07.05.2013 – Kategorie: Hardware & IT
50 Jahre MSC Software: Am Anfang war die Raumfahrt
Von Ulrich Feldhaus
Alles begann mit einem Auftrag der NASA, ein Programm zur Lösung finiter Elemente (FE) zu entwickeln. Dessen Name – Nastran – ist eines der Synonyme für den Siegeszug der numerischen Simulation. Heute gehört MSC Software mit einer deutlich umfangreicheren Angebotspalette nach wie vor zur Spitzengruppe der CAE-Anbieter, an der kein CAE-Interessent bei seiner Entscheidungsfindung vorbeikommt.
Rechenschieber, mechanischer Tischrechner und Zeichenbrett waren die wichtigsten Werkzeuge, mit denen Ingenieure in den 60er Jahren Autos, Flugzeuge oder andere komplexe Investitionsgüter entwickelten. Es herrschte eine heute kaum noch nachvollziehbare Technik-Euphorie, die 1961 in dem Versprechen von J. F. Kennedy gipfelte, noch in den 60er Jahren Amerikaner zum Mond zu bringen.
Intensiv wurde nach Möglichkeiten gesucht, die dazu benötigten neuen Techniken besser und effizienter entwickeln und analysieren zu können. Numerische Verfahren wie die Finite-Elemente-Methode (FEM) zur computergestützten Strukturanalyse waren in ihrem Prinzip zwar schon bekannt, aber kommerzielle Anwendungen gab es noch keine. Das änderte sich erst, als die Raumfahrtbehörde NASA die Entwicklung eines FE-Programms ausschrieb, das statische und dynamischen Analysen mit mindestens 2.000 Freiheitsgraden ermöglichen und damit bislang verfügbare Programme deutlich übertreffen sollte.
Den Zuschlag erhielt die 1963 von Richard H. MacNeal und seinem Freund Robert Schwendler neu gegründete MacNeal-Schwendler Corporation (MSC). Ursprünglich mit dem Ziel angetreten, der Luft- und Raumfahrtindustrie Consulting-Leistungen im Bereich der computergestützten Strukturanalyse anzubieten, hatte man für die Entwicklung eine Projektgruppe initiiert, der auch CSC und Martin Marietta angehörten. 1967 erhielt das Programm den Namen Nastran (Nasa Structural Analysis Program) und wurde 1969 am Goddard Space Flight Center zum ersten Mal installiert.
Wie groß die erzielten Fortschritte waren, verdeutlichen Zahlen des Flugzeugherstellers Bell Helicopter: Benötigte man mit herkömmlichen Methoden für die Analyse von fünf Lastfällen 4.550 Mannstunden, so konnten mit Nastran in „lediglich“ 1.675 Mannstunden 36 Lastfälle berechnet werden.
Start der kommerziellen Vermarktung
Als öffentliche Institution musste die NASA das Programm allgemein verfügbar machen und so konnte jeder Interessierte Nastran für 1.750 US-Dollar kaufen. Bis in die jüngere Vergangenheit waren deshalb unterschiedliche Nastran-Versionen auf dem Markt, und auch MSC stellte 1971 eine eigene Version vor. MSC/NASTRAN war zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich besser als das ursprüngliche Programm, da MSC zirka ein Drittel der 150.000 Fortran-Statements verbessert beziehungsweise neu geschrieben hatte. In der Vermarktung beschritt MSC neue Wege: Kunden konnten MSC/NASTRAN erstmals gegen eine geringe Gebühr mieten und hatten dadurch Anspruch auf telefonische Unterstützung. Im ersten Jahr der NASTRAN-Einführung hatte MSC so 15 Neukunden gewonnen.
FEM-Pioniere und -Goldgräber
Die FEM-Methode war dem Experimentierstadium entwachsen, der Funktionsumfang allerdings nach wie vor auf lineare Statik und Dynamik mit einfachen Elementtypen begrenzt. Auch wenn sich in den 1970ern allmählich Unternehmen außerhalb der Luft- und Raumfahrt für die FEM interessierten und viele noch heute bekannte CAE-Anbieter gegründet wurden – beispielsweise ANSYS (1970), MARC (1971), MDI (1977) und Abaqus (1978) – konnte von einem Simulationsboom kaum die Rede sein.
Viele standen den neuen Möglichkeiten nach wie vor skeptisch gegenüber, nicht zuletzt wegen der enorm hohen Anfangsinvestitionen. Allein die Hardwarekosten waren immens: Ein VAX-750-Computer von Digital Equipment, damaliger Standard in der technischen Berechnung, kostete mehr als eine halbe Million Deutsche Mark, und für grafische Arbeitsplätze, meist mit monochromen Tektronix-4014-Bildschirmen bestückt, wurden bis zu 100.000 DM in Rechnung gestellt.
Die Arbeit mit FEM-Programmen war aufwändig und wenig anwenderorientiert. Geometriedaten mussten aus technischen Zeichnungen abgegriffen werden, und Geometrieaufbereitung, Vernetzung und Auswertung erfolgten größtenteils manuell. Selbst die Bearbeitung kleinerer Projekte nahm so Wochen bis Monate in Anspruch.
80er und 90er: Ab in die Masse
Die in den 80er Jahren einsetzende Entwicklung preiswerterer Workstations und Personal Computer erleichterte den Einstieg in die Simulation und die zunehmend populären 2D- und 3D-CAD-Systeme ermöglichten durch die direkte Übernahme von Konstruktionsdaten eine engere Integration der Simulation in den Entwicklungsprozess.
Programme zur Strömungssimulation, Temperatur- und Magnetfeldberechnung und zur Analyse nichtlinearer und zeitabhängiger Vorgänge erweiterten die Bandbreite der Anwendungsmöglichkeiten zusehends. Für die inzwischen börsennotierte MSC endeten 1989 mit der Übernahme von Pisces/Gouda die Jahre der Nastran-Monokultur und 1991 wurde das Programm Dytran zur Analyse hochgradig nichtlinearer transienter Aufgabenstellungen vorgestellt. 1994 übernimmt MSC mit PDA Engineering den Entwickler des Pre-/Postprozessors Patran und wird so der weltweit größte Anbieter von CAE-Lösungen.
Der Weg zum Lösungsanbieter
Im Gegensatz zu vielen Mitbewerbern hat MSC schon früh erkannt, dass die Industrie Partner benötigt, die nicht nur Programme liefert, sondern Lösungen bietet, die alle Aspekte des Simulationsprozesses abdecken. Nach außen sichtbar wird dies zum einen durch zahlreiche Neuentwicklungen, die vor allem unternehmensübergreifende und prozessorientierte Lösungen bieten, beispielsweise die Programme SimDesigner oder SimXpert. Darüber hinaus beginnt das Unternehmen, das seit 1999 den Namen MSC Software trägt, sein Lösungsportfolio durch Übernahmen zusätzlich zu vergrößern (beispielsweise MARC, MDI, CAE Partner, STC, Knowledge Revolution, Pioneer Solutions, Network Analysis). Mit dem Erwerb der CAE-Bench von SGI wurde die Basis für eine Simulation-Data-Management-Lösung (SDM) gelegt, die heute unter dem Namen SimManager firmiert.
Simulation ersetzt physisches Trial and Error
Seit den 90er Jahren beginnen Unternehmen, die inzwischen einfach verfügbaren Simulationsmöglichkeiten zur Gestaltung kürzerer und kosteneffizienterer Entwicklungsprozesse einzusetzen. Product Lifecycle Management (PLM) und die virtuelle Produktentwicklung sind Ansätze, die auf der massiven und durchgängigen Nutzung von CAX-Werkzeugen basieren.
Konventionelle Entwicklungsprozesse, die nach der Trial-and-Error-Methode auf Basis physischer Prototypen abliefen, werden zugunsten eines simulationsbasierenden Frontloading-Ansatzes reformiert, bei dem schon in der Konzeptphase und über den gesamten Entwicklungsprozess hinweg unterschiedlichste CAE-Lösungen, oftmals in multi-disziplinären Anwendungen, eingesetzt werden.
Wie sehr sich die Leistungsgrenze von Nastran in den vergangenen Jahren erweitert hat, spiegelt auch ein 2007 zusammen mit BMW und IBM durchgeführter Benchmark-Test wider. Das Berechnungsmodell des Body in White eines BMW X5 verfügt über 151 Millionen Knoten und besteht aus 95 Millionen Hexaeder-Elementen mit 911 Millionen Freiheitsgraden. Damals aktuelle Standard-Hard- und Software benötigte für die Berechnung eines linear statischen Lastfalls 22 Stunden Rechenzeit und dürfte mit heutiger Technologie nochmals deutlich schneller sein.
Gerüstet für die Zukunft
Seit 2009 ist das Unternehmen MSC Software, das inzwischen rund 1.000 Mitarbeiter beschäftigt, Teil der in Privathand befindlichen Symphony Technology Group. Aus einer durchlaufenen Konsolidierungsphase ist das Unternehmen gestärkt und neu fokussiert hervorgegangen. Mit MSC Nastran Desktop und seinen weiteren Produkten ist MSC Software bestens gerüstet, durch multidisziplinäre Anwendungen das Produktverhalten simulationstechnisch möglichst realistisch abzubilden und Unternehmen dabei zu unterstützen, Wertschöpfung durch Simulation weiter zu verbessern. Die Erfahrung aus 50 Jahren CAE und ein ausgereiftes und innovatives Produktportfolio sind dazu passende Zutaten. (jbi)
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