollzentrum übermittelt. Hier sitzen Fachleute, die die Crew an Bord in besonders kniffligen Fällen zusätzlich beraten können. So verfügt das gesamte Wartungspersonal über ebenso umfassende wie aktuelle Infos zum Zustand der Gondelkomponenten, etwa über Wellendurchbiegung, Kavitation, Lagerzustand oder elektrische Störungen. Zur kontinuierlichen Fernüberwachung der Queen Mary 2 ist das Online-System IMx-S via Satellit an die SKF-Cloud angeschlossen.
 „Die Queen Mary 2 ist eines von inzwischen über 600 Schiffen, die wir mit verschiedenen Zustandsüberwachungssystemen ausgestattet haben“, berichtet David Johansson, Head of Strategy and Portfolio Management bei SKF. „Das Spektrum der Anwendungen reicht von kleinen Schleppern über Containerschiffe bis hin zu riesigen Öltankern oder eben auch Luxuslinern.“ Auf diesen Wasserfahrzeugen überwachen die SKF-Systeme neben Antriebsgondeln auch Dampfturbinenanlagen, Turbolader, Getriebe, Gebläse, Kompressoren, Elektromotoren, Pumpen oder Lagereinheiten.

Diese Cloud ist seefest

Je nach Installation kommen dabei mobile, manuelle Geräte (wie beispielsweise Microlog-Datensammler) oder auch hochautomatisierte Online-Systeme (wie das Multilog IMx) zum Einsatz. „Etwa 150 Schiffe sind mit SKF-Systemen für die Fernüberwachung ausgerüstet“, erläutert Johansson. „Rund zwei Dutzend davon hängen direkt an der SKF-Cloud.“ Die Zustandsüberwachung von Schiffen bringt durchaus besondere Herausforderungen mit sich: „Auf der Queen Mary 2 machte uns anfangs die besondere Betriebsumgebung der Gondeln zu schaffen“, erinnert sich Johansson. Die Messwerte werden dort mithilfe von Schleifringen weitergeleitet – eine gebräuchliche Methode zur Signalübertragung von einem festen zu einem rotierenden Gegenstand. Sobald das Schiff jedoch Fahrt aufnimmt oder den Kurs wechselt, ändern sich natürlich auch die Schwingungsmuster in den Gondeln. „Dadurch kann es zu Fehl­alarmen kommen“, erklärt Johansson. „Diese Störungen halten auch nach Abschluss des Manövers noch einige Zeit an und müssen im Überwachungssystem berücksichtigt werden.“
Dank jahrzehntelanger Erfahrung in der Zustandsüberwachung kamen die SKF-Ingenieure auch mit diesen Herausforderungen zurecht: Ein Gating-System erfasst nun die Schiffsgeschwindigkeit, die Wellendrehzahl und den Lenkwinkel und wertet diese mithilfe von regelbasierten Diagnosealgorithmen aus. Das IMx-System schaltet sich erst ein, wenn die Bedingungen für eine „normale“ Überwachung wieder gegeben sind. Auf diese Weise lassen sich Fehlalarme vermeiden.

Fazit

Die Fernüberwachung durch das Online-System IMx-S macht Schiffe wie die Queen Mary 2 zuverlässiger. Außerdem hilft sie den im harten internationalen Wettbewerb stehenden Schiffseignern, die Betriebs- und Instandhaltungskosten erheblich zu senken. Auch die Umweltverträglichkeit lässt sich durch die Zustandsüberwachung deutlich verbessern. Denn optimal gewartete Maschinen geben weniger Fett und Öl an die Umgebung ab, arbeiten effizienter und verbrauchen weniger Energie. Und nicht zuletzt macht sie die Arbeit unter Deck sicherer, da sich die Mannschaft seltener in gefährliche Bereiche begeben muss.jbi |

Dietmar Seidel ist Leiter Fachpresse & Corporate Publishing bei SKF in Schweinfurt.


Teilen Sie die Meldung „Cloud sei Dank!“ mit Ihren Kontakten:


Scroll to Top