23.11.2020 – Kategorie: Konstruktion & Engineering

Angebotssoftware für komplexe Montageanlagen – ganz ohne copy & paste

Angebotssoftware

Mit einer neuen Angebotssoftware konnte der Maschinen- und Anlagenbauer VAF seine Projektierungsprozesse deutlich beschleunigen. Das CPQ-System ersetzt die zuvor verwendeten Office-Programme und berücksichtigt die speziellen Anforderungen im Bereich Montagetechnik.

Die im baden-württembergischen Bopfingen ansässige VAF GmbH baut teil- und vollautomatisierte Montagelinien für sämtliche Komponenten des Fahrzeugantriebs. Gemeinsam mit Automobilherstellern wie VW, Daimler, Opel und MAN entwickelt das mittelständische Unternehmen individuelle Sonderlösungen. Dabei kommt es vor allem darauf an, dass der Spagat zwischen dem kostengünstigen Standard und den individuellen Werksanforderungen des Kunden gelingt. Dazu brauchte es eine passende Angebotssoftware.

Projektierung in der Montagetechnik

Im Bereich Montagetechnik sind die Anforderungen bei der Projektierung von maßgeschneiderten Lösungen im gesamten Angebotsprozess sehr hoch. Sie gehen über das Leistungsvermögen üblicher Configure-Price-Quote-Lösungen (CPQ) hinaus. Zum einen erfolgt die Anlagenprojektierung meist parallel zur Entwicklung des zu montierenden Produkts. Zum anderen beträgt die Zeit vom Erstgespräch bis zum finalen Angebot oft viele Monate mit einigen Überarbeitungsschleifen bei Engineering und Kalkulation. Die Mitarbeiter benötigen daher Unterstützung bei der Revisionierung der Daten und Dokumente. Dazu muss das CPQ-System zuverlässig abbilden, wer was zu welchem Zeitpunkt verändert hat.

Eine weitere Herausforderung: Der Anbieter muss ist in der Projektierungsphase flexibel bleiben, denn die Marktmacht des potenziellen Auftraggebers ist groß. Ein Automobilhersteller will seine spezifischen Werksnormen und Standards umgesetzt sehen. Daher sind die Möglichkeiten, Lösungen per Produktkonfigurator zu erzeugen, in der Montagetechnik eingeschränkter als in anderen Bereichen des Maschinen- und Anlagenbaus.

Copy & Paste möglichst vermeiden

In einem ersten Gespräch zwischen den Projektteams bei VAF und EAS Engineering Automation Systems wurden diese speziellen Anforderungen an eine Angebotssoftware definiert. Viele davon waren bereits in der CPQ-Software Leegoo Builder Engineering Edition G3 realisiert. Andere flossen im Rahmen der Systemeinführung als Erweiterungen in die Standardsoftware ein.

Die nachfolgend aufgezeigten Prinzipien beschreiben mögliche Arbeitsweisen, die sich je nach Anwendungsfall kombinieren lassen. Beispielsweise macht es die Ähnlichkeitstechnik möglich, per Copy&Paste auf bereits projektierte Lösungen zurückzugreifen. Bei Anwendung von Office Programmen ist das die gängige Arbeitsweise. Diese Technik ist zwar weiter wichtig, sollte aber möglichst wenig verwendet werden. Ein unterstützendes Projektierungs- und Angebotssystem muss umfassende Möglichkeiten bieten, um bereits bestehende Lösungen finden, beurteilen und wiederverwenden zu können. Aber Vorsicht: Wer alte Lösungen verwendet, übernimmt eventuell Individualismen und Fehler der Vorgängerlösung. Auch konstruktive Verbesserungen sind in der Ausgangslösung oft noch nicht enthalten. Gute Gründe, Copy&Paste nur anzuwenden, wenn es keine anderen Möglichkeiten gibt.

Vordefinierte Musterlösungen in der Angebotssoftware

Eine effizientere Projektierung verspricht der Einsatz von Templates als vorkonfigurierte Musterlösungen, die als Kopiervorlagen für ein Projekt ausgewählt und verwendet werden. Derartige Musterlösungen können konkrete Equipmenttypen betreffen, etwa eine Montagestation mit Pick-&-Place-Roboter. Sie können aber auch als Maximallösung mit alternativen Komponenten aufgebaut werden, in der der Anwender nicht benötigte Komponenten nach der Übernahme streicht. Das reduziert die Gefahr, etwas zu vergessen. Zu den Komponenten dieser Musterlösungen werden Mengengerüstdaten wie Gewichte, Kosten, Stunden usw. hinterlegt. Das ist stammseitig aber für eine Funktionsbaugruppe fachlich nicht möglich, weil die Funktion keine konkrete Ausprägung definiert.

Angebotssoftware
Die CPQ-Software Leegoo Builder Engineering Edition G3 hilft VAF, Angebote für Montage­anlagen schnell und fehlerfrei zu erstellen. Bild: EAS Engineering Automation Systems

Das heißt: Welche Aufwendungen ein bestimmter Greifer im Projektfall hat, kann nicht vorab stammseitig hinterlegt werden. Auch bei den Rahmenbedingungen der Montagetechnik lassen sich Module aus definierten Bausteinen aufbauen. Solche Bausteine in Baukästen der Sondermaschinen- und Anlagenbauer sind meist mehr als Funktionsbaugruppen zu verstehen und weniger als fixierte Standardbaugruppen. Das zeigt das Beispiel Greifer: In einer roboterbasierten Montagezelle werden Greifer benötigt. In einer frühen Phase der Projektierung ist dazu nichts oder wenig bekannt (z.B. das ungefähre Werkstückgewicht).

Die Modularisierung von solchen Produkten muss anderen Rahmenbedingungen gerecht werden, als etwa die Modularisierung einer Familie von Vertikalfräsmaschinen. Dort gibt es viele Optionen mit fertig konstruierten Subsystemen oder Komponenten, und es bieten sich Baureihen mit Baugrößen an, um zu konfigurierbaren Produkten zu kommen. Dennoch belegen mehr als 20 Jahre Projekterfahrung bei EAS, dass der Einsatz von Produktkonfiguratoren in der Montagetechnik für bestimmte Equipments sinnvoll ist.

Anbieter für Angebotssoftware sorgfältig ausgewählt

Die Implementierung des CPQ-Systems organisierte VAF nach bewährtem Muster: Anfangs definierte das Unternehmen ein eigenes Projektteam. Die wesentlichen Anforderungen der Montagetechnik wurden zunächst sorgfältig und praxisgerecht aufgelistet. Es folgte eine Marktanalyse, in der sich die Zahl der möglichen Softwarelieferanten auf wenige Anbieter reduzierte. Mit diesen Anbietern glich das VAF-Team die eigenen Anforderungen mit den Konzepten und Funktionsumfängen der CPQ-Lösungen ab.

„VAF wusste immer genau, was sie wollen,“ berichtet Diethard Struck von EAS. „Das war nicht immer leicht, aber doch umso zielführender. In der Montagetechnik hilft es nicht, Folien aufzulegen. Es muss aufgezeigt werden, wie die einzelnen Projektierungsschritte im System umgesetzt sind oder noch umgesetzt werden. Und dann wird die Arbeitsweise mit dem CPQ-System Schritt für Schritt an realen Beispielen erprobt.“ Wenn dabei ein neuer Funktionsbedarf deutlich wird, ergeben sich neue Detailaufgeben, um das System anzupassen.

VAF ist es mit der Einführung des CPQ-Systems gelungen, spezielle Werksanforderungen durch Customizing umzusetzen, ohne den Standard zu verlassen. Die Angebotssoftware projektiert, kalkuliert, dokumentiert und verwaltet Unterlagen. Auf Basis eines Bausteinstammes kann der Anwender zügig ein Grundgerüst erstellen, bevor Sonderlösungen auf Projektebene einfließen. Damit werden die zuvor essenziellen Office-Programme abgelöst bzw. auf Nebentätigkeiten reduziert. Am Ende sollen sämtliche Abläufe in der Angebotsphase eines Projektes in der Software abgebildet und dokumentiert werden.

Der Autor Dr.-Ing. Diethard Struck ist Systemarchitekt bei der EAS Engineering Automation Systems GmbH.

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