11.07.2022 – Kategorie: Fertigung & Prototyping

Automatisierungslösung: Wie KI die Produktion verändern kann

AutomatisierungslösungQuelle: Micropsi

Im Zeitalter der Individualisierung ändern sich Kundenwünsche stetig und führen zu kürzeren Produktlebens­zyklen und schnell wechselnden Marktanforderungen. Wie können neue KI-basierte Automatisierungslösungen weiterhelfen?

Die heutige Marktvolatilität verlangt von Herstellern, ihre Produktionsprozesse agil an ihre Umwelt anzupassen, zum Beispiel durch eine Automatisierungslösung. Um weiterhin kosteneffizient zu produzieren, müssen Hardware-Lösungen zunehmend durch Software erweitert werden. Lösungen, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basieren, werden zum Schlüssel-Faktor für künftigen Erfolg.

Herausforderung für die Automatisierungslösung: Die Märkte

Das produzierende Gewerbe sieht sich mit zahlreichen Herausforderungen aus dem Markt konfrontiert: Der Wunsch nach individuellen Produkten steigt ebenso wie der Qualitätsanspruch stetig zunimmt. Zugleich erwarten Kunden immer kürzere Lieferzeiten und ein wechselndes Angebot. Wer diesen Ansprüchen nicht gerecht wird, verliert auf lange Sicht gegen die Konkurrenz. Gleichzeitig soll der bereits spürbare Arbeitskräftemangel laut dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in den kommenden Jahren weiter drastisch zunehmen.

Die Expertise von Fertigungsentwicklern und -konstrukteuren ist daher gefragter denn je. Die Aufgabenstellung lautet: Wie lassen sich unter den gegebenen Voraussetzungen Prozesse agil planen, optimieren und im Idealfall automatisieren?

Unflexible Systeme hemmen die Automatisierung

Herkömmliche Automatisierung ist nicht immer eine geeignete Lösung: Bei einer High-Mix-Low-Volume-Fertigung sind Lösungen wie Industrieroboter meist nicht rentabel. Zu viel Zeit muss in Programmierung, Rekonfiguration und Kontrolle investiert werden. Sind Fertigungsschritte zudem noch sehr vielfältig, stoßen konventionelle Roboter an ihr Limit.

Je komplexer die Herstellung ist, desto komplexer muss auch die Hardware sein. Durch die korrelierenden Kosten lohnen sich speziell geplante Sondermaschinen jedoch nur bei hohen Stückzahlen und langen Produktlebenszyklen. Bei kleinen Losgrößen ist nach wie vor der Mensch gefragt, jene Aufgaben in der Fertigung zu übernehmen, für die Kollege Roboter zu unflexibel oder die Maschine zu teuer ist.

Dieses Problem wird auch als „Flexibility Gap“ (Flexibilitätslücke) bezeichnet. Mitarbeitende übernehmen an Handarbeitsplätzen bestimmte Tätigkeiten, da nur sie über die entsprechende Flexibilität verfügen. Sie können mit Varianzen, zum Beispiel in Form, Position oder Beschaffenheit der Werkstücke umgehen oder kurzfristig nötige Änderungen im Fertigungsprozess umsetzen. Was aber tun, wenn gut ausgebildete Mitarbeitende fehlen und Arbeitsplätze unbesetzt bleiben?

Automatisierungslösung: Software-first-Ansatz als Antwort

Statt auf immer komplexere und teurer werdende Hardware zu setzen, ist die Kombination mit Software der Schlüssel zu einer agilen und kosteneffizienten Produktion. Die Fortschritte in der KI, vor allem im Teilbereich des Maschinellen Lernens (ML), bieten Betrieben effiziente Möglichkeiten, Prozesse und Produkte zu planen und zu fertigen.

Beispielsweise unterstützt ML bereits in der Überwachung und Wartung von Produktionsanlagen. Auch das Wissensmanagement greift für die Auswertung von internen Informationen auf ML zurück. Daten von Fertigungslinien, Lieferketten und Produkten werden für die Produktentwicklung, für neue Geschäftsmodelle und strategische Entscheidungen ausgewertet.

Seit Kurzem kann Software auch die Flexibility Gap schließen: Der Zusammenschluss von Robotik und KI ermöglicht die Automatisierung auch von Handarbeitsplätzen. Mit KI-Steuerungen basierend auf einer Kamera und ML, erlangen Roboter eine Auge-Hand-Koordination und damit eine Flexibilität, die, bezogen auf die Aufgabe, mit der eines Mensch vergleichbar ist.

KI und Robotik ermöglichen Umgang mit Varianzen

Ein solches Robotersystem versteht bei neuen Aufgaben, bei anders geformten oder positionierten Werkteilen oder vergleichbaren Varianzen schnell, was es zu tun hat und passt bei Bedarf seine Bewegungen in Echtzeit eigenständig an. Ob es sich um das Picken einzelner Teile, Zustellbewegungen oder Fügen und Verfolgen handelt: Zahlreiche Tätigkeiten sind mit einer Kamera am Roboter-Handgelenk und ML umsetzbar.

Ein Roboter in Kombination mit einer KI-Steuerung wie Mirai von Micropsi Industries lässt sich dabei durch menschliche Demonstration in wenigen Stunden trainieren. Weder KI- noch Programmierkenntnisse sind für die Automatisierungslösung erforderlich. Dem Roboter muss dafür das Ziel einige Male in typisch vorkommenden Varianzen mit der Kamera gezeigt werden. Bei neuen Aufgaben ist die KI in Kürze neu trainiert und umgerüstet. Selbst eine High-Mix-Low-Volume-Fertigung zu automatisieren, lohnt sich mit intelligenten Robotersystemen – auch unter zeitlichem Druck.

ZF automatisiert Werkstückaufnahme

Unter Zeitdruck zu fertigen, ist besonders in der Mobilitätsbranche eine Prämisse für Erfolg. Auch das Unternehmen ZF stand vor der Herausforderung, Flexibilität und Präzision unter einen Hut zu bringen und die Werkstückzufuhr einer großvolumigen Frässtation, in der Zahnräder produziert werden, zu automatisieren.

Im Werkprozess werden Metallringe aus einer Kiste entnommen und auf ein Förderband gelegt, um später in die Produktion der Zahnräder einzufließen. Die Schwierigkeit: Der Produktionsschritt ist sehr variantenreich, da sich die Ringe in der angelieferten Gitterbox verschieben und dadurch zufällig angeordnet sein können. Auch Platzierung und Form der Box variieren. Wechselnde Lichtverhältnisse stellen eine zusätzliche Herausforderung dar. Außerdem ist die Oberfläche der Ringe metallisch glänzend, teilweise ölverschmiert oder korrodiert, was eine klassische Automatisierung unmöglich machte.

Heute ist bei ZF die KI-Steuerung Mirai und ein kollaborierender Roboter von Universal Robots in einer automatisierten Werkstückaufnahme im Einsatz. Mit seiner eigenen Steuerung bringt sich der Cobot über den Ringen in der Kiste in Position. Nun übernimmt das KI-System die Kontrolle: Es bewegt den Roboter selbstständig zum nächsten Ring und bringt den Greifer in die korrekte dreidimensionale Greifposition. Danach übernimmt der Roboter wieder, nimmt den Ring auf und bewegt ihn zum Ablegen auf das Förderband. Das komplette Einrichten des Roboters dauerte lediglich wenige Tage – die KI-Steuerung löste in kürzester Zeit ein lang bestehendes Problem.

Automatisierungslösung
Entwicklern von Fertigungsprozessen und Automatisierungen steht mit einer KI-basierten Steuerung ein neues Tool zur Verfügung, das hilft, manuelle Tätigkeiten auch bei zunehmender Varianz einzusparen. Bild: Micropsi

Automatisierungslösung: Intelligente Robotik bei Siemens Energy

Siemens Energy stand ebenfalls vor dem Problem, einen Prozessschritt mit konventionellen Lösungen nicht automatisieren zu können. Bei der Aufarbeitung von Gasturbinenschaufeln müssen Bohrungen mit Lötpaste verschlossen werden. Die Aufgabe ist aus mehreren Gründen komplex.

Die Positionen der Bohrungen auf der Schaufel weichen aufgrund von Temperaturverformungen der Schaufel ab. Die Dosierung der Lötpaste gestaltet sich mühsam und monoton, da Hunderte von Bohrungen zu füllen sind. Es dauert Stunden, bis ein Mensch dies erledigt hat. Die Schaufeln selbst gibt es in verschiedenen Ausführungen und unterschiedlichen Verschleißzuständen.

Ein Cobot, ausgestattet mit der KI-Steuerung von Micropsi, konnte bei Siemens Energy schnell und verlässlich Abhilfe schaffen. Dazu führt der Roboter die Dosiernadel in die Bohrungen der Turbinenschaufel ein und überwindet dafür mitunter die Varianzen bei Form und Zustand der Schaufeln. Die KI übernimmt die Bewegung der Nadel von einer Bohrung zur nächsten und das präzise Einsetzen der Nadel in die Bohrungen. Die Steuerung des Roboters leitet anschließend das Auftragen der Lötpaste und andere vorgegebene Teile der Aufgabe, die sich programmieren lassen.

KI unterstützt bei Planung und Umsetzung

Um im volatilen Umfeld zu bestehen, sind Hersteller aus allen Branchen auf eine flexible und wirtschaftliche Automatisierungslösung angewiesen. Entwickler und Konstrukteure sollten deren Planung allerdings aus einem neuen Blickwinkel betrachten: Statt nur auf komplexe und teure Hardware-Lösungen oder Handarbeitsplätze zu setzen, bietet ergänzende Software die notwendige Agilität. Künstliche Intelligenz unterstützt nicht nur bei der Planung von Fertigungsprozessen. Neue Technologien wie KI-basierte Robotersteuerungen ermöglichen auch eine immer einfachere und schnellere Automatisierung auch komplexer Tätigkeiten. Sie entwickeln sich damit zum Schlüssel für den künftigen Erfolg.

Der Autor Maximilian Mutschler ist VP Sales bei Micropsi Industries.

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