15.11.2022 – Kategorie: Digitalisierung
Additive Fertigungsverfahren: Warum sie immer mehr an Bedeutung gewinnen
Nachhaltiger, robuster und flexibler, so soll die Produktion künftig sein. Bei diesen Anforderungen ist es wahrscheinlich, dass die additive Fertigung weiter an Bedeutung gewinnt. Warum das so ist, darüber hier mehr.
Gerade in den vergangenen zweieinhalb Jahren der Pandemie konnte das additive Fertigungsverfahren seine Vorteile deutlich ausspielen. Analysten sind mehr denn je von einem weiteren rasanten Wachstum überzeugt. Persistence Market Research geht davon aus, dass der Markt von 25,9 Milliarden US-Dollar in diesem Jahr auf 83,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2028 wachsen wird. Die installierte Basis steigt laut der Analysten von Grand View Research bis 2030 auf 21,5 Millionen Geräte. Der Grund für dieses Wachstum: Immer mehr Unternehmen realisieren, dass sie Produkte oder Bauteile dank additiver Fertigung lokal vor Ort, personalisiert und individualisiert dann herstellen können, wenn sie benötigt werden.
Der Wunsch nach reduzierten Lieferwegen hat gleich mehrere Gründe: Viele Firmen haben in der Pandemie erfahren müssen, wie anfällig die meisten Lieferketten sind. Beispiel: Durch den wochenlangen Lockdown in Shanghai stauten sich dort die Containerschiffe, sie durften weder ihre Ladung löschen noch neu beladen und den Hafen verlassen. Das additive Fertigungsverfahren kann helfen, die Produktion zu lokalisieren und so den Betrieb am Laufen zu halten.
Fertigungsprozesse lassen sich mit industriellem 3D-Druck weiter digitalisieren und effektiver gestalten – das bringt Unabhängigkeit von globalen Lieferketten und deren Störungen. Die Produktion ist damit nicht nur lokaler – es entfällt auch Lagerhaltung. Entwürfe für Bauteile oder Produkte liegen digital im Unternehmen vor, ihr Druck kann jederzeit gestartet werden. Das Ergebnis ist eine höhere Flexibilität. Hinzu kommen ökologischen Vorteile: Es entsteht weniger Abfall, denn nicht benötigte Materialien lassen sich wiederverwenden. Wichtige Fertigungsteile können vor Ort gedruckt und sichere digitale Dateien bei Bedarf versandt werden. Die Lagerfläche und die logistischen Anforderungen reduzieren sich dadurch deutlich. Und natürlich bedeuten kürzere Lieferwege auch weniger CO2-Belastung.
Additive Fertigungsverfahren – Eine gute Alternative
Insgesamt hat sich der 3D Druck in den letzten Jahren in vielen Fällen als eine gute oder bessere Alternative zu klassischen Produktionstechnologien etabliert. Die Branchen, in denen der industrielle 3D Druck Fahrt aufnimmt, sind vielfältig. Dazu gehören beispielsweise die Automobilindustrie, das Medizinwesen sowie das produzierende Gewerbe. Der Grund dafür: In diesen Industrien sind komplexe, oftmals auch personalisierte Produkte gefragt. Industrielle 3D Drucker sind anders als beispielsweise traditionelle Spritzgussverfahren in der Lage, komplexe Bauteile – oder gar funktionierende Baugruppen – in einem Arbeitsgang zu produzieren.
Zudem lassen sich durch die höhere Flexibilität des 3D Drucks Teile stärker individualisieren und in kleineren Stückzahlen profitabel produzieren. Konstrukteure und Entwickler sind in der Lage, Produkte zu erstellen, die aus einer geringeren Anzahl an Einzelteilen bestehen und somit robuster sind. Gleichzeitig reduziert sich der Aufwand für die Montage und die Prüfung von Einzelteilen, wenn Funktionsteile aus einem Stück produziert werden. Selbst komplexe Sonderanfertigungen, die vorher nicht umgesetzt werden konnten, lassen sich nun problemlos realisieren. Dazu ist es möglich, Teile über numerische Simulationen zu optimieren und damit beispielsweise deutlich stabiler zu machen. Dank der additiven Fertigung ist damit nicht nur das fertige Produkt hochwertiger, sondern die Herstellung ist deutlich materialsparender und damit kostengünstiger als herkömmliche Verfahren.
Eigene 3D Druck-Expertise aufbauen?
Mehr noch als bei anderen Fertigungsverfahren arbeiten beim industriellen 3D Druck Software, Hardware und Materialien Hand in Hand. Nur mit den richtigen Software-Tools lassen sich neuartige Bauteile und Produkte entwickeln, die sich per additiver Fertigung herstellen lassen. Daher spielen Software-Tools eine wichtige Rolle bei der Konzeption neuer Produkte – und dies verstärkt sich in Zukunft weiter. Jedoch fehlt es in vielen Unternehmen noch an ausreichend Know-how zur additiven Fertigung, um die Potenziale voll auszuschöpfen. Da die Technologie sich absehbar neben traditionellen Fertigungsverfahren etablieren wird – sprich: selbst zu einem traditionellen Fertigungsverfahren werden wird – werden die Unternehmen diese Expertise aufbauen müssen.
Organisationen sollten daher Investitionen in den industriellen 3D Druck auch als Investition in ihre geschäftliche Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit verstehen. Sie sind damit in der Lage, neuartige Teile zu entwickeln und zu produzieren, und zwar dann, wenn sie benötigt werden – mit allen Vorteilen wie etwa Lagerkosten und Lieferfähigkeit. Damit sind sie unabhängiger von globalen Lieferketten, die beispielsweise in der Pandemie gezeigt haben, wie anfällig sie sind. Besonders der Druck individueller Kleinserien mit geringem zeitlichem Vorlauf – beispielsweise bei Ersatzteilen oder Prototypen – kann Abhilfe schaffen und Unternehmen entlasten. Letztlich kann der 3D-Druckt mit seinen Vorteilen einer Produktion vor Ort zu einer maximalen Flexibilität beitragen sowie zu einer materialsparenden, nachhaltigeren Produktion.
Nachhaltigkeit – Additive Fertigungsverfahren
Ein Trend, der durch das additive Fertigungsverfahren weiter an Fahrt aufnehmen wird, ist die nachhaltige Produktion. Denn nicht nur werden Bauteile oder Produkte nur in der benötigter Stückzahl gefertigt, sondern das überschüssige Material wie etwa Pulver kann der Produktion wieder zugefügt werden. Damit lässt sich unnötiger Abfall vermeiden. Additive Manufacturing überzeugt auch durch einen reduzierten Energieverbrauch der fertigen Produkte dank leichterer Bauweise. Auch geringere Lagerhaltung und -flächen können zur Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit beitragen: Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass manches Lagerteil wegen neuer Revisionen nicht mehr benötigt werden wird und somit irgendwann entsorgt werden muss.
Oftmals wird auch ein weiterer Nachhaltigkeitsfaktor der additiven Fertigung übersehen, nämlich die sinkenden Kosten für den Transport der Teile. Dabei vollzieht sich ein Wandel von der linearen Fertigung mit zentralem Vertrieb hin zu einem dezentralen Netzwerk aus Zulieferern, Produktionspartnern und Kunden. Komplexe Lieferketten werden so nicht nur deutlich einfacher, sondern vor allem auch kürzer. Und das hat einen direkten, positiven Einfluss auf den CO2-Fußabdruck. In der traditionellen Fertigung werden Bauteile meist zentral produziert, da dies kostengünstiger und einfacher ist. Nach der zentralen Produktion werden die Teile in alle Welt verschifft, wo sie benötigt werden. Für umweltbewusste Unternehmen bietet der industrielle 3D Druck somit eine Reihe von Vorteilen, die auch den Umsatz positiv beeinflussen.
Transformation: Zeit zum Umdenken
Viele Unternehmen überdenken ihre Fertigung wegen der in den letzten beiden Jahren offensichtlich gewordenen Schwachstellen, darunter Lieferengpässe für Rohstoffe und Bauteile ebenso wie steigende Energiekosten. Für einfache Lieferketten sowie eine skalierbarere und widerstandsfähigere Produktion ist Additive Manufacturing eine gute Antwort. Die Fertigungsmethode ermöglicht zudem, nachhaltiger als bislang zu produzieren. Dabei steht die Qualität jenen der traditionell gefertigten Bauteile nicht mehr nach. Im Gegenteil: Oftmals lassen sich Produkte durch 3D Druck sogar optimieren. Fertigungsunternehmen sind so in der Lage, auch künftig wettbewerbsfähig zu bleiben. « jbi
Der Autor Raffi Beglarian ist 3D Printing Market Manager EMEA bei HP.
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