16.08.2022 – Kategorie: Fertigung & Prototyping
CAM-Automatisierung: Wie die digitale Prozesskette davon profitiert
Das CAM nimmt mit seinen Automatisierungs- und Simulations-Möglichkeiten heute in der digitalen Prozesskette eine zentrale Rolle ein. Wie kommt es dazu und was ist möglich?
CAM-Automatisierung als Lösung? Fachkräftemangel, Kostendruck, Qualitätssteigerung oder die Fertigung variantenreicher Produkte in kleinen Stückzahlen – es gibt verschiedene Treiber der Digitalisierung in der zerspanenden Fertigung. Dabei existieren verschiedene Ansatzpunkte für Digitalisierung: von der Produktionsplanung bis zur Vernetzung von Werkzeugmaschinen, die mit Sensoren Verschleiß erkennen und bei der Planung der Wartung helfen. Auch der CAM-Software kommt eine immer wichtigere Rolle bei der weiteren Automatisierung und Digitalisierung zu.
Ein Meilenstein war die automatische Erzeugung von NC-Code, indem CAD-Daten in Werkzeugwege übersetzt werden konnten. Auch Techniken wie die 5-Achs-Simultanbearbeitung sind ohne CAM-Unterstützung kaum denkbar. Vor allem die bidirektionale Kommunikation mit Maschinen eröffnet heute neue Möglichkeiten.
CAM-Automatisierung: NC-Code basierte Simulation
CAM-Programme sind längst in der Lage, die Bearbeitung zu simulieren, um zu vermeiden, dass die errechneten Werkzeugwege zu Kollisionen im Arbeitsraum der Werkzeugmaschine führen. Ein Beispiel ist die NC-Code-basierte Simulationslösung zur CAM-Automatisierung HyperMill Virtual Machining von Open Mind. Ziel ist eine prozesssichere und hocheffiziente digitalisierte Fertigung.
Erhält die Software eine Rückmeldung darüber, wie das Modell in der Maschine umgesetzt wurde, kann sie einen digitalen Zwilling der Bearbeitungssituation erzeugen. Simulationen finden dabei auf Basis realer Maschinen- und NC-Daten statt. NC-Code wird nicht nur generiert, sondern simuliert und optimiert. Die virtuelle Maschine schließt die Lücke zwischen der digitalen Welt der Arbeitsvorbereitung und der physischen Welt der Zerspanung. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, Fehler auszuschließen und die Prozesssicherheit zu erhöhen.
Komplexe Zusammenhänge
Es gibt häufig verschiedene Möglichkeiten, Zerspanungsaufgaben anzugehen. Unnötig komplizierte Lösungen lassen sich vermeiden, indem zum Beispiel auch in 5-Achs-Maschinen nur 5-Achs-simultan gefertigt wird, das nicht mit weniger Achsen realisierbar ist. Auf Basis eines digitalen Zwillings lässt sich bis ins letzte Detail optimieren.
Das Modul Optimizer beispielsweise findet für Mehrachsbearbeitungen automatisch die technisch beste, kollisionsgeprüfte Anstellung mit effizienten Verfahrbewegungen. Aufgrund der hohen Komplexität wäre es bei der manuellen Optimierung der Achsenpositionen schwierig, die Auswirkungen auf alle folgenden Bearbeitungsschritte zu erkennen und Entscheidungen zum Gesamtoptimum zu treffen. Algorithmen können hingegen komplette Bearbeitungsfolgen analysieren, dabei Achsenlimitationen berücksichtigen und zu einem wirtschaftlichen und sicheren Maschinenlauf führen.
Beim Thema der flexiblen Zuweisung von Fertigungskapazitäten bietet der Optimizer einen riesigen Vorteil: Es lässt sich mit demselben CAM-Programm auf sehr unterschiedliche Bearbeitungszentren fertigen. CAM-Programme können völlig maschinenneutral angelegt werden, da die Anpassung an die letztlich verwendete Maschine inklusive Kollisionsprüfung automatisiert in der Simulationssoftware erfolgt.
Automatische Anpassung
Es gibt Aufgaben, die sehr viel Erfahrung, Fingerspitzengefühl und Geduld erfordern. Dazu gehört die Ausrichtung eines bereits bearbeiteten Werkstücks in der Aufspannung. Dies ist beispielsweise erforderlich, um im 3D-Druck erzeugte, gegossene, geschmiedete oder geschweißte Rohteile mit geringen oder unregelmäßigen Aufmaßen zur Nachbearbeitung oder Weiterbearbeitung auszurichten. Die manuelle Ausrichtung ist zeitaufwendig und fehleranfällig.
Ganz anders mit der Funktion „Best Fit“. Statt das Rohteil in der Aufspannung passend zum NC-Programm manuell mit Messuhr, Steuerungszyklen und viel Feingefühl ausrichten zu müssen, justiert das CAM-System das NC-Programm automatisch passend zur Bauteilposition. Dabei wird das unausgerichtete Rohteil mit einer 3D-Messung auf der Maschine angetastet.
Die virtuelle Welt der Programmierung wird hier also an die reale Welt der Aufspannung angeglichen und nicht umgekehrt wie bisher. Der korrigierte NC-Code wird danach in der virtuellen Maschine noch auf der tatsächlichen Aufspannsituation simuliert und automatisch optimiert.
Bilder: Open Mind
CAM-Automatisierung ist Teil der digitalen Prozesskette
Wie diese Beispiele zeigen, verstehen CAM-Hersteller ihre Software zunehmend als Teil einer Prozesskette. Der Einsatz leistungsfähiger Werkzeugmaschinen und die verschiedenen (Digitalisierungs-)Maßnahmen zur Effizienzsteigerung in der Fertigung insgesamt und der Auslastung der Fräszentren im Speziellen führt in mehr Unternehmen zur Umkehrung bisheriger Verhältnisse. War bisher die Verfügbarkeit von Maschinenkapazitäten der begrenzende Faktor, so wird immer häufiger die Arbeitsvorbereitung zum Flaschenhals.
CAM-Programmierer kommen nicht mehr hinterher, die Beschleunigung der CAM-Programmierung wird zur Herausforderung. Tatsächlich hilft auch hier die CAM-Automatisierung weiter. Die Möglichkeiten, ähnliche Arbeitsschritte zu standardisieren gehen weit über die bisherigen Programmierhilfen wie Makros und Feature-Erkennung hinaus. Werkstücke sind sehr unterschiedlich, entstehen aber in ähnlichen Arbeitsschritten, die anhand der Elemente, die ein CAD-Modell enthält, standardisiert werden können. Die Schritte für die Datenaufbereitung und Programmierung bis hin zur Simulation und NC-Programmerstellung können festgelegt werden.
Der definierte Fertigungsprozess wird auf neue Bauteile angewandt und automatisch durchlaufen. Was nicht vom automatischen Prozess entschieden werden kann, wird dann vom Anwender interaktiv während des Programmlaufs festgelegt. Es lassen sich zeitsparende Prozesse mit unterschiedlich weitgehender Automatisierung definieren. Am einfachsten ist das, wenn es um Varianten eigener Produkte geht.
Es gibt aber bereits ein Fallbeispiel, in dem ein Auftragsfertiger, der beliebige CAD-Zeichnungen über ein Internetportal entgegen nimmt, seine Prozesse automatisiert hat. Bisherige Nutzer der Funktion schätzen neben der Zeitersparnis auch die Möglichkeit, einheitliche Design-Regeln und optimierte Verfahren festzulegen.
Der Autor Marcus Planckh ist PR Redakteur in München.
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