12.10.2015 – Kategorie: Hardware & IT
CFD-Simulation unterstützt Schleppversuche
Schlepptankversuche stellen eine wichtige Methode dar, um die Antriebsenergie bei Schiffen zu bestimmen. Die Strömungssimulation (CFD) kann ein nützliches Werkzeug sein, um Schlepptanktests zu unterstützen oder gar zu ersetzen. Vergleiche von Simulationen mit der Lösung STAR-CCM+ und Schlepptankversuchen zeigten nur kleine Abweichungen, die meist im Bereich weniger Prozentpunkte lagen. Von Stephen Ferguson
Seit der erste kommerzielle Forschungstank im Jahr 1883 eröffnet wurde, waren Schlepptanks für den Schiffbauer eine zuverlässige Methode, die Leistungsfähigkeit eines Schiffs im Wasser vorherzusagen. Schlepptanks werden für gezogene und selbstangetriebene Modelle für Widerstands- und Antriebstests genutzt. So lässt sich die Antriebsenergie bestimmen, die notwendig ist, um die zwischen Werft und Schiffseigner vertraglich vereinbarte Geschwindigkeit zu erreichen.
Die Leistung eines Schiffs hängt von der hydrodynamischen Interaktion zwischen dem Schiffsrumpf, dem Antriebssystem und dem Steuerruder ab, die alle gemeinsam mit der Umgebung interagieren. Die Strömung am Rumpf beeinflusst die Strömung hinter dem Ruder, die wiederum das Strömungsumfeld des Propellers. Zwar lassen sich nützliche Erkenntnisse für das Design auch in individuellen Experimenten oder Simulationen gewinnen. Um jedoch die Leistung eines Schiffs im Betrieb sehr detailliert vorhersagen zu können, muss man alle drei Komponenten in einem System zusammenfassen. Besonders wichtig ist dies bei der Entwicklung energieeffizienter „grüner“ Schiffe, die aufgrund gesetzlicher und ökonomischer Vorgaben eine immer stärkere Nachfrage erfahren. Energieeinsparungen im Rahmen weniger Prozentpunkte können die operative Wirtschaftlichkeit eines Schiffs deutlich beeinflussen.
CFD als Alternative
Allerdings sind die Kosten und der Aufwand für den Bau eines Modells und den entsprechenden Versuch sehr hoch, so dass Schlepptankversuche erst in einem sehr späten Stadium des Produktentwicklungszyklus stattfinden. Sie werden eingesetzt, um ein festgelegtes Design zu verifizieren und feinzutunen, statt technische Daten zu liefern, die die Entwicklung positiv beeinflussen könnten. Außerdem weist jede experimentelle Untersuchung im Modellmaßstab aufgrund von Ungenauigkeiten bei der Skalierung im Originalmaßstab gewisse Unsicherheiten in Bezug auf die tatsächliche Performance des Schiffs auf. Strömungssimulation (Computational Fluid Dynamics, CFD) wird seit langem als zuverlässige Alternative zu Schleppversuchen angeboten, sozusagen als „numerischer“ Schlepptank in einer früheren Phase des Entwicklungsprozesses. Schiffsbauer können so die CFD-Daten nutzen, um von Anfang an das Design zu beeinflussen und zu verbessern. Darüber hinaus ist die Genauigkeit der berechneten Ergebnisse unabhängig von der Skalierung.
Allerdings war der Einsatz dieser Technologie bis vor kurzem durch eine Reihe von Limitierungen im CFD-Simulationsprozess eingeschränkt. Im Folgenden wird beschrieben, wie Fortschritte sowohl im CFD- als auch im Hardwarebereich diese Limitierungen aufheben, und ob komplett ausgestattete numerische Schlepptanks inzwischen eine realistische Alternative sind.
Herausforderung: Vernetzung
CFD-Simulationen lösen die grundlegenden Gleichungen der Fluiddynamik mit Hilfe eines Prozesses namens „Diskretisierung“. Dieser unterteilt das von den Fluiden (Wasser und Luft) eingenommene Volumen rund um das Schiff in viele kleinere Kontrollvolumina – bekannt als Berechnungszellen (computational cells). Je nach eingesetzter Software können diese Kontrollvolumina Tetraeder (Pyramide mit vier Flächen), Hexaeder (Blöcke mit sechs Flächen) oder Polyeder (Volumen mit einer beliebigen Flächenanzahl) sein.
Die Definition des Berechnungsgitters ist einer der wichtigsten Abschnitte im CFD-Simulationsprozess und immer ein Kompromiss zwischen Genauigkeit und Rechenzeit.
Einfach ausgedrückt, liefert ein feines Gitter aus sehr vielen, sehr kleinen Zellen ein genaueres Ergebnis als ein grobes Gitter mit größeren Zellen. Allerdings benötigt eine größere Anzahl an Zellen einen höheren Rechenaufwand, mehr Computer-Ressourcen und eine längere Rechenzeit als ein grobes Gitter. Die verfügbaren Computer-Ressourcen für eine bestimmte Simulation sind begrenzt und die Ergebnisse sollen sinnvollerweise in einer endlichen Zeit zur Verfügung stehen. Deshalb müssen CFD-Ingenieure sich entscheiden, wie sie ihre Zellen sinnvoll verteilen – kleine Zellen in Bereichen mit großen Änderungen, beispielsweise nahe am Rumpf und im Nachlauf, größere Zellen in einiger Entfernung.
In der Vergangenheit war es eine Herausforderung, ein Berechnungsgitter zu erstellen, das fein genug war, um den Rumpf, das Ruder und den Propeller in einer einzigen Simulation aufzulösen. Deshalb sahen sich die Ingenieure oft gezwungen, einzelne Komponenten in getrennten Simulationen zu berechnen und ihre Wechselwirkung über Randbedingungen zu simulieren.
Aktuelle Entwicklungen in den Bereichen automatische Vernetzungstechnologie (die mit minimalem manuellen Eingreifen qualitativ hochwertige Gitter erzeugt), Computer-Hardware (die preiswerte Rechen-Ressourcen bietet) und Lizenzierung (die die Kosten von Rechenläufen auf mehreren Prozessoren reduzieren) ermöglichen Tests des Antriebs und der Manövrierfähigkeit.
Herausforderung: Physik von Wellen und Wasser
Um die Leistungsfähigkeit eines Schiffs genau vorhersagen zu können, muss die numerische Simulation sowohl den Einfluss des Schiffs auf das umgebende Wasser (Nachstromsimulation) berücksichtigen als auch den wachsenden Widerstand durch Wellen. Dies ist wesentlich schwieriger zu berechnen als „Single-Fluid“-Simulationen, wie sie bei Flugzeugen, Landfahrzeugen oder Unterwasserschiffen vorkommen.
Viele CFD-Tools verwenden die „Volume-of-Fluid“-Methode, bei der Zellen, die Wasser enthalten, der Wert „1“ zugewiesen wird, während Zellen, die Luft enthalten, den Wert „0“ erhalten. In Zellen mit „1“ werden die physikalischen Eigenschaften von Wasser angewandt, in Zellen mit „0“ die Eigenschaften der Luft.
Die Lösung STAR-CCM+ von CD-adapco verwendet das „High-Resolution-Interface-Capture“-Verfahren, um die freie Oberfläche zwischen Wasser und Luft genau zu ermitteln. Dies ist notwendig, um die freie Oberfläche ausreichend scharf abzubilden und Zellen mit Werten zwischen „0“ und „1“ zu vermeiden. Diese Methode stellt sicher, dass die Wechselwirkung zwischen Rumpf und freier Oberfläche präzise abgebildet wird. Zudem bietet die CFD-Software eine Reihe von Wellenmodellen höherer Ordnung, die es ermöglichen, das Schiffsmodell in realistischen Szenarien auf See zu analysieren.
Nicht zuletzt enthält STAR-CCM+ ein gut validiertes Kavitationsmodell, mit dem sich vom Propeller verursachte Phasenübergänge vorhersagen lassen.
Herausforderung: Bewegung des Schiffs
Im Gegensatz zur Simulation von Flugzeugen oder Straßenfahrzeugen, die sich unter idealen Bedingungen in einer Richtung vorwärts bewegen, wird die Vorwärtsbewegung eines Schiffs stark vom umgebenden Seegang beeinflusst. Sogar bei glattem Wasser ist die dynamische Position des Schiffs – relativ zur Oberfläche (Tiefgang und Trimm) – entscheidend für eine realistische Simulation des Widerstands. In rauer See muss man die vollständige Bewegung des Schiffs mit sechs Freiheitsgraden realistisch modellieren, da das Schiff in den auflaufenden Wellen eintaucht, rollt und stampft.
STAR-CCM+ berücksichtigt die Schiffsbewegung in sechs Freiheitsgraden automatisch. Das „Dynamic-Fluid-Body-Interaction“-Modell integriert die Kräfte, die auf das Schiff wirken in jedem Zeitabschnitt und korrigiert dessen Position entsprechend.
„Korrigieren der Position“ bedeutet, das Gitter zu verschieben, was in der Vergangenheit nur sehr schwer möglich war, obwohl eine ganze Reihe entsprechender Methoden entwickelt wurden. Bei relativ geringen Bewegungen lassen sich die Knotenpunkte der Zellen Schritt für Schritt bewegen. Bei größeren Bewegungen ist dies nicht möglich, weil einzelne Zellen dabei sehr stark deformiert werden, was zu Ungenauigkeiten in der Simulation oder gar zu deren Scheitern führen kann.
Die CFD-Software von CD-adapco bietet eine Lösung mit „Overset“- oder „Chimera“-Gittern, also überlappenden Gittern. Dabei ist das Gitter um den Schiffsrumpf herum unabhängig vom Gitter, das das Meer darstellt. Dies ermöglicht, dass sich das simulierte Schiff soweit wie notwendig bewegen lässt. Zudem kann man so die Interaktion zwischen mehreren Schiffen oder Objekten modellieren, beispielsweise ein Schiff, das im Nachstrom eines anderen Schiffs fährt. Schließlich lassen sich auf diese Weise die Bewegungen des Propellers und des Ruders sowie die Verstellung der Propellerschaufeln im Zusammenhang mit der Schiffsbewegung modellieren. Dies ermöglicht robuste und sehr genaue Antriebs- und Manöversimulationen.
Ausblick
Nachdem die drei wichtigsten Herausforderungen bei der Nachbildung realer Leistungstests gelöst wurden, kann CFD heute ein nützliches Werkzeug sein, um Schlepptanktests zu unterstützen oder gar zu ersetzen. Vergleiche zwischen STAR-CCM+-Simulationen und Schlepptankversuchen zeigten eine sehr gute Korrelation zwischen den beiden Methoden mit Abweichungen, die meist im Bereich weniger Prozentpunkte lagen. Darüber hinaus vermeiden CFD-Simulationen die Unsicherheiten, die die Skalierung der Versuche unweigerlich mit sich bringt.
Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass man bei Schiffen in der nächsten Zukunft keine Schlepptankversuche mehr durchführt, nutzen Schiffbauer und -designer heute schon CFD als Teil des Entwicklungsprozesses. Richtig eingesetzt, reduziert die Simulation Anzahl und Kosten physikalischer Schlepptankversuche, indem es bessere und optimierte Designs ermöglicht, die weniger Modifikationen benötigen, bis sie die Vertragsbedingungen erfüllen.
In bestimmten Bereichen der Industrie, beispielsweise bei der Entwicklung von Hochleistungs-Segelschiffen für den America’s Cup lösten die Ingenieure Schlepptankversuche gänzlich durch CFD ab. Die Siegeryacht des 37. America’s Cup wurde ebenso mit STAR-CCM+ entwickelt wie die Yachten von Ben Ainslie Racing und Luna Rossa für den nächsten Wettbewerb.
Was wird die Zukunft bringen? Im Gegensatz zu Schlepptanks lassen sich CFD-Simulationen sehr einfach automatisieren, wenn man einen robusten Prozess für die Leistungssimulation von Schiffen entwickelt hat. Dies ermöglicht zum einen die automatische Designraumanalyse, in der das Schiff in der Simulation einer breiten Palette von Umweltbedingungen ausgesetzt ist. Zum anderen erlaubt es die Optimierung, bei der man die in vorgelagerten Simulationen erkannten Defizite ausgleicht.
Die breite Anwendung dieses Ansatzes wird nicht nur zu innovativen und effizienten Schiffen führen – und das bei geringeren Entwicklungskosten – sondern auch zu robusteren Schiffen, die numerisch in mehr realen Situationen getestet wurden, als dies jemals in Schlepptanktests möglich gewesen wäre. rt |
Stephen Ferguson ist Marketing Director bei CD-adapco.
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